Eigentlich schien die Causa Wirecard (WKN: 747206) inzwischen längst vergessen zu sein. Die Financial Times berichtete zu Beginn des aktuellen Börsenjahres, der innovative Zahlungsdienstleister habe bislang jedwede Vorwürfe entkräftet. Abgesehen von einem juristischen Nachspiel, auch seitens der BaFin, sollte dieses Thema nun eigentlich längst abgehakt sein.
Doch es kommt – wie so oft im Kontext des innovativen Zahlungsdienstleisters und der Financial Times – natürlich noch einmal anders. Am Wochenende kursierten nämlich erneut brisante Gerüchte. Hierbei war von einer weiteren Shortattacke sowie von einem abgekaterten Spiel die Rede, bei dem Insider sich durch Tipps im Vorfeld eines kritischen Berichts bereichern könnten. Zudem ging es um Audio-Aufnahmen sowie unwiderlegbare Beweise, die inzwischen an die Staatsanwaltschaft seitens Wirecard gereicht worden sind.
All das hat erneut zu einer brisanten neuen Wendung sowie zu einem Sachverhalt geführt, in dem Wirecard nun quasi als Ankläger fungiert und die Financial Times sich in der Defensive befindet. Wenngleich sich das Medium noch immer als wehrhaft beschreiben lässt.
So kontert die Financial Times nun Wie mehrere Medien nun nämlich berichten, habe sich aus Kreisen der Financial Times kein Geringerer als der Chefredakteur in Anbetracht der neuen Wendungen persönlich zu Wort gemeldet. Demnach habe die Zeitung inzwischen eine Anwaltskanzlei damit beauftragt, die Berichterstattung rund um den innovativen Zahlungsdienstleister quasi unabhängig zu überprüfen.
Diese Entwicklung ist für sich genommen bereits bemerkenswert. Denn immerhin war es zu Beginn des Jahres eigentlich Wirecard, das eine Compliance-Kanzlei damit beauftragen musste, extern prüftechnisch tätig zu werden.
Nichtsdestoweniger geht die Financial Times zumindest auch ein kleines bisschen in die Offensive. So weist der besagte Chefredakteur Lionel Barber die Vorwürfe des innovativen Zahlungsdienstleisters zurück. Mehr noch, man sehe darin eine Ablenkungstaktik, um weitere Berichterstattungen gegen Wirecard zu unterdrücken, so das Blatt. Ob man mit dieser Aussage nun indirekt eine weitere geplante Schlagzeile bestätigt hat? Man darf zumindest spekulieren.
Was jetzt noch auf dem Spiel steht Dennoch steht unterm Strich für beide Kontrahenten dieses eigentlich schon epischen Börsengemetzels noch immer viel auf dem Spiel. Die Financial Times hat nach der für die Zeitung unglücklich verlaufenen Causa Wirecard, die doch ein wenig anders zu sein schien als ursprünglich berichtet, noch immer mit einem angeknacksten Ruf zu kämpfen. Sollten sich die aktuellen Anschuldigungen bewahrheiten, wäre das für die Zeitung eigentlich ein Desaster.
Doch auch für Wirecard könnten die aktuellen Wendungen noch bedeutend sein. Nicht nur, dass der wiedererlangte gute Ruf durch die Attacke nach vorne angeknackst werden könnte. Nein, auch eine Causa Wirecard könnte in eine neue Runde gehen, was es natürlich tunlichst zu vermeiden gilt.
Ich vermute, dass sich der innovative Zahlungsdienstleister allein aus diesem Grund nun auch so proaktiv aus der Reserve getraut und die Flucht beziehungsweise Attacke nach vorne gesucht hat. Einfach, um einen neuen Höhepunkt in der Causa Wirecard zu verhindern und hypothetischen Shortsellern nicht erneut die Möglichkeit zu geben, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Wer weiß.
Eine wirklich bemerkenswerte Entwicklung Bemerkenswert ist die aktuelle Entwicklung natürlich dennoch. Nachdem Wirecard nämlich ursprünglich in der Rolle gewesen ist, sich nach immer neuen Berichten rechtfertigen zu müssen, hat sich der Spieß nun gewissermaßen umgedreht.
Wirecard hat nun erstmalig durch ein aktives Tun die Financial Times in Bedrängnis gebracht und dazu beigetragen, dass die Zeitung eigene interne Ermittlungen durch eine Anwaltskanzlei aufnehmen musste. Das dürfte die leidgeprüften Wirecard-Investoren doch zumindest ein wenig zum Schmunzeln bringen.
Vincent besitzt Aktien von Wirecard. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.
Motley Fool Deutschland 2019