Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Geldpolitik in der vergangenen Woche unverändert gelassen, obwohl ihre Präsidentin Christine Lagarde die erste strategische Überprüfung der Ziele und Instrumente der Zentralbank seit 16 Jahren eingeleitet hat. Die Bank strebt an, diese Überprüfung, die auch das Inflationsziel umfasst, bis Ende des Jahres abgeschlossen zu haben. Die meisten Analysten interpretierten dies dahingehend, dass die Veränderungen bescheiden ausfallen werden.
Die Überprüfung erfolgt, als die großen Zentralbanken der Welt mit beispiellos niedrigen Zinssätzen und schwachen Volkswirtschaften ringen, die die Annahmen über die Reaktion der Wirtschaft auf die Geldpolitik in Frage stellen. Die US-Notenbank führt ebenfalls eine strategische Überprüfung durch, die eher zwei Jahre dauern soll.
In der Zwischenzeit treten andere Zentralbanken auf der Stelle. Die Bank von Japan hielt ihren Leitzinssatz unverändert bei minus 0,1 Prozent und ihren Ausblick für die langfristigen Zinssätze bei 0. Sie lässt das Programm zum Ankauf von Wertpapieren weiterlaufen. Die Bank of Canada beließ ihren Leitzins unverändert bei 1,75 Prozent, senkte jedoch ihre Konjunkturprognose und neigt jetzt eher einer Zinssenkung zu.
Auch die chinesische Zentralbank beließ ihren Leitzins, den Zinssatz für erstklassige Kredite mit einem Jahr Laufzeit, auf 4,15 Prozent, trotz der Hoffnungen auf eine Zinssenkung um das Wachstum anzukurbeln. Der Zinssatz für fünfjährige Kredite blieb ebenfalls unverändert bei 4,8 Prozent.
Inflation ist die Hauptsorge der Zentralbanken. Auch wenn die Fed sehnsüchtig von ihrem Glauben redet, dass sich die Inflation ihrem symmetrischen 2-Prozent-Ziel annähern wird, dürfte sich die EZB im Rahmen der strategischen Überprüfung auf ihr Ziel von unter 2 Prozent konzentrieren. Sollten die Änderungen erwartungsgemäß ausfallen, kann dies nur bedeuten, dass ein Zinssatz von 2 Prozent akzeptiert wird, wodurch etwas mehr Spielraum für eine lockere Geldpolitik besteht.
Aber da es im EZB-Rat eine ziemlich große Gruppe gibt, die der harten Linie der Bundesbank folgt, könnte es schwierig sein, einen Konsens oder Kompromiss zu finden. Lagarde warnte letzte Woche, dass der Rat bei aller Bereitschaft, auf alternative Ansichten zu hören, letztendlich eine Entscheidung treffen müsse. In Ermangelung eines Konsenses wird dieser Beschluss mit einer Mehrheitsentscheidung fallen.
Nachhaltige Investments: Neue Reibereien in der EZB
Das Beharren von Lagarde zum Beispiel darauf, umweltfreundliche Investitionen in die Zentralbankgleichung einzubeziehen, wird sicherlich zu Reibungspunkten führen, da die Puristen des Rates der Ansicht sind, dass der Klimawandel im Zuständigkeitsbereich der Politiker und nicht der Zentralbanker liegt.
Sie kämpfen weltweit gegen die zunehmende Tendenz, dass die Zentralbanken die Verantwortung für das, was viele für eine existenzielle Herausforderung für die Menschheit halten, nicht ablegen können. Es gibt ein Netzwerk zur Ökologisierung des Finanzsystems, die sowohl die deutsche Zentralbank als auch die Finanzaufsicht mit ihren 54 Mitgliedern zählt, das für ein nachhaltiges Finanzsystem wirbt.
Lagarde gab in der vergangenen Woche bekannt, dass die Zentralbank den Anteil umweltfreundlicher Investitionen an ihren Eigenmitteln in Höhe von 20 Milliarden Euro erhöhen und prüfen will, ob sie die 200 Milliarden Euro für Unternehmensanleihen in ihrem Programm zum Ankauf von Wertpapieren stärker für umweltfreundliche Investitionen einsetzen kann. Das ist ein relativ kleiner Teil des Gesamtportfolios von mehr als 2 Billionen Euro. Analysten neigen dazu, die gesamte Debatte als Ablenkung zu betrachten.
Das Problem ist, dass das gesamte Wertpapierkaufprogramm unter den Notenbankern umstritten ist. Die Zentralbanken konnten bislang nicht demonstrieren, dass der Kauf von Anleihen oder die Leitzinssenkungen das Inflationsniveau in der Nähe ihrer Ziele in irgendeiner Weise ansteigen lassen.
Viele folgen mittlerweile der Meinung des früheren US-Finanzministers Larry Summers, dass wir uns in einer Langzeitstagnation befinden und sehen ein geringeres Wachstum als die neue Normalität an, da die Zentralbanken bei Zinssätzen nahe null ins Abseits rücken.
Präsident Donald Trump ist ein Exponent der Gegenseite. Er nutzte das Weltwirtschaftsforum in Davos, um mit dem für ihn typischen Enthusiasmus die US-Wirtschaft zu rühmen und beschrieb diese in einem Wirtschaftsboom, „wie ihn die Welt noch nie gesehen hat“.
Trump, der sich keine Sorgen um die Inflation macht, sondern sich auf das Wachstum konzentriert, glaubt nach wie vor fest an geldpolitische Impulse. Er sagte, dass das Wachstum in den USA noch höher ausfallen würde, wenn es nicht die Spätfolgen der unzeitgemäßen Zinserhöhungen der Fed in 2018 gäbe.