Für das Jahr 2021 bleibt der Ausblick dagegen vage. Weitere Aufholeffekte und eine robuste globale Handels- und Wachstumsdynamik stehen den aus Handelskonflikten, Brexit und träger politischer Reformbereitschaft resultierenden Risiken gegenüber. Mittelfristig ist es weniger das Coronavirus, welches bestimmt, ob das Glas halb leer oder voll ist, sondern die Bereitschaft, wettbewerbsfördernde Reformen umzusetzen und Veränderungen anzunehmen. Die IKB erwartet ein Wachstum von -5,3 Prozent in diesem Jahr und von 6,8 Prozent im Jahr 2021. Wir stellen den Ausblick von Dr. Klaus Bauknecht, IKB für die Südseiten der
Börse München vor.
V-Erholung für 2020 scheint sich zu bestätigen, ….
Die Wachstumsraten der letzten Monate signalisieren eine schnelle, wenn nicht sogar V-förmige Erholung des Produzierenden Gewerbes in Deutschland. Solch eine Entwicklung war nach Ausbruch der Coronakrise erhofft, aber nicht unbedingt erwartet worden; nun bestätigt sie sich, zumindest was das Verarbeitende Gewerbe angeht. Deshalb wird allgemein von einem deutlichen Plus beim BIP-Wachstum in der zweiten Jahreshälfte und vor allem im dritten Quartal 2020 ausgegangen. Entsprechend hat sich der Pessimismus deutlich gelegt, der in vielen Prognosen zum Ausdruck kam. Wurde im April und Mai noch ein deutlich tieferer Einbruch als in der Finanzkrise erwartets, deuten aktuelle Prognosen auf einen geringen Unterschied hin. In der Finanzkrise war das BIP um 5,6 Prozent eingebrochen; für 2020 erwartet die IKB nun nur noch einen Rückgang des BIP um 5,3 Prozent.
Das Prognoserisiko für das aktuelle Jahr ist zu vernachlässigen. So beruht das kräftige Wachstum im dritten Quartal vor allem auf Basis- und Überhangeffekten aus dem zweiten Quartal, denn bereits mit dem Ende bzw. der Lockerung des Lockdowns im Mai und Juni erholte sich die Konjunktur. Zudem wird die Entwicklung im dritten und vierten Quartal auch vom privaten Konsum getrieben. Der im historischen Vergleich einmalige Rückgang des BIP um fast 11 Prozent im zweiten Quartal und das damit einhergehende erzwungene Sparen sind Vergangenheit. Zweifellos ist im dritten und vierten Quartal 2020 auch von einer deutlichen Erholung der Weltwirtschaft und damit auch der deutschen Exporte auszugehen. Auch wenn die deutschen Ausfuhren bereits vor dem Ausbruch der Coronakrise unter Druck standen: aufgrund des Einbruchs im zweiten Quartal um über 20 Prozent werden die Aufholeffekte im dritten und vierten Quartal dominieren und zu robusten Wachstumszahlen führen. Anders sieht es bei den Ausrüstungsinvestitionen aus, die nun schon seit fünf Quartalen rückläufig sind – also deutlich vor Ausbruch der Coronakrise. Hier bleibt der Ausblick aufgrund des Vertrauenseinbruchs und der Überkapazitäten ungewiss.
Das als bedeutender Vorlaufindikator für die deutsche Wirtschaft hat sich im September 2020 weiter aufgehellt. Der Index stieg um 0,9 Punkte auf 93,4 Zähler und hat damit fast sein Vorkrisenniveau von Anfang dieses Jahres erreicht. Die Unternehmen beurteilen dabei insbesondere ihre aktuelle Lage deutlich besser. Der Teil-Index stieg um 1,3 Punkte. Die Erwartungskomponente hat sich dagegen im September nur minimal um 0,2 Zähler verbessert. Sie war dennoch in den vergangenen Monaten überwiegend für die Verbesserung des Geschäftsklimas verantwortlich. Der Teilindex „Geschäftserwartungen“ liegt nach wie vor deutlich über dem Niveau des Teilindex für die aktuelle Lage. Hier zeigt sich, dass die Unternehmen von Aufholeffekten und der Belebung der Konjunktur überzeugt sind; auch wenn es in den nächsten Monaten, durchaus zu Rückschlägen beim Geschäftsklima kommen kann, sollten die Infektionszahlen nachhaltig steigen.
Das ifo Geschäftsklima signalisiert ein robustes Wachstum im dritten sowie vierten Quartal 2020 und bestätigt ein geringes Konjunkturrisiko für das Restjahr 2020.
