(DailyFX.de) Wer in der vergangenen Woche die Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank verfolgt hat, der könnte meinen, die Geduld von Präsident Mario Draghi neige sich dem Ende zu und seinen Worten würden langsam Taten folgen. Seine Rede bot viele Hinweise, dass sich unter den Ratsmitgliedern ein Konsens eines expansiveren Kurses der Notenbank bildet. Der Rat hat für die Anwendung unkonventioneller geldpolitischer Lockerungsmaßnahmen gestimmt, auch wenn der Chef selbst anmerkte, dass noch nicht alle konventionellen Maßnahmen erschöpft seien. Doch negative Zinssätze und der Ankauf von Wertpapieren (QE) durch die Notenbank wurden zumindest heiß diskutiert. Der Euro allerdings reagierte auf diese Ankündigungen nur kurz mit Kursabschlägen, kehrte schnell wieder zur Tagesordnung, heißt seiner Stabilität der vergangenen Monate zurück und notiert aktuell schon wieder bei 1,38 gegenüber dem US-Dollar. Und es spricht vieles dafür, dass dieser Trend anhält, weil eben auch vieles dafür spricht, dass die europäische Geldpolitik das bleibt, was sie war - ruhig und abwartend.
Das Warten auf „deutliche oder besorgniserregende Abweichungen“
Laut Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ist erst nach „deutlichen oder besorgniserregenden“ Abweichungen von den Zielen der EZB die Notwendigkeit gegeben, das „Quantitative Easing“ einzusetzen. Wurde in der vergangenen Woche in den Medien noch über den theoretischen Ablauf einer solchen Maßnahme kräftig spekuliert, untermauert die formulierte Distanz des deutschen Vetreters zu unkonventionellen Mitteln die Worte seines Präsidenten. Was die Inflation in der Eurozone angeht, herrscht bei der EZB scheinbare Einigkeit darüber, dass diese niedrigen Teuerungsraten nur vorübergehender Natur sind. Auf lange Sicht ist man zuversichtlich, dass die Preise in der Eurozone wieder anziehen werden. Die europäische Konjunktur muss erst deutliche Zeichen von Schwäche zeigen, damit die „expansiven Drohungen“ der Notenbank den Euro unter Druck bringen können. Zwar gelten die größten Sorgen der EZB weiter der anhaltenden Stagnation in der Eurozone und einer weiterhin hohen Arbeitslosenquote. Sollten aber sowohl die Wachstumszahlen als auch die Preise wieder anziehen, ist die Fantasie für unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen schnell wieder verflogen. Da dies aktuell als das wahrscheinlichere Szenario zu betrachten ist, positionieren sich die Investoren weiterhin nicht gegen den Euro.
EZB konnte die Nachfrage nach dem Euro nur kurz dämpfen
Es war die US-Notenbank, der es gelang, die spekulative Euro-Nachfrage von Banken, Vermögensverwaltern und Fonds, die zuvor für sechs aufeinanderfolgende Wochen anstieg, zu drosseln. Seit dem Zinsausblick der Federal Reserve, der andeutete, dass bereits im zweiten Quartal 2015 an der Zinsschraube gedreht werden könnte, fiel die einseitige EUR/USD-Position dieser Gruppe innerhalb von zwei Wochen um rund 2,4 Mrd. US-Dollar (nahezu 20.000 Futures-Kontrakte). Doch mit dem anhaltenden Druck auf den US-Dollar und einer weiterhin zwar wortreichen aber dennoch tatenlosen EZB könnte das nur ein kurzfristiger Rückgang des Vertrauens in den EUR/USD gewesen sein.
Analyse geschrieben von Niall Delventhal, Marktanalyst von DailyFX.de