Die anziehende Konjunktur, steigende Inflationsraten und ein fallender Wechselkurs ziehen die Frage nach sich, ob die SNB jetzt nicht auch ihre Bilanzsumme reduzieren könne. Unserer Einschätzung nach ist das kaum möglich solange die Nationalbank den Wechselkurs für hoch bewertet hält und ihre Interventionsbereitschaft als glaubwürdiges geldpolitisches Instrument behalten möchte.
Auf inzwischen 843 Mrd. Schweizer Franken ist die Bilanz der Schweizerischen Nationalbank zum Jahresende 2017 angestiegen. Das sind rund 125 % des BIP. Manchen wird bei solchen Summen unwohl, da Wechselkursschwankungen oder fallende Aktienkurse sehr schnell dazu führen können, dass die SNB Bewertungsverluste in Milliardenhöhe ausweisen muss. Zudem stellt sich die Frage, ob eine derart grosse Bilanz überhaupt noch benötigt wird. Schliesslich wurde die Bilanz durch Devisenmarktinterventionen aufgebläht als der Franken extrem stark, die Konjunktur schwach und die Inflation negativ waren. Diese Bedingungen haben sich inzwischen komplett gedreht. Der Franken hat in den letzten drei Jahren gegenüber allen wichtigen Währungen mit Ausnahme des Britischen Pfundes abgewertet, die Konjunktur boomt und die Inflationsraten steigen unter anderem dank der Wechselkursabwertung deutlich an und werden schon bald wieder über 1% und damit langjährigen Mittelwerten liegen. Ist es also an der Zeit die Bilanz wieder zu reduzieren? Die Fed hat es bereits schon vorgemacht und reduziert ihre Bilanz nach einem festgelegten Plan. Eine Blaupause für die SNB und sogar eine Möglichkeit enorme Gewinne auf das immense Aktienportfolio und die hohen Devisenreserven zu realisieren?
Aus Portfoliomanagementsicht scheint die Realisierung von deutlichen Kursgewinnen bei gleichzeitiger Risikoreduzierung der Anlagen so kurz nach Jahresbeginn verlockend. Stünde doch so ein einträglicher und ruhiger Jahresverlauf bevor. Die SNB ist aber kein Hedge Fund. Sie tätigt ihre Anlagen nicht aus einem Gewinnmotiv heraus – selbst wenn ihr Wertzuwächse nicht weh tun. Auch kann die SNB ihre Bilanz nicht ganz so geräuschlos reduzieren wie die amerikanische Notenbank. Die Fed tut dies, indem sie auslaufende US-Staatsanleihen nicht durch neue Käufe ersetzt. Ihre Geldbasis sinkt dann ohne Auswirkungen auf den Wechselkurs. Die Anlagen der SNB dagegen bestehen zu 5% aus Gold und zu 94% aus ausländischen Wertpapieren. Davon wiederum sind 21% in Aktien investiert.
Würde die SNB, die von ihr gehaltenen Anleihen auslaufen lassen oder Aktien verkaufen um die Bilanz zu reduzieren, hätte sie zunächst Euro oder US-Dollar Fremdwährung, diese muss sie dann in Schweizer Franken zurücktauschen. Ohne Auswirkungen auf den Wechselkurs ist dies nicht möglich. Und damit geriete eine Bilanzreduktion in einen Konflikt mit der aktuellen Geldpolitik. Wie könnte die SNB glaubhaft machen, dass sie den Franken weiter für hochbewertet hält, wenn sie ihn selbst zurückkauft? Auch die Interventionsbereitschaft würde als geldpolitisches Instrument wegfallen. Denn sobald es sich herausstellte oder sogar signalisiert würde, dass die SNB eine Bilanzsumme von beispielsweise 850 Mrd. CHF nicht überschreiten möchte oder sogar zurückfahren möchte, wäre ebenfalls klar, dass sie nicht zu unbeschränkten Interventionen bereit ist. Ähnliches gilt, wenn die SNB beispielsweise bei einem Wechselkurs von 1.18 CHF/EUR Devisen verkauft. Sie könnte dann kaum bei einem Kurs von 1.10 CHF/EUR wieder gegen den Franken intervenieren, falls sie das für richtig hielte. Erneut, die SNB ist kein Hedge Fund. Interventionen für und gegen den Franken machen nur Sinn, wenn deutliche Fehlbewertungen vorliegen, die entweder zu zu niedriger oder zu hoher Inflation zu führen drohen. Das heisst auch, dass eine Bilanzrück führung erst dann zu erwarten ist, wenn eine zu starke inländische Inflation eine Verringerung der Geldmenge nahe legen würde oder wenn ein zu schwacher Franken zu einer unerwünscht hohen importierten Inflation führt. Absehbar ist beides so schnell nicht.
Entwickeln sich Wechselkurse und Inflationsraten eher in ruhigen Bahnen, dann dürfte wohl wieder die Zinspolitik das Hauptinstrument einer geldpolitischen Straffung werden. Einfach lässt sich auch dies nicht bedienen. Schliesslich sind die Zinsdifferenzen zum Euroraum sehr gering. Eine Zinsanhebung in der Schweiz könnte leicht die geringen Zinsunterschiede komplett nivellieren. Sollte die wirtschaftliche oder Lage in Europa oder global wieder etwas rauer werden und sichere Häfen wie der Schweizer Franken gesucht werden, dann würde kein Renditenachteil starke Kapitalzuflüsse in den Franken aufhalten. Die Konsequenz wäre dann eine erneute Bilanzausweitung. Selbst wenn die Inflation in der Schweiz in den nächsten Quartalen stärker ansteigen sollte als in der Währungsunion, spricht einiges dafür, dass die SNB ihre Zinsen nicht leichtfertig vor der EZB erhöht. Im 2. Quartal 2019 dürfte es bei der EZB so weit sein und im 2. Halbjahr 2019 daher dann bei der SNB, vorausgesetzt Konjunktur und Inflation entwickeln sich so erfreulich weiter wie bislang.
Wer nun dennoch der Meinung ist, die SNB müsse ihre Bilanz schneller reduzieren, kann ihr dabei etwas nachhelfen: Einfach nicht benötigte Franken verkaufen, würde den Prozess etwas beschleunigen.