Die Aktienmärkte nehmen die derzeit wieder zunehmenden Neuinfektionszahlen zum Anlass, sich daran zu erinnern, dass wir zwar nicht mehr in der Corona-Rezession, wohl aber unverändert in der Corona-Pandemie stecken. Die gestiegene Nervosität bei vielen Marktteilnehmern mag Beleg für ein Phänomen sein: Etwas Unangenehmes zu erwarten, ist das eine. Es dann zu erleben, ist das andere – selbst wenn es quasi genauso kommt wie gedacht. Wir stellen die Einschätzung der DEKA für die Südseiten der Börse München vor.
Finanzpolitik schiebt Konjunktur
Auch die Prognostiker der Deka erfahren dies gerade wieder am eigenen Leib. Es regen sich Zweifel, ob das Basisszenario weiterhin zutrifft. Und das, obwohl die Entwicklung wie erwartet verläuft: Die konjunkturelle Erholung nach der Corona-Rezession hat dynamisch begonnen, verliert nun an Tempo und wird in einem zähen Aufholprozess die noch verbliebenen Corona-bedingten Produktionseinbußen nachholen. Es kommt lediglich zu regionalen und zeitlich befristeten neuerlichen Beschränkungen des öffentlichen Lebens. Die erkennbar gebremste Inflationsentwicklung veranlasst die Notenbanken, für lange Zeit mit Anleihekäufen und Niedrigstzinsen expansiv zu wirken. Die Finanzpolitik schiebt zumindest in diesem und im kommenden Jahr die Konjunktur.
Eher kein erneuter globaler Stillstand
Es ist vor allem die Unberechenbarkeit der Pandemie, die jetzt wieder verstärkt Zweifel und Unsicherheit auslöst: Wenn die Corona-Neuinfektionen im Winterhalbjahr doch so stark zunehmen, dass ein erneuter globaler Stillstand kommt? Dieses Risiko hat in der Tat eine nennenswerte Eintrittswahrscheinlichkeit. Aber die Wahrscheinlichkeit ist viel höher, dass mit den in den vergangenen Monaten gewonnenen politischen und virologischen Erkenntnissen vor allem die Produktionstätigkeit in den Unternehmen und mithin das Kernstück der wirtschaftlichen Aktivität weitgehend aufrechterhalten wird. Einzelne Konjunkturindikatoren werden in den nächsten Wochen schwächer ausfallen und enttäuschen. Damit müssen die Märkte leben. Dies mag mit höheren Marktschwankungen einhergehen. Bei all dem dürfen wir den steigenden Erregungsgrad im US-Präsidentschaftswahlkampf ebenso wenig außer Acht lassen wie die schwindende Zeit für die Brexit-Verhandlungen in der zum Jahresende auslaufenden Übergangsphase.
Konstruktiver Ausblick für Kapitalmärkte
Dies alles abwägend ist der Ausblick der Deka-Volkswirte trotz des aktuellen Corona-Unwohlseins nach wie vor sowohl für die Konjunktur als auch für die Kapitalmärkte konstruktiv. Abgesehen von der fulminanten Rallye der US-Tech-Titel war speziell an den europäischen Börsen in den vergangenen Wochen eine Konsolidierung bzw. Seitwärtsbewegung vorherrschend. Ausgehend von den aktuellen Indexständen rechnen wir bis Ende 2021 mit weiteren Kursanstiegen und neuen Höchstständen vieler prominenter Aktienindizes.
Die wichtigsten Prognoserevisionen und -änderungen
- Deutschland/Euroland: Bruttoinlandsprodukt – Aufwärtsrevision für 2020, Abwärtsrevision für 2021; Inflation – Abwärtsrevision für 2020 und 2021 (hier nur Euroland).
- USA: Inflation – Aufwärtsrevision für 2020 und 2021.
- China: Bruttoinlandsprodukt – Aufwärtsrevision für 2021.
- Aufwärtsrevision der BIP-Prognosen für 2020 für die Türkei; Abwärtsrevision der BIP-Prognosen für 2020 für Argentinien und Südafrika.
