Investing.com - Der Aktienstratege der US-Bank Morgan Stanley (NYSE:MS), Michael Wilson, der während der aktuellen Marktschwäche bereits einige richtige Einschätzungen abgegeben hat, beschrieb in einer Kundennotiz am Wochenende seine jüngsten Makro-Überlegungen.
Wilson erklärte, dass sich der Konsens darüber, wann die US-Wirtschaft in eine Rezession eintreten werde, seit Anfang des Jahres "erheblich geändert" habe. Zu Jahresbeginn sei man noch von einer schwierigen ersten Jahreshälfte ausgegangen, gefolgt von einem starken zweiten Halbjahr. Dies habe sich nun geändert, da immer mehr Marktteilnehmer nun eine weiche Landung der Wirtschaft erwarten und eine Rezession erst für die zweite Jahreshälfte prognostizieren. Dies sei teilweise auf die Wiedereröffnung Chinas und den Einbruch der Erdgaspreise zurückzuführen, schrieb der Aktienexperte.
Wilson sagte, dies seien zwar stichhaltige Gründe, er führt den Sinneswandel jedoch auf die Kursentwicklung bei Aktien zurück, die seiner Meinung nach von "qualitativ minderwertigen und stark geshorteten Aktien" angeführt wurde. Darüber hinaus seien zyklische Aktien im Vergleich zu defensiven Titeln stark angestiegen.
Wilson beschreibt diese zyklische Rotation als "gewaltige Wende", betont aber auch, dass "Bärenmärkte jeden zum Narren halten können, bevor sie tatsächlich enden".
"Die Endphase eines Bärenmarktes ist immer besonders heikel, weshalb wir uns vor solchen Täuschungen wie der Oktober-Dezember-Rally, die wir erwartet und gehandelt haben, hüten", so Wilson. "In Bärenmärkten wie im letzten Jahr, als so gut wie jeder Geld verloren hat, verlieren die Anleger das Vertrauen. Sie fangen an, ihre Prozesse in Frage zu stellen, da die Preisentwicklung und die Querströmungen in den Daten ein Spiegelkabinett schaffen, das sie zusätzlich in die Irre führt. Gerade jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um auf die eigene Arbeit zu vertrauen und das Rauschen zu ignorieren. Um es kurz zu machen: Wir machen bei dieser jüngsten Rallye nicht mit, weil wir aufgrund unserer Arbeit und unseres Prozesses bei den Unternehmensgewinnen ganz klar bearish sind."
Wilson rechnet noch immer mit einer weiteren "Erosion der Unternehmensgewinne". Die Kluft zwischen seinem Berechnungsmodell und den marktseitigen Schätzungen sei "so groß wie nie zuvor". Dem Aktienexperten zufolge sei der S&P 500 die letzten beiden Male, als sein Modell so extrem unter dem Konsens lag, um 34 % und 49 % gefallen.
"Wir raten den Anlegern, sich auf die Fundamentaldaten zu konzentrieren und die Fehlsignale und irreführenden Reflexionen in diesem Spiegelkabinett des Bärenmarktes zu ignorieren", resümierte Wilson.
von Robert Zach