Berlin, 17. Apr (Reuters) - Die SPD sieht den Wirecard-Wirtschaftsprüfer EY durch ein noch geheimes Sondergutachten stark belastet. "Der Wambach-Bericht ist ein vernichtendes Urteil für EY", sagte die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe, die im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem milliardenschweren Finanzskandal sitzt, am Samstag der Nachrichtenagentur Reuters. Dieser sei zwar sachlich im Ton, in der Sache aber mehr als deutlich. "Eine kritische Grundhaltung fehlte, banalste Rechnungslegungs- sowie Qualitätsstandards wurden vernachlässigt und Warnsignale wurden geflissentlich übersehen."
Das Sondergutachten liegt in der Geheimschutzstelle des Bundestags. Am Dienstag will sich der U-Ausschuss, der der Frage nach Versäumnissen der Regierung und der Behörden in dem Fall nachgeht, damit in nicht-öffentlicher Sitzung befassen. Ende der Woche steuert das Sondergremium dann mit der Befragung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf seinen vorläufigen Höhepunkt zu.
Der Zahlungsabwickler Wirecard (DE:WDIG) war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Mehrere Ex-Vorstände sitzen in Untersuchungshaft oder sind auf der Flucht. Der Finanzaufsichtsbehörde BaFin und dem SPD-geführten Finanzministerium werden in dem Fall weitgehendes Versagen vorgeworfen. Die SPD rückt immer wieder die Rolle des Wirtschaftsprüfers EY in den Vordergrund, der jahrelang die Bilanzen von Wirecard testiert hat.
Um die Rolle von EY zu überprüfen, hat der U-Ausschuss den Branchenexperten Martin Wambach als Sonderermittler eingesetzt. SPD-Politikerin Kiziltepe warf EY vor, nicht zur Aufklärung beizutragen und "möglichst viel im Nebel zu lassen". Insidern zufolge will EY verhindern, dass der Wambach-Bericht publik wird.
EY hatte am Donnerstag auf eine Reuters-Anfrage zum Fall Wirecard mitgeteilt, intensiv mit allen zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten und die Ermittlungen vollumfänglich zu unterstützen. "Die betrügerischen Handlungen bei Wirecard haben zur Insolvenz des Unternehmens geführt und Anleger, Gläubiger, Mitarbeiter und Mandanten von Wirecard geschädigt sowie das Vertrauen in den Finanzmarkt als Ganzes erschüttert." Die Frage sei berechtigt, warum der Betrug nicht früher aufgedeckt worden sei. "Das komplexe kriminelle Netz war darauf angelegt, zahlreiche Akteure - darunter Investoren, Banken, Aufsichtsbehörden, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer einschließlich uns sowie auf Forensik spezialisierte Experten und Rechtsanwälte - trotz sorgfältiger und umfangreicher Anstrengungen zu täuschen. So wurden beispielsweise Belege, inklusive Bankbestätigungen und weitere externe Bestätigungen, die den Prüfern vorgelegt wurden, mit großem Aufwand gefälscht." EY-Mitarbeiter hätten nach derzeitigem Erkenntnisstand professionell und nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.