Die Konjunkturentwicklung in den Industrieländern
Deutschland
Immer deutlicher zeigt sich, dass die erste, stürmische Phase der Erholung von der Corona-Krise vorüber ist. Im August schwächte sich der Mautindikator merklich ab, die Stückzahl der produzierten Autos sank, und die Umsatzsteueranmeldungen waren rückläufig. Dabei deutet sich eine Zweiteilung der Konjunktur an. Während der Septemberwert des Industrie-Einkaufsmanagerindex eine weitere dynamische Erholung anzeigt, sank der Dienstleistungsindikator in den Rezessionsbereich. Das ifo Institut machte den Anstieg der Corona-Infektionen als Schuldigen für die Dienstleistungsschwäche aus. Die Entwicklung der Infektionen und die Auslastung der Krankenhausbetten bleiben eine Schlüsselgröße für die weitere Erholung. Das Vorkrisenniveau der Wirtschaftsleistung wird wohl erst Ende 2021 wieder erreicht werden.
Prognoserevision: Bruttoinlandsprodukt 2020 bzw. 2021: -5,1 Prozent bzw. 4,6 Prozent (bisher: -5,4 Prozent bzw. 5,1 Prozent); Inflation 2021: 1,4 Prozent (bisher: 1,5 Prozent).
Euroland
Für das dritte Quartal liegen mittlerweile die wichtigsten Frühindikatoren für die Entwicklung der europäischen Wirtschaft vor. Diese zeigen deutlich eine Rückkehr der EWU auf den Wachstumspfad. In einigen EWU-Ländern dürfte es sogar zu einem recht kräftigen Wachstumsplus kommen. Die Frühindikatoren signalisieren allerdings auch, dass sich der Ausblick in Euroland für das vierte Quartal angesichts der Corona-Entwicklung eingetrübt hat. Es ist vor allem der europäische Dienstleistungssektor, der bereits wieder unter den gestiegenen Infektionszahlen leidet. Die Industrie zeigt hingegen bislang keine neuen Bremsspuren. Es ist eine wacklige Erholung in Euroland. Insbesondere in Spanien und in Frankreich nehmen die Belastungen durch Corona wieder spürbar zu.
Prognoserevision: Bruttoinlandsprodukt 2020 bzw. 2021: -7,8 Prozent bzw. 6,0 Prozent (bisher: -8,4 Prozent bzw. 7,2 Prozent); Inflation 2020 bzw. 2021: 0,2 Prozent bzw. 0,8 Prozent (bisher: 0,4 Prozent bzw. 1,0 Prozent).
USA
Die Konjunkturdaten überraschen weiterhin zum Großteil positiv. Dies gilt vor allem für den privaten Konsum. So deuten Tagesdaten an, dass auch im September ein überdurchschnittlicher Anstieg vorgelegen haben könnte. Angesichts der abnehmenden fiskalischen Unterstützung wäre solch eine Entwicklung erstaunlich. In unserer Konjunkturprognose ist sie bislang nicht enthalten. Gleichwohl nimmt die Evidenz zu, dass die wirtschaftliche Dynamik grundsätzlich abflacht. In den vergangenen Monaten wurde die Interpretation von Preisdaten durch ungewöhnliche Kapriolen in beide Richtungen erschwert. Inzwischen deutet sich allerdings zunehmend an, dass die Preisdynamik durch den Wirtschaftseinbruch deutlich weniger gedämpft wurde als ursprünglich erwartet.
Prognoserevision: Inflation 2020 bzw. 2021: 1,2 Prozent bzw. 1,7 Prozent (bisher: 1,1 Prozent bzw. 1,5 Prozent)
Aktien in den Industrieländern
Europäische Zentralbank / Geldmarkt
Die EZB-Pressekonferenz im September blieb ohne klare Hinweise auf die zukünftige Geldpolitik. Doch bereits kurze Zeit später unterstrichen einige Ratsmitglieder ihrer Bereitschaft, bei Bedarf weiter zu lockern. Im Dezember dürfte die EZB ankündigen, das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) noch einmal aufzustocken und zu verlängern. Demgegenüber rechnen wir eher nicht mit einer erneuten Senkung des Einlagensatzes. Gleichwohl dürfte eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen solchen Schritt an den Geldmärkten eingepreist bleiben, solange der starke Euro auf dem Inflationsausblick für die Eurozone lastet. Mittelfristig dürften diese Erwartungen aber nachlassen, sodass trotz weiter anwachsender Überschussreserven die EURIBOR-Sätze ein wenig ansteigen sollten. Gleichzeitig dürften Marktteilnehmer das mit der PEPP-Aufstockung verbundene Signal dahingehend verstehen, dass die erste Erhöhung der Leitzinsen noch etliche Jahre entfernt ist. Dies könnte die in den längerfristigen EURIBOR-Futures eingepreisten Sätze noch etwas weiter nach unten drücken.
Prognoserevision: Keine