MÜNCHEN (dpa-AFX) - Nur drei Monate nach der Kappung der Prognose stellt der Energietechnikkonzern Siemens Energy (ETR:ENR1n) seine Jahresziele erneut wegen der Windkrafttochter Gamesa auf den Prüfstand. Zudem erschweren der Ukraine-Krieg und die Corona-Lage in China die Geschäfte. Die Rahmenbedingungen der Geschäftstätigkeit von Siemens (ETR:SIEGn) Energy seien "herausfordernder" geworden. In der Folge sieht sich auch Gamesa gezwungen, die Prognose nochmals unter die Lupe zu nehmen.
"Ich muss zugeben, dass die Geschäftsentwicklung deutlich hinter unserer und meiner Erwartung liegt", sagte der erst seit sechs Wochen amtierende Gamesa-Chef Jochen Eickholt in einer Telefonkonferenz am Mittwoch. Die Energy-Aktie fiel am Vormittag zuletzt um 4,2 Prozent, die Gamesa-Papiere notierten in Madrid 1,1 Prozent tiefer.
Allerdings scheinen neben den externen Faktoren wie andauernden Lieferengpässen und steigenden Kosten vor allem die hausgemachten Probleme den Manager zu beschäftigen. Zwei Drittel der Herausforderungen des Unternehmens seien interner Herkunft, schätzte das frühere Siemens-Energy-Vorstandsmitglied Eickholt. "Die Situation hat sich nicht verbessert, das Gegenteil ist der Fall." Dabei gehe es vor allem um das Design von Technologie sowie die Anlaufphase für die neuen 5.X-Anlagen. "Daher will ich zuallererst die Probleme rund um die 5.X-Platform in Angriff nehmen, die größer sind als vermutet."
Mit Blick auf die steigenden Materialkosten sagte Eickholt, dass bei Metallen wie Stahl und Kupfer ein Höhepunkt erreicht worden sei. Insgesamt sei es zwar schwierig, konkrete Angaben zu den Mehrkosten zu machen, da diese abhängig von den jeweiligen Produkten seien. Insgesamt schätzte der Manager aber, dass die Kosten für Material etwa im hohen einstelligen Prozentbereich oder etwas mehr über dem sonstigen Niveau liegen.
Bisher erwartete der Vorstand des Mutterkonzerns Siemens Energy eine vergleichbare Umsatzentwicklung ohne Währungsumrechnungs- und Portfolioeffekte in einer Bandbreite von minus zwei bis plus drei Prozent und eine angepasste Marge des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Firmenwertabschreibungen vor Sondereffekten (Ebita) von plus zwei bis plus vier Prozent. Diese Pläne stehen nun zur Disposition. Einen neuen Ausblick könnte es am 11. Mai geben, wenn Siemens Energy detaillierte Quartalszahlen veröffentlicht.
Die Windkrafttochter Siemens Gamesa (BME:SGREN) versuche zwar ihrerseits, den Umsatzschwund und den operativen Verlust auf Werte im Rahmen ihrer bisherigen Zielsetzungen zu begrenzen - allerdings nun inklusive der positiven Effekte aus einem Anteilsverkauf. Doch offiziell messen lassen will sich das Gamesa-Management daran zunächst nicht mehr, die Prognose sei nicht länger gültig und werde geprüft.
JPMorgan-Analyst Akash Gupta betonte, dass die erneute Gewinnwarnung dem Gegenwind für die Branche durch den Inflationsdruck aufgrund des Ukraine-Kriegs sowie die coronabedingten Einschränkungen in China geschuldet sei. Die Auftragsentwicklung im zweiten Geschäftsquartal sei zudem hinter den Erwartungen zurückgeblieben und die Nettoverschuldung liege über seiner Schätzung. Indes liege der Verkaufspreis für Vermögenswerte über der in der Presse kolportierten Spanne.
Im zweiten Quartal stieg der Erlös bei Siemens Energy um 1,5 Prozent auf 6,58 Milliarden Euro - auf vergleichbarer Basis entspricht dies aber einem Rückgang von 1,7 Prozent. Das angepasste Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern, Firmenwertabschreibungen und Sondereffekten (Ebita) lag bei minus 21 Millionen Euro nach plus 288 Millionen Euro im Vorjahr. Die entsprechende Marge rutschte von plus 4,4 auf minus 0,3 Prozent. Der Auftragseingang schrumpfte um 27,5 Prozent auf knapp acht Milliarden Euro. Alle Kennzahlen lagen Unternehmensangaben zufolge unter den Erwartungen von Analysten.