Ist die jüngste Korrektur des S&P 500 eine "Bärenfalle"? Oder ist der Bounce nur eine gute Gelegenheit zum Verkaufen, bevor der Bärenmarkt mit voller Wucht zurückkehrt?
"Eine Bärenfalle bezeichnet eine Entwicklung, bei der inmitten eines allgemeinen Aufwärtstrends eine bärische Korrektur oder Umkehr auftritt. Bei einer Abwärtskorrektur übersteigen Leerverkäufe vorübergehend den Kaufdruck, was dann einen kurzfristigen Kursrückgang bewirkt. Der Rückgang kann klein oder groß sein. Er kann auch schon an den jüngsten Kurshöchstständen des Aufwärtstrends scheitern.
Die Abwärtskorrektur kann sich über mehrere Handelstage erstrecken und den falschen Eindruck erwecken, der Markt habe tatsächlich eine Kehrtwende vollzogen. Händler könnten Short-Positionen eingehen, um von fallenden Aktienkursen zu profitieren - wenn dann die Käufer jedoch anfangen, den Preisverfall zu sehen und ihre Kaufaktivität erhöhen, wird der Markt einen weiteren Preissturz nicht unterstützen. Der Aufwärtstrend wird dann schnell wieder aufgenommen." - Investopedia
Dieses Argument steht nach der jüngsten Marktkorrektur, die die Unterstützung am 200-DMA getestet hat, im Mittelpunkt vieler hitziger Diskussionen. Wie wir schon Anfang Februar argumentiert haben, war eine Korrektur erforderlich, damit der Bullenmarkt seinen Trend fortsetzen kann. Zitat:
“Falls der Bärenmarkt "nicht stattfindet", werden wir das relativ bald erfahren. Um zu bestätigen, dass der Breakout nachhaltig ist und der Bärenmarkt damit beendet wird, ist ein Rückgang zur vorherigen Abwärtstrendlinie, die natürlich halten muss, ganz entscheidend. Eine solche Korrektur würde mehrere Dinge bewirken: Sie würde den überkauften Zustand abbauen, den vorherigen Widerstand in eine Unterstützung umwandeln und die am Markt gehaltenen Shorts wieder auffüllen, um einen Anstieg zu unterstützen. Das letzte Teil des Rätsels, vorausgesetzt, der Pullback zur Unterstützung gelingt, wäre ein Break über die Höchststände der vergangenen Woche, was wiederum eine Bestätigung für den Beginn der nächsten Aufwärtsbewegung wäre. Das würde ein Ziel zwischen 4300 bis 4400 setzen."
Genau das geschah, als der Markt den Aufwärtstrendkanal von den Oktobertiefs testete und hielt. Der Markt behauptete sich auch über der Glättung der letzten 200 Tage, was, wie bereits erwähnt, den Breakout nach oben über ein Niveau bestätigte, das im Jahr 2022 als Widerstand fungierte.
Wie wir bereits im Newsletter vom vergangenen Wochenende dargelegt haben, steht das MACD-Verkaufssignal kurz davor, sich in ein Kaufsignal umzukehren.
"Wichtig ist die Tatsache, dass sich das Verkaufssignal beim MACD, das vor der jüngsten Korrektur gewarnt hatte, allmählich umkehrt. Diese Umkehr findet allerdings mitten im Verlauf der regulären Oszillation statt, was darauf hindeutet, dass die Oberseite etwas begrenzt ist."
Das nachstehende Diagramm ist längerfristig als das im Newsletter, zeigt aber die Gültigkeit des "Verkaufssignals" klarer. Die "Kaufsignale" stellten auch gute Gelegenheiten dafür da, um während des Pullbacks im letzten Jahr auf Erholungen zu setzen.
Während es sicherlich viele fundamentale Gründe gibt, die für einen anhaltenden Pessimismus an den Märkten sprechen, bestätigt und bekräftigt der technische Hintergrund weiterhin die Entwicklung eines Aufwärtstrends.
Wenn es sich tatsächlich um eine "Bärenfalle" handelt, könnte Jim Cramer Recht haben, wenn er sagt:
"Wenn wir uns in einem Bullenmarkt befinden, und ich denke, das tun wir, müssen wir uns darauf einstellen. Wir müssen jetzt auf die schlechten Tage achten, denn in einem steigenden Markt sind das die Kaufgelegenheiten."
Die kurzfristigen technischen Daten sind bullish, die längerfristigen charttechnischen Aussichten sind ebenfalls weiterhin "tendenziell bullish".
Langfristige technische Daten weiterhin bullish
Tagescharts können ein kurzfristiges Verständnis der Marktpsychologie von Tagen bis Wochen vermitteln. Das Problem bei der Analyse von Tagescharts ist, dass die Volatilität kurzfristige Swings am Markt auslösen kann, die nicht mit dem zugrunde liegenden Trend oder den Fundamentaldaten des Marktes übereinstimmen.
Durch die Untersuchung wöchentlicher Kursdaten lässt sich die Volatilität glätten. So ergibt sich ein klareres Bild des Marktes, das uns eine bullischere Botschaft vermittelt.
