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Börse und Betrug – wir werden es wohl nie lernen

Veröffentlicht am 18.08.2020, 13:10
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Lassen Sie uns noch einmal auf den Fall Wirecard (DE:WDIG) zurückkommen, auch wenn der eine oder andere der ganzen Sache schon überdrüssig geworden sein mag (auf so manchen Politiker im Kreuzfeuer dürfte das auf jeden Fall zutreffen!). Doch so bitter es für manchen Anleger auch ist, die Casa Wirecard zeigt einmal mehr auf: Es wird immer Betrüger geben und Menschen, die auf Betrüger hereinfallen. Wir stellen den Beitrag von Norbert Betz für die Börse München vor.
Die Liste ist lang und wird mit Wirecard nicht enden. In München gab es bereits im 19. Jahrhundert einen Betrugsfall, der weite Kreise zog und auf einem Schneeballsystem beruhte: Adele Spitzeneder, gelernte Schauspielerin, gründete die Dachauer Volksbank und versprach jedem Anleger 10 Prozent Zinsen. Die bezahlte sie aus den Einlagen immer neuer Anleger – das konnte auf die Dauer nicht gut gehen und 1872 landete Adele im Gefängnis, wo sie ihre Memoiren schrieb – und später mit Erfolg vertrieb (auch das Beispiel sollte Schule machen). Wie später beim Milliardenbetrüger Bernard Madoff verfügte Adele über eine einnehmende (im Wortsinne) und angenehme Persönlichkeit, die Menschen vertrauten ihr gerne und noch mehr überzeugte sie selbst die misstrauischen Dachauer Bauern durch die versprochene überproportionale Rendite.

Betrug auf hohem Niveau

Nun war Wirecard keine simple Schneeballgeschichte, aber nach allem was bekannt ist, ein Betrug auf hohem Niveau. Auch hier folgten Anleger gerne den Versprechungen einer charismatischen Unternehmerpersönlichkeit und glaubten an gigantische Umsatz- und Gewinnsteigerungen. Man wollte glauben, was unglaublich schien. Schließlich gab „die Börse“ den Zahlen doch recht, kletterten die Kurse immer höher. Kritiker und Skeptiker wurde nicht gehört, sondern angeklagt. Es ist der Glanz der Macht, der die Betrüger umgibt und sie sonnen sich im Verkehr mit den Großen und Mächtigen, der auf sie und ihre angebliche Seriosität abstrahlt.

Wie kann man sich schützen?

Dass ein Unternehmen aus der Königsklasse, aus dem Dax, eine solche Entwicklung nahm, dürfte einzigartig sein, nicht aber, dass es immer wieder passieren wird. Nicht nur im Nebenwertebereich wird so manche faule Miesmuschel als Perle des Kapitalmarktes verkauft. Wie also kann man sich als Anleger davor schützen? Vorab: Es wird immer ausreichend Menschen geben, die in solche Fallen tappen. Jeder, der Geld an der Börse anlegt, wird zwangsläufig auch Enttäuschungen erleben. Besonders in lange gut laufenden Börsenphasen werden die Erwartungen immer höher – und die Enttäuschungen dementsprechend größer. Fehler und Fallen werden wir niemals mit Sicherheit antizipieren, aber wir können die Fallhöhe so wählen, dass der Schmerz auszuhalten ist und wir wieder aufstehen können.

Regeln zur Schmerzbekämpfung

Zielen Sie also, um den Schmerz zu lindern, niemals zu sehr auf einzelne Titel ab, selbst wenn sie von Medien und Analysten hochgelobt werden. Ein Wertpapier kann wertlos werden. Der gesamte Markt nicht. Kein Einzelinvestment darf Ihr Depot, ja Ihre Altersvorsorge oder Ihre Anlagestrategie zum Einsturz bringen. Bleiben Sie in der Komfortzone, das heißt, Sie können noch ruhig schlafen, selbst wenn ein Wert einmal abstürzt. Aber, bleiben Sie auch investiert. Lassen Sie sich nicht einschüchtern, stecken Sie den Kopf nicht in den Sand und Ihr Geld nicht unters Kopfkissen. Klug und diversifiziert angelegt, bringt ein Aktiendepot über die Zeit auf jeden Fall eine höhere Rendite als ein kaum verzinstes Sparbuch.

Verzeihen Sie sich Ihre Fehler – sie bleiben nicht allein

Die Börse ist eine Übung in Demut, denn Sie werden jede Menge Fehler machen. Verzeihen Sie sich diese, ihre Gesamtrendite wird es Ihnen danken und leichter machen, über sie hinwegzukommen. Besprechen Sie Ihre Anlagestrategie mit Dritten, ob Partner, Berater oder Freund, um sich selbst zu vergewissern, ob Sie richtig liegen und nicht nur Recht um des Rechtes willen wollen. Als Michael Kohlhaas bringen Sie es nicht weit an der Börse (und im Leben).
Zwei Bemerkungen am Schluss: Unter den fast 40 Mitarbeitern der Adele Spitzeneder hatte kein einziger eine kaufmännische Ausbildung – ein kleiner Check des Spitzenpersonals von Aktien-Highflyern hilft vielleicht weiter. Und, niemand ist gegen Betrüger gefeit, wirklich niemand. Der US-Psychologe und Professor Stephen Greenspan hatte 2008 ein Buch mit dem vielsagenden Titel „Annalen der Leichtgläubigkeit. Warum wir uns hereinlegen lassen und wie wir es vermeiden können“ veröffentlicht. Insbesondere das „vermeiden können“ hat es dem Professor angetan: Er hat trotz aller Recherchen 400.000 US-Dollar seines Privatvermögens an Madoff verloren!
Fehler und Fallen werden wir niemals mit Sicherheit antizipieren, aber wir können die Fallhöhe so wählen, dass der Schmerz auszuhalten ist und wir wieder aufstehen können.

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