Frankfurt (Reuters) - Nach fünf Handelstagen mit steigenden Kursen haben ernüchternde Geschäftszahlen einiger Großkonzerne die europäischen Aktienbörsen am Donnerstag ausgebremst.
Der Dax lag am Nachmittag bei 12.712 Punkten 0,4 Prozent niedriger, der EuroStoxx50 notierte bei 3477 Zählern 0,2 Prozent im Minus. "Die Zahlen waren insgesamt etwas durchwachsen, deshalb nehmen einige Anleger ihre Gewinne mit", sagte ein Händler. Insgesamt überwiege die Vorsicht. Der starke Dollar brachte unterdessen das Pfund Sterling und auch den Euro unter Druck. Anleger gehen davon aus, dass die US-Notenbank Fed weiter an der Zinsschraube drehen wird. Für die Wall Street signalisierten die US-Futures sinkende Kurse.
Das Pfund Sterling rutschte um fast einen US-Cent auf 1,2975 Dollar ab und notierte damit so niedrig wie zuletzt Anfang September 2017. Auslöser der Verkaufswelle waren überraschend schwache Einzelhandelsumsätze in Großbritannien. "Diese üblen Zahlen werden die Bank von England nicht davon überzeugen, die Zinsen im August anzuheben", sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Da zudem die Inflation stagniere, würden die Notenbanker ihre Pläne sicher überdenken.
Laut Händlern sorgte auch die laufende Debatte über die Art und Weise des EU-Austritts Großbritanniens für Nervosität. Am Mittwoch hatte Premierministerin Theresa May nur mit der Drohung von Neuwahlen eine Abstimmung im Unterhaus gewonnen. Die Dollar-Stärke bekam auch der Euro zu spüren, der um etwa einen halben US-Cent auf 1,1586 Dollar abwertete.
PARTNERSCHAFT MIT NOVARTIS BEFLÜGELT MORPHOSYS
Ganz unten im Dax und im EuroStoxx50 standen mit einem Abschlag von rund zwei Prozent SAP (DE:SAPG). Damit ging etwa die Hälfte des Dax-Kursverlustes auf das Konto des Index-Schwergewichts. Das mit einer Marktkapitalisierung von 150 Milliarden Euro wertvollste europäische Tech-Unternehmen hatte seine Gesamtjahresziele zwar erneut angehoben. Doch überzeugte es laut Börsianern die Anleger nicht ganz. Goldman Sachs (NYSE:GS) bemängelte den Rückgang von Lizenzeinnahmen als negative Überraschung. Credit Suisse (SIX:CSGN) monierte zudem ein überraschend geringes Wachstum der Neuaufträge im Cloud-Geschäft.
In Paris stürzten die im Standardwerte-Index gelisteten Publicis um gut zehn Prozent ab und steuerten auf den größten Tagesverlust seit 16 Jahren zu. Wegen der neuen EU-Datenschutzrichtline schrumpfte der Quartalsumsatz der weltweit drittgrößten Werbeagentur um 2,1 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro. Dies sei das erste Mal, dass eine Werbefirma diese Begründung nutze, schrieben die Analysten des Vermögensberaters Kepler Cheuvreux in einem Kommentar. Im Sog von Publicis rutschten die Titel des Branchenprimus WPP, zu dem unter anderem die deutsche Agentur Scholz & Friends gehört, in London über vier Prozent ab.
Doch es gab auch einige Lichtblicke: Die Titel von Morphosys stiegen im TecDax um bis zu 5,3 Prozent und notierten mit 119,20 Euro so hoch wie zuletzt Anfang 2002. Die Biotechfirma schloss gemeinsam mit seinem belgischen Partner Galapagos einen Lizenzvertrag mit Novartis (SIX:NOVN). Der Schweizer Pharmakonzern überweise den beiden Unternehmen vorab 95 Millionen Euro. Darüber hinaus winkten weitere Zahlungen von bis zu 850 Millionen Euro sowie eine Umsatzbeteiligung. Die Analysten der Oddo-BHF Bank lobten die Vertragskonditionen als attraktiv für Morphosys. Galapagos-Titel gewannen in Amsterdam vier Prozent, Novartis lagen in Zürich ein Prozent im Plus.