Der S&P 500 hat auf Wochenbasis sieben Mal über seinem gleitenden 40-Wochen-Durchschnitt geschlossen, was ein bullisches Signal ist. Darüber hinaus hat der Markt die abwärts gerichtete Trendlinie von Januar und Dezember 2022 überwunden, was auf eine potenzielle Trendwende nach oben hinweist. Unter der Annahme, dass die Unterstützungen halten, ist der nächste größere Widerstand nach dem Post-FOMC-Hoch bei 4.195 der Höchststand vom August 2022 bei 4.325 (orange gestrichelte Linie).
Darüber hinaus bot das Oktobertief Unterstützung durch den gleitenden 200-Wochen-Durchschnitt, der den Markt seit den Tiefstständen von 2009 unterstützt.
Der über 14 Perioden berechnete Index der relativen Stärke (RSI) auf Wochenbasis hat ebenfalls deutlich ins Positive gedreht und liegt nun über 50. Das deutet darauf hin, dass sich die Märkte wieder im Aufwärtsmodus befinden. Der RSI durchbrach die Widerstände, die die Bärenmarktrallye im April, August und Dezember 2022 begrenzt hatten.
Unsere wichtigsten bullischen Signale ergeben sich schließlich aus der Betrachtung der kurz- und mittelfristigen Indikatoren der Moving Average Convergence Divergence (MACD). Beide MACD-Indikatoren haben auf Wochenbasis Kaufsignale registriert, die unter den Niveaus während der Finanzkrise lagen. Der Markt hat außerdem beide gleitenden Durchschnitte auf der Wochenbasis nach oben durchbrochen und sich, wie oben erwähnt, an der langfristigen Aufwärtstrendlinie gehalten.
Jetzt Bulle, später Bär?
In Anbetracht der vielen positiven Signale müssen wir dieser Botschaft Glauben schenken und unsere Investitionsstrategien entsprechend anpassen. Es gibt jedoch zahlreiche fundamentale Belege dafür, dass der "Bärenmarkt" noch nicht ausgestanden ist.
Die Märkte sind "manisch" geworden und schwanken schnell und wild zwischen extremem Pessimismus und Optimismus. Das ist keine Grundlage für vernünftiges Investieren, sondern vielmehr ein Umfeld, in dem die Spekulation in ihrer reinsten Form gedeiht.
In den nächsten 12 Monaten wird die Bestätigung der These "Der Bärenmarkt ist vorbei" stark von der Fed, der Politik und der Inflation abhängen. Mit der Verabschiedung Anti-Inflationsgesetzes werden die Steuern für Unternehmen und Private steigen. Dadurch werden Wachstum und Gewinnspannen im Gefolge der hartnäckig hohen Inflation sinken. Darüber hinaus wird sich der Anstieg der Geldmenge weiter umkehren, was zu einem weiteren Rückgang der Wachstumsraten der Gewinne führen wird.
Auch die restriktivere Geldpolitik der US-Notenbank belastet das Wirtschaftswachstum, dieser Effekt wird auch im weiteren Verlauf des Jahres bestehen bleiben. Mit jeder Zinserhöhung steigt die Wahrscheinlichkeit einer Rezession. Es besteht zudem eine hohe Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und Einkommen.
Das ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Mechanismus. Die Märkte rechnen bis Ende 2023 mit einem Gewinn von etwa 199 USD je Aktie (242 USD im Juli). Sollte die Fed jedoch ihren Kampf gegen die Inflation fortsetzen und eine Rezession auslösen, könnten die Gewinne auf 170 USD je Aktie fallen. Bei Annahme eines großzügigen Forward-Multiples von 18x können Sie von einem fairen Wert von eher 3.000 für den S&P 500 Index ausgehen.
Fazit
Während die technischen Daten darauf hindeuten, dass wir hier eine "Bärenfalle" sehen, stützen die Fundamentaldaten dieses Argument nicht. Das Risiko bei Aktien liegt in den Unternehmensgewinnen, die die Kurse bestimmen. Wenn die Fed die weiter Zinsen anhebt, um die Wirtschaftstätigkeit zu drosseln und damit möglicherweise eine Rezession auslöst, wird sich dies in einem langsameren Gewinnwachstum und geringeren Gewinnmargen niederschlagen.
Wenn man bedenkt, dass die Bewertungen derzeit beim 29-fachen der Gewinne liegen, lässt das vermuten, dass die Aktien niedriger bewertet werden müssen. Die jährliche 6-Monats-Veränderungsrate des Leading Economic Index (LEI) unterstützt diese These - das bedeutet, dass die Erträge in den nächsten zwei Quartalen sinken werden.
Nur die Zeit wird zeigen, ob sich die Bullen- oder die Bärenfalle durchsetzen wird. Die Optimisten dominieren zwar derzeit das technische Bild, dennoch ist es aber immer noch die Fed, die das makroökonomische Umfeld beherrscht. Wir werden also die Märkte kurzfristig weiterhin taktisch handeln, doch besteht nach unserer Einschätzung nach wie vor die Gefahr eines einschneidenden Rückgangs, wenn die Fed nicht bald ihren Kurs ändert.
Wir werden - irgendwann - sehen, wer in der Diskussion über das Ende des Bullenmarktes wirklich das letzte Wort behält.