GELSENKIRCHEN (dpa-AFX) - Auf dem Vereinsgelände des FC Schalke gibt es derzeit reichlich zu tun - nicht nur in sportlicher Hinsicht. Mehr Aufmerksamkeit als die Fußball-Profis bei ihrer Vorbereitung auf das kommende Zweitliga-Spiel gegen Hansa Rostock erregen diverse Handwerker, die mit der Demontage der vielen Gazprom-Schriftzüge im Stadion und außerhalb der Arena beschäftigt sind. Bis zum Anpfiff der Partie am Samstag (13.30 Uhr/SKY) müssen die letzten Spuren einer jahrelangen Partnerschaft beseitigt sein.
Gut möglich, dass schon bald ein anderes Firmenlogo installiert wird. Wie "Kicker" und "Funke Medien" berichten, macht der Revierclub bei der Suche nach einem neuen Trikotsponsor schnelle Fortschritte. Demnach soll das Wohnungsunternehmen Vivawest an einer Zusammenarbeit interessiert sein. Unattraktiv wäre ein Engagement sicher nicht: Angesichts der Brisanz würde ein vermeintlicher Gazprom-Nachfolger schlagartig ins Scheinwerferlicht rücken. Der Immobilienriese mit rund 120 000 Wohnungen wollte die Spekulationen auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa am Dienstag jedoch nicht kommentieren.
Vor der möglichen neuen Liaison müssen auf Schalke ohnehin zunächst die Scheidungsmodalitäten mit Gazprom (MCX:GAZP) geklärt werden. Noch ist unklar, wie sich beide Seiten bei der Auflösung des bis 2025 datierten Vertrags einigen. Es könnte die Verhandlungen erschweren, dass Gazprom dem Vernehmen nach rund neun Millionen Euro für die aktuelle Saison bereits bezahlt hat.
Nach Einschätzung des auf Sportrecht spezialisierten Juristen Rainer Cherkeh (Hannover) würde die Kündigung des FC Schalke "einer gerichtlichen Überprüfung standhalten". "Bei einem Sponsoringvertrag kann jeder Vertragsteil die Vereinbarung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die aktuelle dramatische Entwicklung dürfte für Schalke 04 ein solches außerordentliches Kündigungsrecht rechtfertigen, und zwar vor allem deshalb, weil die Russische Föderation den Gazprom-Konzern als größter Anteilseigner kontrolliert", sagte Cherkeh.
Die Trennung von Gazprom nach 15 Jahren gilt in Gelsenkirchen als Zeitenwende. Schließlich hatten sich die Schalker unter dem Schutzschild des russischen Gasriesen gemütlich eingerichtet. Zu Bundesliga-Zeiten sollen zwischen 15 und 20 Millionen Euro pro Jahr geflossen sein, nach dem Abstieg für einen Zweitligisten noch immer stolze acht bis zehn Millionen Euro.
Diese Gelder waren für den Traditionsclub bei einem Schuldenstand von über 200 Millionen Euro überlebenswichtig und dürften auch in den Plänen für das kommende Lizenzierungsverfahren eine große Rolle spielen. Nach dem Versiegen der Geldquelle Gazprom versuchten die Vereinsbosse, alle Sorgen der Fans vor einer noch größeren finanziellen Schieflage zu zerstreuen. "Die vollständige finanzielle Handlungsfähigkeit des Vereins bleibt von dieser Entscheidung unberührt", hieß es in einer Mitteilung.
Erste Vorteile der Trennung sind bereits zu spüren. So bleibt die Nachfrage nach den Sondertrikots ohne den Schriftzug des bisherigen russischen Hauptsponsors Gazprom auf der Brust groß. Mit diesen Trikots war das Team am Samstag in Karlsruhe (1:1) angetreten.
Zudem bescherte der Ausstieg aus dem Gazprom-Vertrag einen Imagegewinn. Georg Vonnahme, Vorsitzender des größten Fanclubs "Königsblau Brilon", begrüßte diesen Schritt in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung": "Mit dieser Aktion hat man die Fans zurückgewonnen. Ich bin sicher, dass gerade jetzt wieder viele Fans gern ein Trikot kaufen werden, auf dem nicht Gazprom steht. Auch bei uns im Fanclub ist die Nachfrage riesig.