Israel-Konflikt, Ukraine-Krieg, Rezession: Die Lage ist besorgniserregend, die Aussichten für die Märkte sind trotzdem deutlich besser. Nicht, weil die Zeit der Krisen vorüber ist, sondern Regierungen und Notenbanken im kommenden Jahr wieder aktiv gegensteuern dürften. Am Ende gilt: Krisen haben die Börsen noch nie lange gebremst. Für den Finanzmarkt zählt nur eins – Liquidität!
Die vergangenen Börsenjahre waren zwar nicht erfolglos, aber schwierig. Erst hat die Corona-Pandemie die Weltwirtschaft ausgebremst, dann nahmen mit Russlands Angriffskrieg Lieferkettenprobleme und Inflation sprunghaft zu, Europa erlebte eine beispiellose Energiekrise und explodierende Preise für Strom, Öl und Gas, unter denen vor allem die energieintensive Industrie leidet. In der Folge nahmen die Hilfsprogramme für die heimischen Unternehmen zu, wurden aber begleitet von den schnellsten Zinserhöhungen, die die Notenbanken je verkündet haben. Während sie zur Bekämpfung der Inflation die Zinsen immer weiter in die Höhe schraubten, kühlte die Wirtschaft merklich ab, gleichzeitig nahmen die Spannungen im Verhältnis zu China weiter zu. Und nun droht der Krieg zwischen Israel und Hamas zu einem Flächenbrand im Nahen Osten zu werden.
Das alles sind auf den ersten Blick schlechte Voraussetzungen für die Kursentwicklung. Tatsächlich haben die Kapitalmärkte in den vergangenen drei Jahren diverse Risiko-Szenarien durchlaufen. Wir befinden uns in einem Jahrzehnt der Multi-Krisen. Weder Corona noch die kriegerischen Konflikte sind verschwunden, die weitere Entwicklung der bestehenden und das Auftauchen neuer Krisenherde ist nicht prognostizierbar. Kein Wunder also, dass 2023 von einer langen Korrekturphase geprägt war.
Nach der Korrektur geht es wieder aufwärts
Und doch zeigt der Blick auf die Historie, dass selbst große Krisen kein Grund für Börsen sind, jahrelang auf Talfahrt zu gehen. Im Gegenteil: Selbst während des zweiten Weltkrieges – der schwersten Phase der Menschheitsgeschichte – stiegen die Börsen in dessen Verlauf wieder an, nachdem die Kurse zunächst deutlich gefallen waren. Ähnliche Marktbewegungen konnten wir auch in den vergangenen 25 Jahren bei Konflikten und globalen Krisen beobachten. Irak-Krieg, Afghanistan-Krieg, die globale Finanzkrise und der Covid-19 Crash haben alle eins gemeinsam: nach einer ersten Korrektur stiegen die Börsenpreise wieder, auch wenn die Phasen fallender Kurse unterschiedlich lang andauerten.
Der Grund dafür lautet: Liquidität! Sie ist es, die letzten Endes eine starke Gegenbewegung auslöst, nachdem Märkte zu Beginn einer Krise nach unten korrigieren oder crashen. Denn nach dem ersten Schock versuchen die Investoren wieder, ihre überschüssigen freien Mittel rentabel und zukunftssicher anzulegen. Genau an diesem Punkt stehen wir jetzt. Viel freie Liquidität will vernünftig angelegt sein. Die Aktienmärke sind dafür ideal. Ich gehe daher für das Jahr 2024 in meinem Hauptszenario von einem freundlichen Kapitalmarktumfeld und steigenden Börsen aus.
Die zusätzliche Liquidität kommt dabei in der Regel in zwei Formen: Zum einen können Staaten mit Konjunkturprogrammen einen fiskalpolitischen Impuls setzen und zum anderen senken Zentralbanken die Zinsen oder bedienen sich aus ihrem geldpolitischen Instrumentenkasten, sobald dunkle Wolken aufziehen. Sinkende Zinsen beleben die Kreditnachfrage und sorgen so für eine Ausdehnung der Geldmenge. So wie Wasser seinen Weg nach unten sucht, sucht auch Liquidität seinen Weg in die profitabelsten Investments – und die findet sie in der Regel am Kapitalmarkt.
Dass ein Entzug der Liquidität das genaue Gegenteil bewirkt und Gelder vom Kapitalmarkt abgezogen werden, konnten wir in den vergangenen beiden Jahren sehr gut beobachten. Die hohe Inflation hat die Zentralbanken gezwungen ihre expansive Geldpolitik aufzugeben und in eine restriktive umzukehren, ergo haben vor allem die US-Notenbank Federal Reserve und mit etwas Verspätung auch die Europäische Zentralbank damit begonnen, ihre Leitzinsen zu erhöhen. Viele Notenbanken rund um den Globus taten es ihnen gleich. Die Konsequenz: Aktienmärkte befinden sich seitdem in einem abwärts gerichteten Seitwärtsmarkt. Der Rentenmarkt hat sogar seinen historisch stärksten Kurseinbruch erlebt. Das hatte unter anderem zur Folge, dass US-amerikanische Regionalbanken und britische Pensionskassen gestützt werden mussten.
