Frankfurt (Reuters) - Die Panik an den europäischen Aktienmärkten nach dem Brexit-Schock scheint verflogen.
Dax und EuroStoxx50 blieben auch am Mittwoch auf Erholungskurs. Der deutsche Leitindex legte 1,8 Prozent auf 9612,27 Punkte zu, der EuroStoxx50 gewann 2,7 Prozent auf 2832,18 Zähler. Der britische Leitindex "Footsie" machte seinen Absturz nach dem Votum am Freitag sogar komplett wett. Die Hoffnung auf weitere Geldspritzen der Notenbanken trieb auch an den Anleihemärkten die Kurse nach oben.
"In den kommenden Wochen werden Anleger voraussichtlich zwischen der Hoffnung auf Konjunkturstimuli und der Furcht vor den Folgen des Brexit schwanken", sagte Anlagestratege Martin Van Vliet von der ING Bank. An der Wall Street sorgten die Spekulation auf eine in weitere Ferne rückende US-Zinserhöhung und steigende Ölpreise für Entspannung. Vor allem bei den schwer gebeutelten Finanzwerten griffen Anleger wieder zu. Bank of America (NYSE:BAC) und JPMorgan (NYSE:JPM) gewannen 3,7 beziehungsweise zwei Prozent.
Die Kuh ist aus Sicht von Börsianern aber noch lange nicht vom Eis. Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG Markets warnte: "Die Unsicherheit über den Zeitpunkt und die Umstände des britischen Ausstiegs aus der EU könnten recht schnell wieder die Stimmung auf dem Frankfurter Börsenparkett belasten." Experten zufolge könnte das Vereinigte Königreich in eine Rezession rutschen und sich das weltweite Wachstum verlangsamen.
UNSICHERHEIT HÄLT AN - RUN AUF ANLEIHEN
Noch hat die Regierung in London offiziell nicht den Austritt erklärt. Je länger die Briten mit der offiziellen Erklärung des Austritt zögerten, desto größer könnte der realwirtschaftliche Schaden werden, sagte Jochen Stanzl, Analyst beim Brokerhaus CMC Markets. "Den Märkten bleibt aber zurzeit nichts anderes übrig, als auf die nächsten Schritte Londons zu warten."
Schnäppchenjäger kehrten trotz der Unsicherheit an den britischen Kapitalmarkt zurück. Der britische Leitindex "Footsie" stieg den zweiten Tag in Folge und gewann 3,6 Prozent auf 6360 Punkte. Damit machte er seine Kursverluste von bis zu 8,7 Prozent unmittelbar nach dem Votum wieder wett. Am Devisenmarkt stabilisierte sich das Pfund Sterling. Mit 1,3533 Dollar notierte es knapp anderthalb US-Cent höher. Anfang der Woche war es auf ein 31-Jahres-Tief von rund 1,3120 Dollar abgestürzt.
Spekulationen auf zusätzliche Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) gaben europäischen Bonds Auftrieb. Dadurch fielen die Renditen der zehnjährigen Titel aus Frankreich und den Niederlanden auf Rekordtiefs von 0,208 und 0,091 Prozent. Die deutschen Titel rentierten mit minus 0,135 Prozent in Reichweite ihres Rekordtiefs von minus 0,17 Prozent.
ISTANBUL-ANSCHLAG DRÜCKT TOURISTIK-WERTE
Am Aktienmarkt griffen Investoren vor allem zu konjunkturunabhängigeren Werten wie Telekomtiteln und Versorger. E.ON (DE:EONGn) waren mit einem Plus von knapp fünf Prozent größter Dax-Gewinner, gefolgt von RWE (DE:RWEG) mit plus 4,6 Prozent. Deutsche Telekom (DE:DTEGn) legten 4,3 Prozent zu.
Hingegen trennten sich Anleger nach dem Selbstmord-Anschlag am Istanbuler Atatürk-Flughafen mit mehr als 40 Toten von Touristikwerten. Die Aktien der Fluggesellschaft Turkish Airlines fielen um 2,7 Prozent. TAV Airports, die den Flughafen auf der europäischen Seite der größten türkischen Stadt betreiben, rutschten sogar um 6,5 Prozent ab. Der Billig-Flieger Pegasus, der den Flughafen Sabiha Gökcen auf der asiatischen Seite Istanbuls anfliegt, büßte 1,2 Prozent ein, die Titel des Touristik-Konzerns TUI in London 3,8 Prozent.