Von Geoffrey Smith
Investing.com -- Italiens Aktien und Anleihen sind am Mittwoch zu neuem Leben erwacht, nachdem Präsident Sergio Mattarella bestätigt hat, dass er Mario Draghi, den ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt.
Der FTSE MIB war am europäischen Vormittag der Spitzenreiter der Region, da er um 2,2% auf 22.560 Punkte zulegte. Der Spread zwischen den 10-jährigen Renditen italienischer und deutscher Staatsanleihen verringerte sich um 11 Basispunkte auf den niedrigsten Wert seit 2016. Auffallend war, dass Italiens Banken in ihrem Sektor in Europa mit Abstand am besten abschnitten, wodurch die Aktien von Unicredit (MI:CRDI) um 4,7%, Intesa Sanpaolo SpA (MI:ISP) um 5,7% und Mediobanca (OTC:MDIBY) um 3,2% stiegen.
Die Bewegungen verdeutlichen die Stärke von Draghis Ruf an den Finanzmärkten, der bis in die dunklen Tage des Jahres 2012 zurückreicht. Damals wehrte er einen erschreckenden Angriff auf Italiens Anleihenmarkt ab, der das Land beinahe aus der europäischen Währungsunion befördert hätte. Außerdem spiegelt es seinen Erfolg wider, die Vermögenspreise mit immer radikaleren Maßnahmen zur Lockerung der Geldpolitik zu stützen. Was jedoch völlig in Vergessenheit geraten ist, dass es ihm acht Jahre nicht möglich war die langfristige Abwärtsentwicklung der Inflation zu stoppen.
Mattarella wird Draghi um 12 Uhr in Rom treffen, wo er als Chef einer Regierung der nationalen Einheit ernannt werden soll. Im vergangenen Monat kam es zu einem Zusammenbruch der vorherigen Koalition der Mitte-Links-Parteien mit der 5-Sterne-Bewegung.
Wenn dies so durchgeht, wird Draghi vor einer schwierigen Aufgabe stehen: Die Strukturreformen, die er seit acht Jahren auf jeder EZB-Pressekonferenz forderte, wurden von Italiens wichtigsten Parteien ständig abgelehnt. Denn sie wussten nur zu gut, dass ihnen die dringend nötigen Maßnahmen beim nächsten Gang an die Wahlurnen um die Ohren fliegen werden. Somit bleibt Italien weiterhin dazu verdammt das schlechteste Wachstum und die höchste Arbeitslosenquote unter den großen europäischen Volkswirtschaften zu haben.
Die große Frage ist, ob Draghi, die gleichen Erfahrungen wie Mario Monti machen will. Dem technokratischen Premierminister, der Italien 2012/13 (mit Draghis Hilfe) aus der letzten Krise herausholte. Montis Lohn für seine Bemühungen war, als Lakai des europäischen Establishments verteufelt zu werden, der die Interessen Brüssels und Berlins über die seiner eigenen Landsleute stellt,
Diese Polemik hat die aktuelle politische Landschaft Italiens mitgeprägt, was sowohl der Fünf Sterne Bewegung als auch der rechten Lega-Partei von Matteo Salvini zum Siegeszug verhalf. Beide Parteien werden eine Draghi-Regierung wahrscheinlich nur in dem Maße unterstützen, wie seine Reformen mit der Meinung ihrer Wähler konform ist. Beide werden leichtes Spiel haben alles so darzustellen, als wenn Draghi beabsichtig Italien der Rettungspolizei auszuliefern.
Draghi hat jedoch zwei große Vorteile gegenüber Monti. Erstens wird Italien über 200 Milliarden Euro aus dem EU-Rettungsfonds erhalten. Das ist eine Maßnahme der direkten fiskalischen Unterstützung, die Monti nie genossen hat; zweitens hat Draghi mehr Einfluss auf die EZB als jeder andere Italiener und er wird sich ihrer eindeutigen Unterstützung in jedem wahrscheinlichen Szenario sicher sein können. Drittens werden Draghis Errungenschaften im Jahr 2012, die Italiens finanziellen Ruin abwendeten, sicherstellen, dass seine Amtszeit mit mehr innenpolitischen Vorschusslorbeeren beginnt als die von Monti.
Die Herausforderung, vor der er steht, ist jedoch im Wesentlichen die gleiche: ein stagnierendes, alterndes Land, welches dringend radikale Reformen benötigt. Selbst für Super-Mario wird dies kein Zuckerschlecken.