Der weltweite Aktienmarkt scheint manchmal einer unermüdlichen Maschine zu gleichen. Seit Jahrzehnten schon liefern Aktien eine sehenswerte Rendite. Der weltweite Aktienindex MSCI World (DE:X010) beispielsweise legte seit seinem Start im Jahr 1987 um durchschnittlich 8,7 % im Jahr zu. Und der US-Index S&P 500, für den die Daten noch weiter zurückreichen, schaffte in den letzten 100 Jahren sogar eine Bruttorendite von fast 10,7 %.
Kann der Aktienmarkt auch in den kommenden Jahrzehnten solche tollen Renditen liefern?
Warum steigen Aktien eigentlich? Die starke Performance des Aktienmarkts wirkt überraschend – legte doch der Wert aller weltweit produzierten Güter (das Bruttoinlandsprodukt, BIP) seit 1987 nur um rund 4,9 % pro Jahr zu. Hier ist die Inflation schon enthalten. Wie können Aktien schneller steigen, als die Weltwirtschaft wächst? Wo kommt die starke Performance her?
Wir können die Kurse von Aktien in zwei Bestandteile zerlegen: den Unternehmensgewinn je Aktie und das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Da haben wir schon mal zwei wichtige Dinge voneinander getrennt: die operative Performance von Aktiengesellschaften und der Faktor, mit dem der Aktienmarkt diese Performance bewertet.
Eine Aktie kann also nur steigen, wenn
- der Unternehmensgewinn steigt, während das KGV konstant bleibt,
- das KGV steigt, während die Unternehmensgewinne konstant bleiben
- oder das Unternehmen eigene Aktien zurückkauft, dadurch die Anzahl ausstehender Aktien sinkt und der Aktienpreis zum Ausgleich steigt.
Die Aktienkurse haben in den vergangenen Jahrzehnten davon profitiert, dass Unternehmen einen immer größeren Teil des BIPs eingenommen haben. In den USA pendelte der Anteil der Unternehmensgewinne am BIP Mitte der 80er rund um 5 %. Aktuell liegt das Verhältnis auf einem Rekordhoch nahe 12 %. Die Gewinne der Unternehmen sind also schneller gewachsen als die Wirtschaftsleistung.
Die Aktienbewertungen liefern das gleiche Bild. Beim KGV des S&P 500 sehen wir seit Anfang der 80er einen Aufwärtstrend, der fast eine Verfünffachung (!) der Aktienbewertungen ausgelöst hat. Auch hier befinden wir uns auf einem rekordverdächtigen Niveau – selbst wenn man einrechnet, dass sich die Gewinne der Unternehmen womöglich noch nicht vollständig von der Pandemie erholt haben.
Diese beiden Faktoren dürften zusammen mit Aktienrückkäufen die Differenz zwischen dem BIP-Wachstum und der Entwicklung der Aktienmärkte recht gut erklären.
Der langfristige Rendite-Ausblick Was verrät uns das für die Zukunft? Die Renditen von Aktien sind meiner Meinung nach von zwei Trends abhängig geworden, deren Nachhaltigkeit zumindest angezweifelt werden darf.
Unterstützung für die Aktienkurse dürfen wir uns in Zukunft vielleicht vom BIP-Wachstum erhoffen. Dieses hat in den letzten Jahren etwas gelahmt – wohl auch wegen der allgemein niedrigen Inflation. Wenn das globale BIP eine nächste Aufwärtswelle zünden kann, dann kann das eine eventuelle Umkehr der beiden anderen genannten Trends vielleicht abfedern. Doch wenn wir ein weiterhin zurückgehendes BIP-Wachstum erleben, dann wird sich das früher oder später auch auf die Renditen von Aktien auswirken müssen.
Es ist also Vorsicht angebracht bezüglich der Renditen des Aktienmarkts. Vielleicht erleben wir in nächster Zeit eine Verlangsamung des Aufwärtstempos. Auf lange Sicht dürfte die Aktie dennoch das Anlageinstrument bleiben, mit dem am Kapitalmarkt am meisten zu holen ist.
Der Artikel Können Aktien langfristig um 9 % im Jahr steigen? ist zuerst erschienen auf The Motley Fool Deutschland.
Motley Fool Deutschland 2021