Berlin, 12. Sep (Reuters) - Die Europäische Union plant eine eigene Digitalsteuer, sollten Verhandlungen darüber auf globaler Ebene scheitern. Entsprechende Vorschläge der EU-Kommission würde es dann im ersten Halbjahr 2021 geben, sagte Kommissions-Vize Valdis Dombrovskis am Samstag in Berlin. Allerdings haben Gespräche darüber in der Vergangenheit nicht zu einem Konsens in der EU geführt.
Auf internationaler Ebene bremsen laut Beobachtern vor allem die USA, weil die meisten großen Internetfirmen dort ihren Sitz haben. Frankreich kritisiert, dass sie oft vergleichsweise wenig Steuern zahlen. Die Corona-Pandemie verstärke dies noch. "Die einzigen Gewinner der wirtschaftlichen Krise sind die Internet-Giganten", so Finanzminister Bruno Le Maire zuletzt.
Das sieht auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz so: "Es kann nicht dabei bleiben, dass wir nur miteinander reden, sondern diese Sachen müssen auch umgesetzt werden." Der SPD-Kanzlerkandidat hofft darauf, dass unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD bald ein Grundgerüst steht. Die OECD treibt Pläne für eine globale Mindeststeuer sowie eine neue Verteilung voran, welches Land künftig wie stark digitale Dienstleistungen international tätiger Konzerne besteuern darf. Angesprochen auf die zähen Verhandlungen mit den USA sagte Scholz: "Man darf nie aufgeben." Es gehe Stück für Stück voran.
EUROPA TRIFFT SICH WIEDER - ABER KEINE ENTSCHEIDUNGEN
Erstmals seit etwa einem halben Jahr kamen die europäischen Finanzminister am Freitag und Samstag wieder zu einem physischen Treffen zusammen. Dabei ging es in Berlin vor allem um die Umsetzung des 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds. Dombrovskis sagte, die Implementierung der beschlossenen Maßnahmen sei jetzt im Fokus. Denn von der Pandemie stark betroffene Länder wie Italien und Spanien hoffen auf eine schnelle Auszahlung der ersten Hilfsgelder. Das dürfte aber erst 2021 geschehen.
Scholz sagte, im Rahmen der Hilfen nehme die EU gemeinsame Schulden auf, die dann auch zurückgezahlt werden müssten. Dabei sei es wichtig, dass Europa mehr eigene Einnahmen bekomme. Darüber sei jetzt intensiv diskutiert worden, vor allem Erlöse aus Emissionshandelssystemen in der See- und Luftfahrt. Denkbar seien auch Digitalsteuern oder eine Finanztransaktionssteuer. Die deutsche Wirtschaft warnt, die in der Corona-Krise bereits gebeutelten Unternehmen nicht zusätzlich zu belasten.
"Es muss einen Beschluss geben", forderte Scholz mit Blick auf die EU-Eigenmittel, hoffentlich schon bald. Bei den jetzt erfolgten informellen Beratungen der Finanzminister seien aber keine Entscheidungen geplant gewesen. Dies sei erst beim nächsten Treffen wieder vorgesehen. Scholz nannte als Beispiel die angestrebte Reform des europäischen Rettungsfonds ESM. Hier sei er zuversichtlich, dass es noch 2020 eine Verständigung auf Details geben könne. Der ESM soll unter anderem mit einer vorsorglichen Kreditlinie um ein neues Hilfsinstrument erweitert werden.