Einige Indizes haben nach der jüngsten Konsolidierung rasch wieder neue Jahreshochs erreicht (NASDAQ, Frankreich, Italien, Kanada), andere – wie z.B. der DAX – stehen zumindest schon in Reichweite ihrer Hochs. Es sieht danach aus, als sollte die Rally bald fortgesetzt werden. Damit befinden sich jedoch viele Anleger in einem Dilemma.
Schnelle neue Hochs stürzen die Anleger in ein Dilemma
Lassen wir einmal außen vor, ob und wie vielen Investoren es gelang, in der jüngsten dynamischen Gegenbewegung rechtzeitig (wieder) neu einzusteigen. In jedem Fall würden neue Hochs auf breiter Front – insbesondere im S&P 500, aber auch im DAX – die Anleger vor schwierige Entscheidungen stellen. Sie müssten dann die Frage beantworten, ob sie diesen Kursanstieg zum Anlass für neue bzw. weitere Käufe nehmen oder nicht.
Erinnern wir uns: Nach der kräftigen Rally vor dem Jahreswechsel waren sich fast alle Analysten und Anleger einig, dass die Märkte überhitzt bzw. überkauft und zum Teil überbewertet sind. Auch im Steffens Daily haben wir mehrfach auf diese Situation hingewiesen.
Die Korrektur diesseits und jenseits des Atlantiks brachte von Ende Dezember bis Anfang Februar Kursrückgänge zwischen 4,5 und 10,8 Prozent bzw. im Durchschnitt rund 7,1 % innerhalb weniger Tage bzw. Wochen. Von einem nachhaltigen Abbau der vorherigen Euphorie kann man in diesem kurzen Zeitraum kaum sprechen, von einer Normalisierung der Bewertung angesichts der moderaten Rückschläge auf keinen Fall.
Es hat sich nichts, aber auch gar nichts geändert
Im Prinzip sind die Börsianer also in derselben Lage wie im Januar. Nichts, aber auch gar nichts hat sich an den Märkten geändert, wenn man von dem jüngsten Einbruch absieht, der – so erscheint es heute zumindest – kaum mehr als eine Schrecksekunde war.
Selbst die Quartalsberichtssaison, die in den USA de facto schon vorbei ist, brachte keine neuen Erkenntnisse. Zwar stiegen die Gewinne ebenso wie die Margen der Unternehmen auf neue Rekordwerte. Aber die Umsatzzuwächse blieben unterdurchschnittlich und die Prognosen weiterhin verhalten. Fantasie für weitere Kurssteigerungen und damit neue Käufe gibt es aus diesem Blickwinkel also nicht.
Aber neue Hochs sind nun einmal ein starkes Argument („Der Markt hat immer Recht“) und insbesondere institutionelle Anleger müssen diesem Signal folgen, wenn sie nicht – wie vielleicht schon 2013 – ihrem Benchmark hinterherlaufen wollen. Der Performancedruck zwingt also bei neuen Hochs die Großanleger in den Markt!
Wie werden die Anleger nun reagieren?
Entscheidend wird aber nun, wie die Großanleger das tun. Sie können natürlich den Chartsignalen bedingungslos vertrauen und „voll“ einsteigen. Dazu müssten sie sich jedoch über die genannten Bedenken hinwegsetzen. Das kann gelingen, denn es spricht durchaus einiges für eine Fortsetzung der Rally. Die teilweise recht luftige Bewertung, die bei einigen Aktien auch scheinbar abenteuerliche Größenordnungen angenommen hat, relativiert sich, wenn man diese mit anderen Anlagemöglichkeiten vergleicht.
Anleihen oder Immobilien z.B. weisen noch schlechtere Bewertungen auf. Und angesichts der immer noch horrenden Staatsverschuldung werden die Notenbanken auf absehbare Zeit auch die Zinsen weiter niedrig halten, so dass sich daran nichts ändern wird. Die Liquiditätsversorgung der Notenbanken läuft zudem trotz der inzwischen begonnenen Drosselung der Anleihekäufe durch die Fed immer noch auf Hochtouren und kommt daher bis auf Weiteres auch den Aktienmärkten zugute.
