Berlin, 09. Mai (Reuters) - SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat sich auf dem Bundesparteitag von Union und Grünen abgegrenzt. Zugleich warb der 62-jährige Bundesfinanzminister für eine von ihm angeführte Regierung nach der Bundestagswahl am 26. September. "Ich möchte eine Regierung anführen, die unser Land nach vorne bringt", sagte Scholz "Wir brauchen mehr Zusammenhalt in unserer Gesellschaft." Er plädierte für mehr Respekt etwa durch einen auf zwölf Euro hochgesetzten Mindestlohn und eine gerechtere Besteuerung. Scholz nahm für sich in Anspruch: "Ich stehe auf der Seite der ganz normalen Leute." Beim Klimaschutz gelte: "Schluss mit dem Zaudern und Klein-Klein. Wir haben schon zuviel Zeit verloren."
Während Scholz CDU und CSU die Wirtschaftskompetenz absprach, betonte er mit Blick auf die Grünen seine Regierungserfahrung. "Eine weitere von CDU und CSU geführte Regierung wäre ein Risiko für Wohlstand und Arbeitsplätze - ein Standortrisiko für unser Land", sagte Scholz. Früher habe es bei den Konservativen geheißen, man stehe für Maß und Mitte. "Heute stehen sie für Maaßen und Maskenschmu", sagte Scholz. Über die Koalition sagte der Vizekanzler: "Ich bin es leid, dass wir bloß dafür sorgen können, dass es nicht ganz so schlimm kommt."
Die Grünen griff Scholz indes nicht direkt an. Er spielte aber offenkundig auf die mangelnde Regierungserfahrung von deren Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock an. "Gute Ideen sind das eine", sagte Scholz. "Sie Wirklichkeit werden zu lassen das andere. Dazu braucht es die Erfahrung und die Fähigkeit, Ideen durchzusetzen, einen Regierungsapparat zu steuern." Auch beim Klimaschutz seien "gute Absichten nicht genug". Dafür werde vor allem sehr viel technologischer, wissenschaftlicher und sozialer Fortschritt benötigt.
"MINDESTLOHN VON ZWÖLF EURO WIRD KOMMEN"
"Wir brauchen mehr Zusammenhalt in unserer Gesellschaft", forderte Scholz. Er plädierte für mehr Respekt etwa durch einen höheren Mindestlohn und eine gerechtere Besteuerung. Er wolle einen Mindestlohn von zwölf Euro: "Und darum wird er kommen." Das bedeute eine Lohnerhöhung für rund zehn Millionen Arbeitnehmer. Er strebe den Bau von 400.000 Wohnungen jährlich an, davon 100.000 im sozialen Wohnungsbau. Da gebe es viele Bedenkenträger: "Aber mit Bedenken baut man keine Wohnungen." In Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten werde ein Mietenstopp den Preisanstieg auf die Inflation begrenzen.
Die SPD wolle "neuen Wohlstand und neue Sicherheit für das ganze Land schaffen", sagte Scholz. "Ich habe diesen präzisen Plan für den Weg in die Zukunft." CDU und CSU seien "verantwortlich für den Fortschrittsstau". Fortschrittspartei sei die SPD. Die Bekämpfung des Klimawandels wie auch die Themen Mobilität, Digitalisierung und Gesundheit seien Zukunftsmissionen, für die die SPD mit ihrem Wahlprogramm einen konkreten Plan habe. Diese werde er als Kanzler "zu meinen persönlichen Anliegen" machen. Benötigt würden handfeste Lösungen mit den Menschen und für alle Menschen, die Deutschlands wirtschaftliche Stärke ausmachten. Als Bundeskanzler wolle er sich daran messen lassen, ob Deutschland bis 2030 ein besseres Land sein werde.
Beim Klimaschutz griff Scholz Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet an. Der CDU-Chef habe einen höheren Preis für den Kohlendioxidausstoß gefordert. Das bedeute, dass etwa Heizöl teurer würde. Es sei Laschets Partei, die gerade verhindere, dass aufgrund des CO2-Preises steigende Heizkosten vom Vermieter getragen würden: "Die Mieterinnen und Mieter können dann entweder mehr zahlen - oder weniger heizen und frieren. Das ist dann 'soziale Kälte" im wahrsten Sinn des Wortes."