Der Markt hat die Angewohnheit, die Geschichte regelmäßig zu wiederholen, die Auslöser für das Narrativ unterscheiden sich zwar immer leicht, aber der Ausgang der Geschichte ist fast immer derselbe. So hat es angesichts des jüngsten Schwenk der Fed bei der FOMC-Sitzung in der letzten Woche den Anschein, dass die Renditekurve von einer Versteilerung zu einer Abflachung übergegangen ist. In der Vergangenheit hat diese Entwicklung häufig zu Befürchtungen über eine mögliche Rezession geführt.
Eine sich abflachende Zinsstrukturkurve weckt bei vielen Anlegern in der Regel die Sorge, dass sich die Wirtschaft abschwächt. Folglich dürften sich die Anleger aus vielen der Reflationswerte zurückziehen, die seit den US-Wahlen im November die Rallye angeführt haben. Im Ergebnis wären starke Rückgänge in den Sektoren Banken, Industrie (NYSE:XLI), Werkstoffe (NYSE:XLB) und Energie (NYSE:XLE) sehr gut möglich.
Die Abflachung der US-Zinskurve
Der Schaden an der Zinskurve zu diesem Zeitpunkt ist nicht allzu groß, aber es war genug, um den Financial ETF (NYSE:XLF) letzte Woche stark nach unten zu schicken. Von seinem Höchststand am 7. Juni liegt er nun etwa 5,25% tiefer. Die Rendite der 10-jährigen abzüglich der 2-jährigen Treasury Bond erreichte Anfang April einen Höchststand von ca. 1,6% und ist seitdem auf ca. 1,22% gefallen, was einem Rückfall von rund 40 Basispunkten entspricht. Zunächst flachte sich die Kurve aufgrund der sinkenden 10-jährigen Renditen ab, aber seit der Fed letzte Woche hat sich diese Bewegung beschleunigt. So stieg die 2-jährige Anleiherendite von 12 Basispunkten am 15. Juni auf inzwischen 26 Basispunkte.
Warum das kurze Ende weiter zulegen könnte
Mit der Zeit sollte das steigende kurze Ende und das fallende lange Ende der Kurve zu einer Abflachung der Zinskurve führen. Wenn die Fed bis 2023 mit zwei Zinserhöhungen rechnet, muss die 2-jährige Rendite wohl noch viel weiter steigen, möglicherweise auf über 60 Basispunkte. Die 10-jährige Rendite geht jedoch schon seit einiger Zeit zurück, was darauf hindeutet, dass der Anleihenmarkt keine langfristige Inflationsgefahr in der Wirtschaft sieht. Die abflachende Kurve deutet darauf hin, dass der Anleihenmarkt eine Verlangsamung der Wirtschaft in der Zukunft sieht, möglicherweise verursacht durch eine straffere Geldpolitik.
Reflationssektoren, die großen Verlierer
Eine solche Entwicklung wäre vor allem für die Reflationstrades am Aktienmarkt ein großer Rückschlag. Diese Sektoren haben in den letzten Monaten aufgrund der sich ausweitenden Spreads und der steigenden Inflationserwartungen massiv an Wert gewonnen. Die Fed hat jedoch mit ihren jüngsten Maßnahmen diesen Trade im Wesentlichen komplett umgekehrt. Vorausgesetzt, dass die Spreads und Inflationserwartungen weiter zurückgehen. Dann dürfte dies auch auf den Gesamtmarkt durchschlagen. Gerade die auf Reflation ausgerichteten Sektoren wären davon am stärksten betroffen.
Diese Story wiederholt sich regelmäßig: eine sich abflachende Renditekurve löst bei den Anlegern immer wieder Sorgen über die Botschaften des Rentenmarktes aus. Das heißt natürlich nicht, dass sich diese Sorgen heute oder morgen einstellen werden. Nehmen wir jedoch an, dass sich die Renditekurve irgendwann in den kommenden Monaten weiter abflacht; dann werden sich diese Befürchtungen voraussichtlich verstärken. In diesem Fall würde man den Sorgen um eine Verlangsamung des Wachstums oder, schlimmer noch, um eine Rezession größere Aufmerksamkeit schenken.
Die Richtung der Spreads in den nächsten Wochen könnte ausschlaggebend dafür sein, in welche Richtung Aktienanleger ihre Bestände umschichten. Je stärker sich die Kurve abflacht, desto ausgeprägter dürfte diese Rotation ausfallen, und umso lauter werden die Befürchtungen eines Wirtschaftsabschwungs werden.