Die letzten Jahre waren für die türkische Wirtschaft weder einfach, noch schön. In der Wirtschaft des asiatischen Landes steht so ziemlich jede ökonomische Metrik schief, die nur schiefstehen kann. Inflation von über 58% nach Hochs im Oktober 2022 von über 85%, eine Immobilienblase, Arbeitslosigkeit von über 9%, eine stark schwächelnde Lira und Leitzinsen von 25%. Kurzum: die Wirtschaft ist seit Jahren auf der Intensivstation. Trotzdem schaffte es das Land politisch stabil zu bleiben und im ersten Halbjahr schon 3.5% Wirtschaftswachstum nach einer Mini-Rezession von -0.1% zu verbuchen. Nun kündigt Alibaba (NYSE:BABA) Investitionen in Höhe von $2 Milliarden in der Türkei an. Auch mit Tesla (NASDAQ:TSLA) soll gearbeitet werden, zwischen dem nordamerikanischen Konzern und der türkischen Regierung wird derzeit über eine Tesla-Fabrik in der Türkei verhandelt. Warum die Türkei trotz schlechter Lage eigentlich gute Aussichten hat, durchzustarten, wird hier beleuchtet.
Im Rahmen der 78. Generalversammlung der Vereinten Nationen tummeln sich die Staatsoberhäupter aktuell in der nordamerikanischen Stadt New York. Der türkische Präsident nahm sich die Zeit, mit dem Geschäftsführer von Tesla über eine mögliche Kooperation zu reden. Laut Pressemitteilung bietet man Tesla an, eine Autofabrik in der Türkei zu eröffnen. Bereits jetzt gehört die Türkei zu der langen Liste der Tesla-Zulieferer und soll auch seitens des Unternehmens auf der Kandidatenliste für die nächste Fabrik sein. Alibaba möchte dagegen in das digitale Geschäft in der Türkei investieren. Durch die aufgekaufte Tochter trendyol flossen, laut Alibaba-Präsident, schon $1.4 Milliarden in die Türkei und weitere $2 Milliarden sollen folgen. Dies wurde ebenfalls direkt mit dem Präsidenten besprochen, wenn auch kein Zeitrahmen für die Investitionen genannt wurde.
Nun muss man unterscheiden, für wen die Lage in der Türkei aktuell vorteilhaft ist. Während der Bürger mit hohen Schulden und steigenden Preisen kämpft, bietet der Wechselkurs günstige Einstiegsmöglichkeiten in einen wachsenden Produktionsmarkt. Nicht nur an Personalkosten lässt es sich in der Türkei sparen, sondern auch in der Beschaffung der Rohmaterialien, von denen es in dem Land genug gibt. Gepaart mit den hohen Zinsen sind auch finanzielle Investitionen gut aufgehoben und bieten traumhafte Renditen für die, die Kapital besitzen. Und genau das ist eben Marktdynamik. Wenn es mal nicht gut läuft, verändern sich Metriken, um wieder Kapital anzuziehen und den Schiefstand auszugleichen. Somit nutzen ausländische Unternehmen die derzeitige Schwäche, um günstig zu produzieren. Bereits seit Jahren sind auch Ikea, Puma (ETR:PUMG), Hugo Boss (ETR:BOSSn) und andere namhafte Unternehmen sehr aktiv in der Türkei und profitieren von der günstigen Lage zu Europa. Mit einem Volumen von $3.3 Milliarden ist die Türkei auch einer der größeren Exporteure von Autos, von denen die europäischen Staaten die Hauptabnehmer sind. Auf alle Sektoren gesehen importiert Europa Waren im Wert von $103 Milliarden aus der Türkei.
Die schwache Lage hat also Anreize für die Produktion in der Türkei geschaffen. Ist das aber nachhaltig? Auch wenn in Anatolien Bewegung aufkommt, ist das Land weit von der Bewältigung der Krise entfernt. Wenn die Türkei Stabilität (zurück-)erlangen möchte, muss man sich vor allem im innovativen Technologiebereich weiterentwickeln. Auch wenn die Herstellung von niedrig-technologisierten Waren kurzfristig Entlastung bringen dürfte, könnte eine Gewöhnung daran dazu führen, dass das Land zu einer Billiglohnhöhle wird. Natürlich hat das bildungstechnische Auswirkungen auf die Bevölkerung und kann einen längerfristigen Verfall mit sich bringen. Denn wenn ein Land nur einfache Produkte herstellt und diese nicht einmal selbst erfindet, kann der Arbeitsmarkt auch keine qualifizierten Kräfte gebrauchen und stößt diese ab.
Somit kann das wachsende Interesse an der Türkei zum Vorteil genutzt werden, indem man dieses als Starthilfe nutzt. Wichtig ist aber, dass die Profite aus den neuen Investitionen und deren Mehrwert in den Aufbau eigener Kapazitäten kanalisiert werden. Denn passiert das nicht, wird man noch langfristig abhängig von externen Investitionen bleiben. Und wenn man aus der türkischen Geschichte eines lernen kann, dann ist es sicherlich, dass externe Abhängigkeit zu sehr schädlichen Entwicklungen führt.
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