Am Freitag nach Thanksgiving konnte man sich die Augen reiben. Feuerrote Vorzeichen bei europäischen Indizes gab es zu sehen während die US-Techs entspannt daher kamen. Was nun? Wird jetzt wieder alles anders? Die Finanzmärkte preisten am letzten Freitag im November die Zinserhöhungen 2022 in den USA teilweise aus, Grund war die Mutante in Südafrika. Vorne dabei bei Verlusten war einmal mehr der DAX – typischer Fall von german angst gepaart mit mauem Handel in den USA. Der Freitag zeigte aber eines – an der Börse muss man wirklich alles erwarten und im Blick haben. Das grundsätzliche Umfeld für 2022 ist dabei im Prinzip unverändert. Während Sparer außer Minuszinsen auch weiterhin nichts zu erwarten haben, bleiben Aktien eigentlich alternativlos. Allerdings ist nach den kräftigen Gewinnen in diesem Jahr auch die Fallhöhe gestiegen, Volatilität wird ein Schlüsselfaktor in den nächsten Monaten. So zu sehen am Freitag – plus 50 Prozent im Vola-Index. Wohl dem, der vorher weise Puts eingesammelt hatte.
Bilanz 2021
Auf den ersten Blick gesehen können Anleger mit dem DAX sehr zufrieden sein. Ende November leuchtet ein sattes Plus auf, auch die anderen Indizes entwickelten sich wesentlich besser als im langjährigen Durchschnitt. Doch ganz so einfach ist die Rechnung dann doch nicht. Timing war zumindest beim DAX ein Schlüsselfaktor. Fast die gesamten Gewinne erzielte der Index im März und April, seitdem pendeln die Kurse nur seitwärts. Nur wer mutig war und Rückschläge kaufte, hatte Freude oder profitierte von Seitwärtsprodukten wie Capped-Optionsscheinen, die ihre Stärken voll ausspielten.
Der Blick in den Rückspiegel lohnt sich, um besser für das neue Börsenjahr gerüstet zu sein. Denn die Ausgangslage bleibt vorerst unverändert und damit denkbar schlecht für Sparer. Nur die Schwellenländer wagen sich bisher aus der Deckung, Beispiel Brasilien mit einer Zinserhöhung von 575 Punkten seit Jahresbeginn.
Tapering bleibt ein Risikofaktor in 2022
In Frankfurt bleibt die Rückkehr zur geldpolitischen Normalität weiter Wunschdenken, Zinsen wird es vorerst nicht geben. In den USA preist der Markt zwar drei Leitzinserhöhungen ein, die Realität dürfte aber anders aussehen, auch wenn die Inflation die Notenbanker unter Zugzwang bringt. „Doch bei Inflation gilt – lieber mit dem Jahr 2019 vergleichen als mit 2020. Der Basiseffekt spielt eine wesentliche Rolle und fast die Hälfte der Inflation resultiert aus den Energiepreisen“, führt Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets aus. Abzulesen ist dies bei Öl, das zuletzt auf sein Level aus dem September zurückgefallen ist. Auch die Rally bei den Preisen dürfte langsam ihren Höhepunkt erreicht haben, der politische Druck nachlassen.
Dennoch sieht Ricardo Evangelista, Senior Analyst bei ActivTrades, Risiken am Aktienmarkt durch das sogenannte Tapering: „Sollten im Sommer die Anleihekäufe der Fed auslaufen, fällt eine wichtige Stütze der bisherigen Rally an den Aktienmärkten weg.“ Spätestens dann dürfte es wieder ruppiger werden, wie die Vergangenheit zeigt. „Schärfere Korrekturen von 15 Prozent und mehr gab es am US-Aktienmarkt in den vergangenen Jahren nur, wenn kein Anleihekaufprogramm der Fed aktiv war“, ergänzt Evangelista.
Auf die Volatilität achten
Von den großen Einflussfaktoren bleiben die Unternehmensgewinne, um weiter steigende Kurse zu rechtfertigen. In den USA liegen die Margen im Bereich historischer Höchststände. Was sich positiv liest, ist eher negativ, denn von ähnlichen Niveaus aus ging fast immer abwärts. Damit sollte sich die Dynamik der Unternehmensgewinne eher abschwächen, was angesichts der nach wie vor ambitionierten Aktienmarktbewertung nicht wirklich viel Fantasie aufkommen lässt. Ob Wachstums- oder Substanzwerte die Oberhand behalten, bleibt eine Frage der Zinsen. „Steigende Renditen sind in der Regel Gift für die in den Indizes hochgewichteten Technologie-Aktien“, meint Gil Shapira, Chefstratege beim Broker eToro.
Bleibt Corona als unliebsamer Gegenspieler. Materialengpässe, Lieferunterbrechungen und vorsichtigere Investitionen bei den Unternehmen sind nicht das, was Börsianer hören möchten. Volatilität wird es daher 2022 geben – und das ist der Motor des Depots. „Die Kursreaktion nach Thanksgiving hat im Übrigen gezeigt, dass Investoren bei Angst doch in Gold und Absicherung flüchten während Bitcoin oder andere Kryptos heftig an Boden verlieren“, fügt Analyst Molnar an.
Bitcoin und Co. sind also eine hoch volatile Anlageklasse und kein sicherer Hafen, da gibt es nichts zu beschönigen. Wenn Ängste bei Aktien dominieren, heißt es mutig sein. Denn Mut wurde bisher an der Börse immer belohnt und Gier bestraft. Der Black Friday 2021 hat zumindest mal kräftigen Angstaufschlag und einen merklich reduzierten DAX gebracht. Bei Einzelaktien gab es Titel mit starker Marke zum Rabattkurs – Visa (NYSE:V), Booking.com, Starbucks (NASDAQ:SBUX) oder Airbus (PA:AIR) sind nur vier Beispiele.