… doch Ausblick für 2021 bleibt unsicher, …
Welchen Weg die wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2021 nehmen wird, ist nicht so klar. Denn dann sind weniger „technische“ Aufholeffekte relevant, sondern die Tragfähigkeit der Wachstumsdynamik wird entscheidend sein. Nur bei einer breit aufgestellten, synchronen globalen Erholung werden die deutsche Exportdynamik anhalten und die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes wieder auf Vorkrisenniveau zurückkehren. Aktuelle Daten des Containerumschlag-Index zeigen allerdings: Die Belebung des Welthandels hat längst eingesetzt und gewinnt regional an Breite. Der Umschlag in den chinesischen Häfen hat erneut ein Allzeithoch erreicht. Aber auch außerhalb Chinas erhöhte sich der Umschlag kräftig. Der Nordrange-Index, ein Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung im nördlichen Euro-Raum und in Deutschland, verbesserte sich im Juli 2020 deutlich um 6,8 Punkte. Das ist der kräftigste bisher gemessene Anstieg.
Ist also eine anhaltende Dynamik der deutschen Wirtschaft möglich? Sicherlich, da die Weltwirtschaft mit Schwung ins kommende Jahr starten wird. Zwar mögen auslaufende Konjunkturprogramme die Dynamik etwas bremsen, Geldpolitik und anziehender Welthandel dürften allerdings das Momentum stützen.
Aufgrund verschiedener Unwägbarkeiten wie die weitere Entwicklung der Corona-Infektionszahlen, die US-Handelspolitik nach den Präsidentschaftswahlen und die finale Ausgestaltung des Brexit bleibt das Risiko dennoch hoch. Aktuell drohen erneute Eindämmungsmaßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie, was sich aktuell in der leichten Eintrübung von Stimmungsindikatoren niederschlägt. So ist der Einkaufsmanager-Index für die Gesamtwirtschaft im September leicht gesunken, befindet sich aber weiter über der Expansionsschwelle. Dabei ist der Rückgang ausschließlich auf die Stimmungsverschlechterung im Dienstleistungssektor zurückzuführen.
Auch kommen Staaten und Unternehmen geschwächt aus der Coronakrise hervor. Die Schuldenquoten haben sich deutlich erhöht, und es ist von einer generellen Bonitätsverschlechterung auszugehen. So wird die Coronakrise – wie andere Krisen vor ihr auch – das Investitionsverhalten tiefgreifend prägen. Aktuell erwarten wir für Deutschland ein BIP-Wachstum im Jahr 2021 von 6,8 Prozent. Das Prognoserisiko ist ausgeglichen bis leicht nach unten gerichtet.
… auch weil nicht nur Corona die Entwicklungen bestimmt
Die Coronakrise könnte sich zu einem ungeplanten Katalysator für Veränderungen entwickeln, der einen nachhaltigen Einfluss auf Volkswirtschaften hat und so auch eine „neue Normalität“ schafft. Die konjunkturellen Herausforderungen und Unsicherheiten für die kommenden beiden Jahre sollten deshalb nicht als temporär angesehen werden, die zu überwinden sind. Unternehmen sollten sich vielmehr auf dauerhafte Veränderungen einstellen. Denn nur eine flexible und anpassungsfähige Volkswirtschaft, die sich dieser neuen Normalität stellt und diese annimmt, wird perspektivisch die neue Normalität für sich als Opportunität nutzen können und zu alten Wachstumsdynamiken zurückkehren.
Deshalb gibt es auch keinen Grund hinsichtlich der mittelfristigen Wachstumsperspektiven in Pessimismus zu verfallen. Entscheidend wird sein, den Produktionsstandort Deutschland weiter und nachhaltig zu stärken. Die Herausforderungen sind schon länger bekannt und haben mit Corona relativ wenig zu tun: hohe Steuerlast, steigende Lohnkosten und eine unkalkulierbare Umweltpolitik belasten die Wettbewerbsfähigkeit des Investitionsstandorts Deutschland. So bestimmt mittelfristig nicht primär des Coronavirus, ob das Glas halb leer oder voll ist, sondern die Bereitschaft, wettbewerbsfördernde Reformen umzusetzen. Die Verlängerung des Kurzarbeitergelds bis Ende 2021 mag sich diesbezüglich als kontraproduktive erweisen.
Fazit: Noch signalisiert das ifo Geschäftsklima eine weitere Stimmungsaufhellung. Angesichts des ungewissen weiteren Verlaufs der Corona-Infektionszahlen ist eine Stimmungseintrübung in den kommenden Monaten allerdings nicht auszuschließen. Die BIP-Prognose für das Restjahr 2020 ist dennoch mit wenig Risiko behaftet. Ein kräftiges Wachstum im dritten Quartal – getrieben von den Exporten und dem privaten Konsum – sollte sicherstellen, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr weniger stark schrumpfen wird als in der Finanzkrise.