Liebe Leserinnen und Leser,
blicken wir zunächst kurz auf die Charts, bevor wir zu der aktuellen Stimmungslage kommen, die sich daraus ergeben hat.
Dow Jones: Bodenbildung oder Abwärtstrend?
Der Dow Jones hat nach seiner langen Serie von Verlusttagen im Dezember erst am Freitag vor Weihnachten eine Gegenbewegung begonnen:
Diese war aber schnell zu Ende – sie scheiterte zunächst am Widerstand durch das alte Hoch vom Oktober (rot gestrichelte Linie). Im Weiteren blieb der Kurs unter der steilen Abwärtslinie (rot) die sich daraus ergab und scheitert zudem bei einem zweiten, nur noch halbherzigen Erholungsversuch genau an der Unterkante des blauen Rechtecks.
Der Dow Jones könnte all diese negativen Aspekte wettmachen, wenn es bei dem Sprung über die rote Linie und zurück in das blaue Rechteck bleibt. Vorerst liegt aber auch dann nur eine Konsolidierung in einer intakten Abwärtsbewegung bzw. bestenfalls eine Bodenbildung vor.
S&P 500 und Nasdaq 100 mit neuen Tiefs!
Und obwohl die meisten CFD-Verläufe (bei denen die außerbörslichen Kurse berücksichtigt werden) ebenfalls kein neues Tief im Dow Jones zeigen, kam es dazu im (E-mini-)Future schon – ebenso wie im regulären Verlauf des S&P 500.
Immerhin waren diese Tiefs nur kurze Intraday-(Fehl-)Ausbrüche, sodass sich an der Analyse gegenüber dem Indexverlauf des Dow Jones nichts wesentlich ändert. Anders ist das im Nasdaq 100 – hier gibt es auch im Index selbst ein klares neues Tief und damit eine neue kurzfristige Abwärtstendenz (gestrichelte rote Linien):
Auch hier konnte man den Bullen ein paar Punkte zugute halten. So blieb die Unterstützung am Juli-Hoch (dicke grüne Linie) ungefährdet, der blaue Aufwärtstrend wurde de facto verteidigt und das kleine Zwischenhoch vom November schnell wiedererobert. Mit dem gestrigen Kurssprung machten die Bullen weiteren Boden gut – wenn es beim Sprung über die rot gestrichelte Abwärts- und schwarze Aufwärtslinie bleibt.
Der Stimmungsumschwung zum Jahreswechsel
Tatsächlich besteht also die Möglichkeit, dass das jüngste Hin und Her nur eine Folge des schwachen und volatilen Handels zum Jahreswechsel war und die Kurse bald erneut nach oben ausbrechen. Doch der Verlauf zum Jahreswechsel hat unter den Anlegern Unsicherheit geschürt, wie die folgende Grafik zeigt:
Quelle: eigene Darstellung mit Daten von AAII
Vor Weihnachten (KW 51) lag der Bullenanteil unter den US-Privatanlegern nach der Umfrage der American Association of Individual Investors (AAII) noch bei mehr als 40 % (linke Säulengruppe; blaue Säulen). Das allein ist erstaunlich – fiel doch der Kurs bis dahin immerhin 10 Handelstage in Folge. Das war die längste derartige Verlustserie seit Oktober 1974!
In der Weihnachtswoche (KW 52) wechselte ein Teil der Bullen ins Bärenlager (orange Säulen) und zum Jahreswechsel bröckelte der Bullenanteil weiter ab, wobei jedoch die Abtrünnigen diesmal unentschieden waren. Generell nahmen also zuletzt die Unsicherheit und das Risikobewusstsein zu.
Eine außergewöhnliche Serie
Aber der hohe Bullenanteil zuvor könnte ein Warnsignal sind. Schließlich lag er zudem seit Mai 2024 fast ununterbrochen bei mindestens 39 %. Nur zweimal, im Oktober und November, sackte er kurz unter diese Marke. Mit anderen Worten: Bis zur Vorweihnachtswoche betrug der Bullenanteil in 31 von 33 Wochen mindestens 39 %!
Das klingt nach einer außergewöhnlichen Serie. Und tatsächlich lag in der Historie dieser Umfrage seit 1987 der Bullenanteil nur in einer Phase überhaupt mehr als 30 Mal innerhalb einer 33-Wochenperiode bei mindestens 39 %. Das war 2004 – kurz bevor die erste größere Konsolidierung in der Rally ab 2003 einsetzte.
Und selbst, wenn man eine größere Toleranz zulässt, ist das Ergebnis ernüchternd: In den bisherigen 10 Phasen, in denen der Bullenanteil in einer 33-Wochenperiode mindestens 25 Mal bei 39 % oder darüber lag, folgte in absehbarer Zeit fast jedes Mal eine mehr oder weniger starke Konsolidierung, Korrektur oder Baisse (siehe folgender Chart).
Quelle: MarketMaker mit Daten von VWD und AAII, eigene Berechnungen
Ein klares stimmungstechnisches Warnsignal
Nur einmal, Ende 1997, gingen die bearishen Kursausschläge (unter anderem wegen der Asienkrise) dieser Bullenphase voran (siehe gelbe Ellipse). Zusammen mit der anhaltend bullishen Stimmung während der „Salami-Korrektur“ des Dow Jones im Dezember ist dies also ein sentimenttechnisches Warnsignal für die US-Aktienmärkte.
Und bei der Frage nach dem möglichen Anlass für eine bearishe Wende an den Aktienmärkten braucht man nicht lange zu überlegen: Dem zweiten Amtsantritt von Donald Trump am 20. Januar könnten schnell Maßnahmen folgen, die auch die Anleger – die Trumps Wahlsieg im November noch kräftig gefeiert haben – nicht mehr so richtig amüsieren. Zumal die hohen Kursstände ohnehin zu Gewinnmitnahmen reizen …
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert