Eine „weise“ Börsenregel besagt, dass Anleger im September grundsätzlich vorsichtig sein sollten. Er sei historisch der schwächste Aktienmonat. Und viele erinnern sich bestimmt noch an die Finanzkrise 2008, die auch in einem September ihren Lauf nahm. Dennoch bin ich entspannt.
Was ist dran am September-Blues?
Schauen wir auf die durchschnittliche Wertentwicklung der bedeutendsten Aktienindices seit Ende der 50er-Jahre. Tatsächlich ist dabei der September fast überall das Schlusslicht eines Börsenjahrs. Der DAX (inklusive seiner Vorgänger) verlor 1,8%. Ebenso leiden MDAX (-1,8%), Euro STOXX 50 (-1,6%), Dow Jones (-1,3%), S&P 500 (-1,1%) und Nasdaq 100 (-0,7%). Na ja, nach Weltuntergang sieht ein durchschnittlicher September nicht aus.
Sicher, einzeln betrachtet gab es im September deutliche Kursverluste. Doch muss festgestellt werden, dass selbst nach massiven Einbußen die Märkte anschließend immer wieder zu neuen Höhen aufgestiegen sind.
Ohne Zweifel, die international längst aus dem Ruder gelaufene Verschuldung muss Stabilitätsanhänger verstimmen. Und für einige Zeitgenossen ist genau diese Finanzinstabilität das Damokles-Schwert, das über den Märkten hängt und zum baldigen ultimativen Zusammenbruch der (Finanz-)Welt führt.
Doch wird dieser Systemcrash geldpolitisch nicht zugelassen. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen wären entsetzlich. Tatsächlich sind die Kapitalmärkte seit der Finanzkrise 2008 mit einem festen Glaubensbekenntnis ausgestattet: Wo die Not am größten, ist die Geldpolitik am nächsten. Das Erscheinen eines schwarzen Schwans kann man damit zwar nicht ausschließen. Doch wird alles unternommen, ihn schnell zu verjagen.
Nebenwirkungen dieses Helfersyndroms lassen sich allerdings nicht verhindern. So werden wir mit Inflation - ich meine die tatsächliche - morgens aufstehen und abends zu Bett gehen. Immerhin kann man ihr mit Aktien und Gold entgegenwirken, die von Preissteigerungen aufgeblasen werden wie ein bunter Luftballon auf einem Kindergeburtstag.
Ich will nicht wie ein Fatalist klingen. Doch wenn wir Anleger schon den Makrokosmos nicht beeinflussen können, sollten wir zumindest unseren sachkapitalistischen Mikrokosmos im Griff haben. Gerade für langfristige Anleger heißt das, auch in einem schwierigen September zu eben auch günstigeren Kursen in Aktien zu investieren. Denn das anschließende Jahresendquartal ist statistisch gesehen eine attraktive Börsenzeit.
Die Finanzgeschichte lehrt: Kursrückgänge und anschließende Erholungen gehören zur Börse wie Fleischwurst zum Metzger.
Was ist in diesem September zu erwarten?
Neben der EZB wird auch die Fed den Zinssenkungszyklus einläuten, der uns ebenso 2025 erhalten bleibt. Zwar sind sinkende Leitzinsen ein Beleg, dass die Wirtschaft nicht rund läuft. Doch führen sie zu attraktiven Finanzierungsbedingungen für staatliche Konjunkturprogramme, private Investitionen und den Konsum, was alles die Wirtschaft perspektivisch wieder aufpäppelt.
Und während seit 2022 steigende Zinsen jene Unternehmen favorisierten, die wegen ihrer nachhaltig soliden Geschäftsmodelle nicht auf Fremdmittel angewiesen sind - vor allem aus dem High-Tech-Sektor - schieben sinkende Zinsen jetzt Branchen in den Anlegerfokus, die zinssensitiv sind: Industrie, Finanzen, Immobilien oder Dividendenwerte.
Dieser Plan B macht den Aktienmarkt insgesamt stabiler, da jetzt auch Zykliker (NYSE:XLY) und vor allem Nebenwerte in den USA aus den Mauselöchern kommen. Das gilt auch für Werte aus Europa. Denn den hiesigen unbefriedigenden (wirtschafts-)politischen Bedingungen wirken Unternehmen mit zunehmend ausländischer Präsenz entgegen.
Sicherlich ist der Markt gut gelaufen, was aktuell mitunter für Knüppel aus dem Sack bei Tech-Werten sorgt. Immerhin aber haben sich viele Privatanleger abgesichert, was wiederum für Kursstabilität sorgt.
Und selbst wenn im September 2024 Blues gespielt werden sollte, spricht - wie oben beschrieben - viel dafür, dass danach wieder Popmusik zu hören ist.
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