Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,1769 (06:03 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,1767 im fernöstlichen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 109.31. In der Folge notiert EUR-JPY bei 128.66. EUR-CHF oszilliert bei 1,0751.
Finanzmärkte reagieren verhalten auf die aktuellen Entwicklungen in der Geopolitik und in der Weltökonomie.
Was passiert jetzt in Afghanistan? Geopolitisch ist der Westen in der Region nicht mehr präsent. Es wird eine Beruhigung in der Region geben. Pragmatismus wird das Bild bestimmen. Ist das gut oder schlecht für internationale Finanzmärkte?
An den Aktienmärkten bestimmte gestern zunächst Risikoaversion das Geschehen. Ermäßigte Niveaus trafen auf Kaufinteresse. Auch heute früh dominiert leichte Risikoaversion. Kommt es wieder zu Kaufinteressen auf ermäßigten Niveaus?
Der USD zeigt gegenüber Hauptwährungen wenig Bewegung. Die edlen Metalle können sich leicht gegenüber dem USD befestigen.
An den Zinsmärkten herrscht weitgehend Ruhe. 10-jährige Bundesanleihen rentieren aktuell bei -0,49%, während US-Staatsanleihen mit 1,24% aufwarten. Das Thema Anlagenotstand wird sukzessive prominenter.
China Strukturpolitik
China will seine Haushalts- und Geldpolitik verstärkt auf die Stützung der Beschäftigung fokussieren. Die Neuverschuldung lokaler Regierungen soll zum Anschub für Investitionen genutzt werden. Ebenso soll die durch die Senkung der Mindestreserve-Anforderung freigesetzte Liquidität dazu dienen, kleinere Firmen zu unterstützen. Ein weiterer Fokus liegt auf Maßnahmen, die das Ziel verfolgen, dem Anstieg bedeutender Rohstoffpreise entgegenzuwirken. "Chapeau! - Pläne!"
Präsident Bidens Rede
In seiner Rede zur Rechtfertigung des US-Rückzugs aus Afghanistan sagte US-Präsident Biden, dass es nie das Ziel der USA war, einen Staat aufzubauen, sondern es sei solitär der Kampf gegen den Terrorismus gewesen. Das sei seit Jahren sein Standpunkt.
Kommentar: Dieses Statement setzt einen bemerkenswerten Bruch. Die gesamte US-Regime-Change Politik der letzten 20 Jahre losgelöst vom internationalen Regelwerk (u.a. UN-Charta), die den Westen und die Nato weitgehend unter dem Banner der so genannten "westlichen Werte" und der Demokratisierung der Welt (westliche Moral wird über internationales Recht gestellt, es gibt aber nicht nur die westliche Moral!) vereinnahmte, wird mit diesem Statement mindestens in Teilen demaskiert.
Biden argumentierte, das afghanische Militär hätte kaum Widerstand gegen die Taliban geleistet. US-Truppen könnten und sollten nicht in einem Krieg kämpfen und sterben, den die afghanischen Streitkräfte selbst nicht zu kämpfen bereit seien.
Kommentar: Diese Erkenntnis kommt sehr spät. Hier zeigt sich, dass man Kultur nicht "kaufen", "besetzen" oder "wegputschen" kann. Der Abgang des afghanischen Präsidenten mit einem Helikopter voller westlichen Geldes zeigt dessen "Solidarität" gegenüber seinen westlichen Gönnern, aber mehr noch gegenüber den westlichen Zahlungsmitteln.
Russland, China und der Iran werden als Anrainerstaaten keine Moralpolitik verfolgen, sondern aus Eigeninteresse pragmatische Politikansätze (konform mit UN-Charta) verfolgen. Das erkennt man an den Verhaltensmustern vor Ort.
So sagte Russlands Botschafter vor dem Sicherheitsrat, dass es sinnlos sei, in Panik zu verfallen. Ein größeres Blutbad unter der Zivilbevölkerung sei vermieden worden. Moskau werde unabhängig von der Lage mit den Taliban interagieren. Nach Darstellung des russischen Außenministeriums stabilisiere sich die Lage. Man habe Kontakt zu Vertretern der neuen Behörden aufgenommen, um die Sicherheit der russischen Botschaft in der Hauptstadt zu gewährleisten. Man flieht nicht.
China ist einen Schritt weiter. Der Außenminister Chinas traf sich bereits vor einigen Wochen mit den Taliban (erste Kontakte 2019). Offensichtlich wurde die Lage seitens Pekings realistischer als in westlichen Metropolen eingeschätzt. Chinas Position ist verständlich, man will eine Befriedung Afghanistans, da das latente Chaos religiösen Extremismus und Terrorismus an der Grenze Chinas begünstigt (Uiguren).
Die Taliban äußerten bereits, dass sie hofften, dass China eine größere wirtschaftliche Rolle in Afghanistan spielen würde (auch Seidenstraße). China hat fraglos auch Interesse an der Erschließung der üppigen Rohstoffreserven Afghanistans.
Fazit: Für den Westen ist die Messe in Afghanistan weitgehend gelesen. Pragmatisch orientierte Länder werden dort mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig eine bedeutende Rolle spielen. Geopolitisch hat der Westen in der Region verloren. Hat die EU die Fähigkeit, eine eigenständige Rolle im Geist des Pragmatismus zu finden?
Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden
Die Erholung im Jahr 2020 nach dem ersten global verfügten Lockdown (Basiseffekte) und Relativitätsgrundsätze bei Stimmungsindikatoren werden in den kommenden Monaten dafür sorgen, dass die hohen Wachstumszahlen als auch hohe Indexstände bei Stimmungsindikatoren keinen Bestand haben können.
Eurozone: Reserven legen zu
Die Devisenreserven stellten sich per Berichtsmonat Juli auf 888,49 Mrd. EUR nach zuvor 869,05 Mrd. EUR.
USA: Index enttäuscht Erwartungen
Der New York Fed Manufacturing Index sank per Berichtsmonat August unerwartet stark von zuvor 43,00 auf 18,30 Punkte (Prognose 29,00).
Japan: Dienstleistungssektor legt zu
Der Index, der die Aktivität des tertiären Sektors (Dienstleistungen) spiegelt, legte per Juni um 5,8% nach zuvor -4,2% (revidiert von -4,0%) zu.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.1900 - 1.1930 negiert den positiven Bias des USD.
Viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Solvecon Invest GmbH
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