Allerdings sind auch diese Gründe seit längerem bekannt. Wer diese vor einigen Wochen nicht akzeptierte, wird es nun auch nicht tun, nur weil es abermals ein neues Hoch gibt. Dennoch bleibt der Performancedruck, der mit steigenden Kursen noch zunimmt.
Wie agiert ein Anleger in diesem Dilemma? Hinter den Markt stellen: So sieht das aus
Er kann sich einfach hinter den Markt stellen, wie wir es Ihnen im Steffens Daily stets raten. Dabei werden bei (wieder) steigenden Kursen eigenen Positionen aufgebaut. Dieses Verhalten kann eine Ursache dafür sein, dass die Kurse in den vergangenen Tagen nach der ersten Umkehr am Tief immer weiter steigen. Eine andere Methode könnte sein, sich auf diejenigen Werte zu konzentrieren, die zum einen positive Nachrichten bieten und zum anderen die passenden positiven Kursreaktionen zeigen. Zum Ausgleich werden andere (mit negativen Nachrichten und Kursreaktionen) abgestoßen. Als Folge kommt es bei einzelnen Werten zu drastischen und unnormalen Ausschlägen.
Und genau das beobachten wir zurzeit – zum Teil in extremem Ausmaß:
So führte ein um gerade einmal 6,6 % über den Erwartungen liegender Gewinn des Reiseportals Expedia zu einem Kurssprung um 14,3 %. Die Videospiel-Schmiede Activision Blizzard liefert 8,6 % mehr als erwartet ab und wurde dafür mit einem Kursgewinn von 14,4 % belohnt. Mit den Aktien der Fast-Food-Kette Yum! Brands ging es nach einer 7,5%igen Überraschung um 8,9 % nach oben.
Aber es ging auch kräftig in die andere Richtung. Die Kaufhauskette J.C. Penney schaffte zwar einen etwas höheren Gewinn als erwartet, aber die Umsatzentwicklung blieb hinter den Erwartungen zurück, obwohl es dabei das erste Mal seit zwei Jahren wieder aufwärts ging. Die Quittung der Börse: 10,6 % Kursverlust. Der Produzent des Computerspielklassikers „Grand Theft Auto“ enttäuschte mit der fünften Ausgabe seines absatzstarken Spitzenprodukts sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn und musste dafür einen Kursabschlag von 9,7 % hinnehmen.
Die Unsicherheit könnte bald deutlich zunehmen
Diese Reaktionen sind damit Ausdruck einer gewissen Verzweiflung der Anleger, die in diesem Dilemma ihr Fähnlein buchstäblich in den Börsenwind drehen müssen, um nicht von der Entwicklung in die eine oder andere Richtung überrascht zu werden. Und wenn an diesem Spiel kapitalstarke Anleger beteiligt sind, fallen die Kursausschläge entsprechend heftig aus.
Anleger, die so vorgehen, aber in ihrem Innersten nicht von der Fortsetzung der Rally überzeugt sind, werden auch schnell auf den Verkaufsknopf drücken, wenn die Kurse wieder nach unten gehen. Es ist also gut möglich, dass uns die Volatilität der vergangenen Wochen erhalten bleibt, ja dass sie sogar noch zunimmt. Das oben skizzierte Dilemma der Börsianer könnte in diesem Fall dazu führen, dass die Unsicherheit bei mehr und mehr Anlegern zunimmt, die derzeit noch glauben, von der Rally überzeugt zu sein.
Im Chart äußert sich Unsicherheit häufig durch ein nach rechts offenes Dreieck, von uns „Unsicherheitstrompete“ genannt. Im NASDAQ 100 (siehe Chart) ist der erste Ansatz dazu bereits zu sehen. Wir dürfen also gespannt sein, welche Überraschungen die Börsen in der nächsten Zeit für uns bereithalten.
Torsten Ewert
PS: Was wir außerdem für das Jahr 2014 erwarten, erfahren Sie in unserem Jahresausblick, der im Januar erschienen ist.