Auftrieb durch neuerliche Zinswende
Der Crash am Anleihemarkt hat umgekehrt die Renditen steigen lassen, die zehnjährige US-Staatsanleihe bot zeitweise mehr als fünf Prozent Rendite. Dieses Niveau hat das Potenzial, mittelfristig zu Stress im Finanzsystem zu führen, wenn die Emittenten ihre alten, auslaufenden Anleihen durch die Ausgabe neuer, höher verzinster Anleihen refinanzieren müssen. Die hochverschuldeten Staaten können sich diese hohe Zinslast nicht leisten. Zudem stehen mit Blick auf die Zukunft weitreichende Infrastruktur-Projekte vor der Tür, etwa die Elektrifizierung der Mobilität oder der Aufbau nachhaltiger Energie. Das sind kostenintensive Projekte, deren Finanzierung nun deutlich teurer wird also noch vor zwei Jahren erwartet.
Ich gehe davon aus, dass die Renditen für langlaufende Anleihen im Verlauf des Jahres 2024 wieder fallen werden. Konkreter Anlass könnte etwa ein tieferes Abrutschen in die Rezession oder ein deflationäres Ereignis wie beispielweise deutlich fallende Preise in einer wichtigen Branche sein. Dann wären die Zentralbanken zu Unterstützungsmaßnahmen gezwungen. Ich erwarte deshalb im Verlauf des nächsten Jahres eine neuerliche Zinswende. Wenn die Zentralbanken mit Zinssenkungen beginnen, werden sie nicht nach dem ersten Schritt wieder damit aufhören.
Daher sollten die Renditen für zehnjährige Anleihen im Verlauf des nächsten Jahres sinken. Bundesanleihen, die derzeit noch knapp 2,6 Prozent Rendite bieten, sehe ich Ende des Jahres 2024 bei 2,00 bis 2,25 Prozent. US-Staatsanleihen, die heute mit etwas mehr als 4,5 Prozent rentieren, dürften dann noch 4,00 bis 4,25 Prozent einbringen. Fällt die Wirtschaft in eine starke Rezession, würden diese Werte auf 1,00 bis 1,50 Prozent für Bundesanleihen und 2,50 bis 3,00 Prozent für US-Treasuries fallen.
Chance auf fallende Renditen und neues Goldpreishoch
Wie können sich Anleger auf ein solches Szenario vorbereiten? Fallende Zinsen machen neue Anleihen im Vergleich zu den Anleihen aus den vergangenen Monaten zunächst unattraktiver, da die älteren Papiere höhere Coupons bieten. Aus diesem Grund bevorzuge ich aktuell Renten mit längeren Laufzeiten, und dabei vor allem Staatsanleihen, Pfandbriefe und Unternehmensanleihen mit einer guten Bonität.
Von fallenden Renditen würden die Aktienmärkte profitieren und ihre Allzeit-Höchststände testen oder sogar leicht höhere Rekordstände ausprägen. Vor allem Sektoren wie Technologie sollten zunächst stärker profitieren, weil deren hoher Fremdkapitalanteil dann günstiger refinanzierbar ist. Auch bei Zyklikern erwarte ich im Verlauf des Jahres eine positive Kursentwicklung, etwa bei Konsum- und Automobilaktien, sobald sich die Rezession schon im Aktienkurs niedergeschlagen hat.
Ist wieder mehr Liquidität im Markt, sollte auch der Goldpreis profitieren. Das Edelmetall dürfte auch weiterhin als Krisenschutz gefragt sein. Sinkende Zinsen machen Gold im Verhältnis zu Anleihen wieder attraktiver, neue Allzeit-Höchststände sind dann durchaus möglich. Der Goldpreis sollte dann die Marke von 2300 US-Dollar pro Feinunze erreichen.
Zinsänderungen wirken sich natürlich auch auf Wechselkurse aus. Beim Euro-Dollar-Wechselkurs sollten Anleger zunächst mit einem Test der diesjährigen Tiefststände bei 1,05 Euro je Dollar rechnen, bevor es wieder aufwärts geht. Ein Wechselkurs von 1,10 bis 1,15 Euro je Dollar erscheint dann wieder möglich.
Fazit: Die Konjunkturaussichten mögen trübe und die Herausforderungen riesengroß sein. Aber da die schlechten Nachrichten größtenteils bereits ihren Niederschlag an den Kapitalmärkten gefunden haben und an der Börse ja die Zukunft gehandelt wird, spricht vieles für eine Erholung der Märkte im kommenden Jahr. Für Anleger sind die Aussichten insgesamt besser als die Lage.
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