von Robert Zach
Investing.com - Growth-Aktien haben sich in den letzten Monaten deutlich schlechter geschlagen als ihre Pendants aus dem Value-Bereich. Doch nach Ansicht der Experten von JPMorgan (NYSE:JPM) bietet diese Underperformance nun auch eine taktische Gelegenheit.
Value-Investing ist ein Anlagestil, bei dem Anleger Aktien kaufen, deren innerer Firmenwert über ihrem Aktienkurs liegt. Mit diesem Ansatz konnten Anleger in den vergangenen zwölf Monaten gemessen am iShares Edge MSCI USA Value Factor (ETR:QDVI) rund 5,5 Prozent Rendite erzielen. Dagegen haben so genannte Growth-Aktien, zu messen am iShares Factors US Growth Style (NYSE:STLG), im gleichen Zeitraum gut 17,4 Prozent an Wert verloren.
Den Aktienstrategen von JPMorgan zufolge hat sich die Positionierung der Anleger in den wachstumsstarken Segmenten des Marktes nach der jüngsten Abwärtsbewegung abgeschwächt. "Zu Beginn des Jahres lautete unsere zentrale Empfehlung noch OW Value vs. Growth. Inzwischen sehen wir eine taktische Chance, dass der Growth- zum Value-Stil aufschließen kann", hieß es in einer Notiz.
Aufgrund der hohen Inflation in den USA hat die Federal Reserve die Zinsen in diesem Jahr bereits um insgesamt 150 Basispunkte angehoben - weitere sollen folgen. Im Dot-Plot schätzen die Notenbanker, dass der Leitzins zum Jahresende sogar bei 3,4 Prozent liegen wird. Entsprechend sind auch die Anleiherenditen gestiegen.
Es sind vor allem Wachstumswerte die unter hohen Zinsen leiden, denn der Markt bewertet dann die zukünftigen Cashflows dieser Unternehmen deutlich geringer, weil der Diskontsatz steigt.
Stand heute rentiert die zehnjährige US-Staatsanleihe mit 2,91 Prozent. In der Spitze hatte sie in diesem Jahr bei 3,50 Prozent gelegen. Nach Ansicht der JPMorgen-Experten dürfte dieser Renditeanstieg vorerst vorbei sein. Bis Juni nächsten Jahres sehen sie die Rendite unterhalb des jüngsten 52-Wochen-Hochs pendeln.
"Der größte Teil des Anstiegs bei den Anleiherenditen liegt vorerst hinter uns. Unser Fixed Income Team schätzt, dass sich die Renditen von nun an weltweit innerhalb einer Range bewegen werden, mit einem leichten Aufwärtspotenzial in den USA und einem Abwärtspotenzial in Großbritannien und der Eurozone", schreiben sie in dem Bericht.
Der aus den immer weiter steigenden Anleiherenditen entstehende Druck auf Growth-Aktien sollte also vorerst nachlassen, zumal sich auch die Inflationserwartungen stabilisieren könnten, vorausgesetzt, es kommt zu keinem weiteren schnellen Anstieg bei den Ölpreisen.
JPMorgan sieht außerdem viele Growth-Segmente als "taktisch überverkauft" an. Außerdem hätten sich einige Bewertungskennzahlen in der Zwischenzeit abgekühlt.
"Auf der Basis des Kurs-Umsatz-Verhältnisses (KUV) sind die unrentablen Tech-Unternehmen fast schon billig, ebenso wie Anbieter im Bereich Zahlungen, nachdem sie vor einem Jahr noch Höchststände erreicht hatten."
Langfristig aber bleiben die Analysten von JPMorgan "Overweight" auf Value vs. Growth. "Tech wird immer noch in der Nähe der relativen Höchststände aus dem Jahr 2000 gehandelt. Wir sind der Meinung, dass große Tech-Unternehmen nicht mehr denselben Gegenwind ausgesetzt sind wie im Jahr 2000. Die Gruppe kann sich heute auf relativ gering verschuldete Bilanzen, umfangreiche Rückkäufe, einen stabilen Cashflow und nachgewiesene Erträge stützen, aber das Chance-Risiko-Verhältnis für Growth und Tech ist nicht mehr so attraktiv wie vor 10 Jahren. Die FCF-Rendite von Growth liegt jetzt unter der von Value. Die Bewertungen von Growth haben sich zwar kurzfristig abgeschwächt, sind aber langfristig nicht attraktiv, und das relative EPS von Value scheint gegenüber Growth die Talsohle erreicht zu haben. Deshalb sehen wir in dieser Situation nur eine taktische Gelegenheit für eine Erholung bei Growth."
Für eine taktische Outperformance haben die Marktexperten fünfzehn europäische Aktien ausgemacht, die gegenüber ihren Höchstständen in der zweiten Jahreshälfte 2021 um mindestens 40 Prozent gefallen sind und nun eine "gute Kaufgelegenheit" bieten. Alle Aktien auf der Liste werden vom Analystenteam der Bank mit "Overweight" bewertet.
Zum einen wäre da der in Norwegen ansässige Marktplatzanbieter Adevinta (OL:ADEA). Die Aktie ist in den letzten zwölf Monaten von ihren Hochs um 61 Prozent eingebrochen. "Nach der Übernahme von eBay (NASDAQ:EBAY) Kleinanzeigen im Jahr 2021 stieg Adevinta zum weltweit größten Anbieter von Online-Kleinanzeigen auf. Ihre neuen Investitionen in transaktionale Produkte beschleunigen langsam das Umsatzwachstum", erklärten die JPMorgan-Analysten.
Ebenfalls auf die Liste geschafft hat es Worldline (EPA:WLN), ein französischer Anbieter für Zahlungs- und Transaktionsdienstleistungen. Die Aktie wird aktuell 59 Prozent unter ihrem jüngsten Hoch gehandelt. Das Kursziel lautet 59 Euro. Ausgehend vom aktuellen Kursniveau ergibt sich daraus ein Renditepotenzial von 69,5 Prozent.
Eine weitere Aktie, die laut JPMorgan erhebliches Kurspotenzial bietet, ist Entain (LON:ENT). Die Aktie des Unternehmens für Sportwetten, Glücksspiele und interaktive Unterhaltung wird gemäß dem Kursziel der Analysten mit einem Abschlag von fast 98 Prozent gehandelt
Weitere Aktien, die es auf die Liste geschafft haben, sind: Partners Group (SIX:PGHN), Puma (ETR:PUMG), Ashtead Group (LON:AHT), Straumann Holding (SIX:STMN), Sartorius (ETR:SATG), GN Store Nord (CSE:GN), ASM International (AS:ASMI), Adyen (AS:ADYEN), ASML Holding (AS:ASML), Temenos (SIX:TEMN), AVEVA Group (LON:AVV) und Valeo (EPA:VLOF).