An den Märkten fielen zuletzt die Kurse für sichere Häfen wie Anleihen und Edelmetalle. Dies spricht für die steigende Risikobereitschaft oder anders herum, für die steigende Sorglosigkeit der Anleger. Auch, weil gleichzeitig der DAX wieder zulegte. Er stieg sechs Tage in Folge. Dabei legte er von seinem Tief von Ende August bei 11.868,84 Punkten aus um fast 700 Zähler (5,8%) innerhalb von zwei Wochen zu. Unterstützt wurde diese Aufwärtsbewegung auch durch die US-Indizes. Der S&P 500 und Nasdaq100 erreichten inzwischen neue Allzeithochs. Gleichzeitig fallen die Volatilitätsindizes zurück auf ihre historischen Tiefstwerte. Sorgen gibt es an der Börse derzeit scheinbar keine.
DAX kämpft sich zurück
Dass dies nicht ganz ungefährlich ist, konnten Sie in der Börse-Intern vom vergangenen Montag nachlesen. Dort war zu lesen, dass die Märkte „eingelullt“ sind. Denn die Rally der vergangenen Jahre hat gelehrt: „Wer verkauft, ist dumm, denn der Markt steigt sowieso wieder.“ Bestätigung dieser These liefern eben auch die gestiegenen Aktienkurse in den vergangenen Wochen. Zwar verlor der DAX von seinem Hoch bei 12.951,54 Punkten exakt 1.082,70 Punkte (-8,36%). Durch die aktuelle Gegenbewegung konnte er aber bereits wieder um 5,8% zulegen. Der Kursrückgang ist somit wieder zu zwei Drittel aufgeholt. Deutlich geringer fielen die Verluste der US-Anleger aus. Größere Korrekturen scheinen nur noch ein Phänomen der Vergangenheit zu sein.
Größere Korrekturen schon in Vergessenheit geraten
Passenderweise haben wir zu diesem Thema eine E-Mail von einem Leser erhalten. In dieser hinterfragte er kritisch das hier geschilderte Szenario einer möglichen ABC-Korrektur im DAX (siehe DAX: Ende der Korrektur oder nur Ende der Welle A?) und schrieb: „Hallo Herr Weisenhaus, weitere tausend Punkte wären natürlich sehr viel angesichts bester Wirtschaftslage und null Zinsen. Wäre es denn auch denkbar, dass es nur zu einem erneuten Rückgang auf ca. 11.850 kommt mit anschließender endgültiger Erholung, also einer Art W-Formation?“ Aber wie viel ist eine Korrektur um 1.000 Punkte wirklich? Dazu einige Zahlen:
So könnte eine Abwärtsbewegung aussehen
Wie ich oben bereits beschrieben habe, verlor der DAX im Rahmen des ersten Abwärtstrends (Welle A) vom Hoch bis zum Tief 1.082,70 Punkte (siehe linkes Rechteck im folgenden Chart). Die aktuelle Gegenbewegung konnte den Kurs bislang 12.558,05 Punkte zurückbringen. Würde eine zweite Abwärtswelle genau dort beginnen und dieselbe Länge wie die Welle A haben, dann könnte der DAX im Zuge einer Welle C bis auf 11.475,33 Punkte (rechtes Rechteck, 12.558,03 - 1.082,70). abstürzen.
Das Ergebnis wäre ein Verlust von 1.476,21 Zähler bzw. 8,86 % von seinem Hoch bei 12.951,54 Punkten aus. Dies würde sich vom Ausmaß her, nicht sehr stark von der Welle A (-8,36%) unterscheiden.
Dabei muss ich aber zugeben, dass mir der Leser bereits schrieb, als sich die Gegenbewegung im DAX noch bei 12.363,60 Punkten befand. Doch selbst, wenn man dieses Niveau als Ausgangspunkt nimmt, von der man die zweite Abwärtswelle C berechnet (siehe folgender Chart). Es würde sich „nur“ eine Korrektur von knapp 13 % auf 11.280,90 Zähler ergeben. Dies liegt immer noch im Rahmen einer völlig normalen charttechnischen Korrektur und es wären dann auch nur 4,6 Prozentpunkte mehr, als der DAX zuvor schon korrigiert hat.
Wirft man einen Blick auf die Aufwärtsbewegung, die Anfang 2016 bei 8.699,29 Punkten startete, sieht man, dass der DAX bei weiteren Kursverlusten bis auf 11.327,18 Punkte das 38,20 % Fibonacci-Retracement (blaue Linie im Chart) treffen würde. Damit lege das Mindestkorrekturkursziel dieser Aufwärtsbewegung nahe des Kursziels der vom Leser genannten Welle C.
Charttechnisch völlig normal
Dies soll nun nicht als sichere Prognose gewertet werden. Aber es lohnt sich vor Augen zu führen, was durchaus im Rahmen des „gut Möglichen“ liegt. Die aktuell gute Wirtschaftslage und das Niedrigszinsniveau sprechen aber natürlich eher für steigende Kurse. Aber auch eine stärkere Korrektur würde das grundsätzlich bullishe Chartbild des DAX nicht in Gefahr bringen. Schließlich sind Korrekturen von 8,86 % oder fast 13 % charttechnisch völlig normal.
Es schrillen die Alarmglocken
Ein erneuter 1.000-Punkte-Kursrutsch bleibt also auch realistisch. Dass es momentan schwer ist, sich solche Korrekturausmaße vorzustellen ist aber nicht verwunderlich. Auch ich tue mich bei derartigen Kurszielen schwer. Das hängt natürlich mit den letzten anderthalb Jahren zusammen, in denen es keine größeren Rücksetzer gegeben hat. Aber gerade das mach die Situation so gefährlich. Wenn selbst ich mir schon kaum vorstellen kann, dass es noch zu so einem Rücksetzer kommt, schrillen bei mir eben die Alarmglocken.
Um zum Schluss nochmal auf die Frage des Lesers nach einer W-Formation zurück zu kommen: Eine Art W-Formation wäre möglich, aber wenig wahrscheinlich. Richtige W-Formationen bilden sich typischerweise am Ende längerer Abwärtsbewegungen..
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus