Gold crasht, Bitcoin crasht, der Yen crasht, der Nikkei boomt, der S&P 500 boomt: In vielen Märkten herrscht eine längere Zeit nicht mehr wahrgenommene Kurs-Vertikalität vor.
Es begann mit dem scharfen Anstieg des Dollar/Yen im Herbst vergangenen Jahres, begleitet von einer Nahezu-Verdoppelung des Nikkei-Index.
April zieht die Rendite 10-jähriger japanischer Staatsanleihen nach. Sie verdoppelte sich von 0,44% auf 0,90% (folgender Chart).Der S&P 500 konnte seit Jahresbeginn um 16% zulegen. Dies gilt schon als ordentlicher Jahresgewinn. Würde man im S&P 500 den gleichen Maßstab anlegen wie im DAX, so müsste man den S&P 500 Performance Index betrachten. Dieser liegt auf Jahresbasis mit einem Plus von 18% vorn.Wie der obige Chart zeigt, hat der S&P 500 Performance Index die Hochpunkte der Jahre 2000 und 2007 weit hinter sich gelassen. Die vertikale Bewegung der letzten Wochen ist gut erkennbar. Der Seitenhieb auf den medial hochgejubelten DAX, der gerade erst die Hochs von 2000 und 2007 überwunden hat, sei an dieser Stelle gestattet.
Der XAU-Goldminenindex bewegt sich seit dem vergangenen Herbst vertikal abwärts.
Die Zentralbanken geben Gas und fluten die Märkte mit Liquidität. Auch wenn der Großteil der monatlich gedruckten 85 Mrd. US-Dollar auf den Überschuss-Konten der US-Banken bei der Fed verbleibt, so fließt ein Viertel bis ein Drittel dieses Betrages direkt in die Märkte. Die Liquidität bahnt sich einen Weg in die Aktienmärkte. Zuflüsse in die Anleihenmärkte sind zwar noch vorhanden, aber die Netto-Zufluss-Rate hat nachgelassen. Staatsanleihen der „sicheren Häfen“ USA, Deutschland und Japan mutieren im aktuellen Umfeld zur zweiten Wahl. Auch ein Teil des aus den Rohstoffmärkten abgezogenen Kapitals dürfte den Aktienmärkten zu Gute kommen. Profiteure sind insbesondere die Aktienmärkte der alten Industrieländer und der europäischen Peripherie. Die BRIC-Staaten, deren Schicksal mit demjenigen der Rohstoffmärkte verknüpft zu sein scheint, hinken hinterher.
Der Umstand, dass der Euro gegenüber dem Schweizer Franken zulegen kann, obwohl er sich gegenüber dem US-Dollar eher schwach verhält, unterstützt den Gedanken eines Normalisierungsprozesses in Europa. Der japanische Yen und auch der Schweizer Franken boten in den Jahren seit 2007 Sicherheit. Für diese Sicherheit nahm man niedrige Renditen in Kauf. Die Geborgenheit eines sicheren Hafens wird nicht mehr benötigt. Fallende Yen und Franken-Kurse bedeuten, dass sich das Kapital aus diesen Währungen heraus bewegt.
EUR/CHF seit 2000" title="EUR/CHF seit 2000" width="574" height="338">Aufgrund dieses Umstandes sowie der charttechnischen Angewohnheit des Schweizer Franken, dem japanischen Yen zu folgen, erscheint eine weitere Aufwertung des Währungspaars EUR/CHF wahrscheinlich.
Das Thema „Mehr Risiko – weniger Sicherheit“ ist das eine Thema. Liquidität ist das andere. Parallel dazu fallen die Rohstoffpreise. Die Themen verknüpfen sich zu einem „Sweet-Spot-Szenario“: Hohe Liquidität, wenig Risiko, geringe Inflation. Doch ein derartiger Zustand ist kein Dauerzustand. Selbst in den - rückblickend perfekt scheinenden - 1980er und 1990er Jahren wurden positive Marktphasen nach spätestens vier bis fünf Jahren von heftigen Korrekturen unterbrochen.
Folgt man der Historie, so erholt sich der Dow Jones Index nach einer Kurshalbierung üblicherweise über einen Zeitraum von viereinhalb Jahren, bevor eine deutliche Korrektur einsetzt (folgender Chart).
Der Vergleich mit dem aktuellen Verlauf zeigt, dass sich der US-Markt in Reichweite dieser Korrekturphase befindet.
An der Mauer der Angst („Wall of Worry“) konnten sich die Marktteilnehmer festhalten. Sie konnten vier Jahre an ihr hochklettern. Die Mauer der Angst wurde schließlich überwunden. Darüber kommt nur noch Luft. Es sieht so aus, als ob die Marktteilnehmer sich bereits an Dingen festhalten, die sich im Nachhinein als Fata Morgana erweisen dürften. Der sichere Hafen Japan dürfte durchaus ein Fragezeichen wert sein. Und schon einmal – im Jahr 2007 – war schier unbegrenzte Liquidität ein Thema (damals aus Private Equity Sicht). Damals rieselte sie schlussendlich durch die Finger; die Märkte verloren den Halt.
Fazit:
Erst jetzt – nach vier Jahren Hausse - werden die Krücken der Verunsicherung weggeworfen. Erst jetzt legt die Risikoneigung entscheidend zu. Erst jetzt kehrt das Vertrauen in die Aktienmärkte zurück. Die laufende Vertikalität sehen wir als ein Warnzeichen im Hinblick auf ein Markthoch im Sommer/Spätsommer an.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest