Zehn Tage, nachdem die Leerverkäufer von Hindenburg Research ihren vernichtenden Report über den Elektro-Truckhersteller Nikola Corp (NASDAQ:NKLA) (WKN: A2P4A9) veröffentlicht haben, gibt es ernste personelle Konsequenzen bei dem Start-up aus Arizona: Mitgründer, Vorsitzender und Gesicht des Unternehmens Trevor Milton tritt zurück.
Die Nikola-Aktie steht infolge des Rücktritts so tief wie noch nie zuvor (Stand: 22. September 2020). Ist das eine einmalige Kaufchance, um günstig in dieses Batterie- und Wasserstoffunternehmen zu investieren?
Die Vorwürfe von Hindenburg Die Quintessenz des ausführlichen Berichts lautet: Die Nikola-Aktie ist ein Betrugsfall und in dieser Hinsicht vergleichbar mit der Wirecard-Aktie. Nikola soll Produktdemonstrationen gefaked, seine technologischen Fähigkeiten viel zu positiv dargestellt und über Meilensteine des Unternehmens gelogen haben. Besonders anschaulich: In einem Werbevideo, das den Wasserstoff-Lkw Nikola One auf der Straße zeigt, sei dieser nicht mit eigenem Antrieb unterwegs gewesen, sondern wurde nur einen Berg hinuntergerollt.
Trevor Miltons Antwort ließ damals nicht lange auf sich warten. Er werde den Rest des Tages an einem detaillierten Bericht arbeiten, um die einseitigen Anschuldigungen zu entkräften. Und: „Feiglinge flüchten, Anführer bleiben und kämpfen für Integrität.“
Elf Tage später ist aus dem einstigen Anführer ein Feigling geworden, und Nikola hat in einem am 14. September erschienenen Statement zugegeben, dass der Nikola One in der Tat nur einen Hügel heruntergerollt ist – mit dem Hinweis darauf, man habe ja nie explizit behauptet, der Truck fahre mit seinem eigenen Antrieb.
Ist Nikola ein Betrugsfall?! Mein größtes Problem mit der Nikola-Aktie war seit Beginn – neben der immensen Bewertung – die nicht vorhandene Historie. Abgesehen von ein paar schicken Präsentationen hat Nikola nicht viel vorzuweisen: kein verkauftes Produkt, keine Erfahrungsberichte von Kunden, keinen Beweis darüber, dass das Geschäftsmodell funktioniert.
Aktuell sieht es so aus, als wäre Nikolas Technologie in manchen Fällen tatsächlich nicht so ausgereift, wie das Unternehmen behauptete. Das können wir auch an der kürzlich verkündeten Kooperation mit General Motors (NYSE:GM) (WKN: A1C9CM) erkennen. Laut dieser wird Nikolas Pick-up-Truck Badger nicht die oft beworbene, erstklassige Batterietechnologie Nikolas nutzen, sondern die von GM. Weiterhin übernimmt GM die gesamte Entwicklung und Produktion des Fahrzeugs.
Für weitere Nikola-Produktlinien, die auf Wasserstoff setzen, soll GM seine Brennstoffzellentechnologie einbringen. Auch hier verzichtet Nikola offenbar auf die Kommerzialisierung seiner eigenen Technologie, mit der Begründung, so ließen sich Kosten sparen.
All das deutet darauf hin, dass hinter den hübschen Präsentationen Nikolas und all den Aussagen von Trevor Milton zu Nikolas Technologie und Innovationskraft nicht viel Substanz steckt.
Was das für die Nikola-Aktie bedeutet Der Abgang von Trevor Milton ändert daran aus meiner Sicht wenig. Das Unternehmen wird nicht auf einmal technologische Durchbrüche aus dem Hut zaubern, nachdem der bekannteste Gründer abgesprungen ist. Die Nikola-Aktie ist nun zwar so billig wie noch nie zuvor, doch das könnte immer noch zu viel sein.
Denn die Nikola-Aktie kommt derzeit weiterhin auf eine Marktkapitalisierung von rund 11 Milliarden Dollar. Um dieses Bewertungslevel zu rechtfertigen, wird Nikola mittelfristig seine Umsätze von null auf mindestens dreistellige Millionenbeträge steigern müssen. Dabei hat sich Nikola in hohem Maße von GM abhängig gemacht – einem Unternehmen, das bei der Prüfung des Badger-Deals nicht in der Lage war, die Warnzeichen zu erkennen, die Hindenburg Research gefunden hat. Das wirft auch kein gutes Licht auf Nikolas neuen Partner GM.
Für mich haben die Enthüllungen von Hindenburg und die teils schwache Gegenargumentation von Nikola die Aktie schlichtweg uninvestierbar gemacht – unabhängig vom Bewertungsniveau. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass hinter Nikola wesentlich weniger steckt, als viele jemals gedacht hätten. Und vielleicht kennen wir bis heute nur die Spitze des Eisbergs.
Christoph Gössel besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.
Motley Fool Deutschland 2020