- Ende 2021, Anfang 2022: Wilde Entnahmesaison
- Der US-Erdgasmarkt im Wandel
- Mit geringen Reserven geht es in die Einspeisesaison
- Europa ist entscheidend für den US-Erdgasmarkt
- Massive Volatilität - Mit UNG auf Erdgas setzen
Erdgas wird seit 1990 an den Terminmärkten gehandelt. In den vergangenen 32 Jahren wurde der Preis zwischen 1,02 Dollar und 15,65 Dollar pro MMBtu gehandelt. Das letzte Mal, dass der Energierohstoff über der Marke von 10 Dollar notierte, war im Jahr 2008. Danach setzte eine dramatische Talfahrt ein, in deren Verlauf der Preis ein Dutzend Jahre lang immer niedrigere Höchst- und Tiefststände erreichte, bis er schließlich im Juni 2020 mit 1,432 Dollar pro MMBtu seinen Tiefpunkt erreichte.
Der Erdgasmarkt gestaltet sich 2022 ganz anders als noch zu den Anfangszeiten 1990, und das Kräfteverhältnis von Angebot und Nachfrage hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Der NYMEX-Terminmarkt ermöglicht ein direktes Engagement in US-Erdgas. Bei dem United States Natural Gas Fund (NYSE:UNG) handelt es sich um einen liquiden börsengehandelten Fonds, der sich mit dem Preis des Energierohstoffs nach oben oder unten bewegt.
Das Tief vom Juni 2020 markierte den niedrigsten Preis für den Energierohstoff seit 25 Jahren und bildete zugleich die Talsohle für Erdgas-Futures. Seitdem ist der Markt aus seiner zwölfjährigen Baisse ausgebrochen, erreichte 2021 höhere Tief- und Höchststände und erlebte 2022 eine extreme Preisvolatilität.
Ende 2021, Anfang 2022: Wilde Entnahmesaison
Der Markt für Erdgas-Futures drehte nach einem Tiefstand von 1,432 Dollar je MMBtu im Juni 2020 gen Norden.
Quelle: CQG
Dem Wochenchart nach zu urteilen bewegte sich Erdgas im August 2020 über die Marke von 2 Dollar je MMBtu, überschritt im Oktober 2020 die 3-Dollar-Marke und kletterte im Juli 2021 auf über 4 Dollar. Im September 2021 schoss der Preis dann auf über 5 Dollar, bevor er im Oktober 2021 mit 6,466 Dollar pro MMBtu den höchsten Preis seit Februar 2014 erreichte.
Im Januar 2022 verteuerten sich die nächstgelegenen Erdgas-Futures bis auf 7,346 Dollar und damit auf den höchsten Preis seit Ende 2008. Mit knapp über 4,55 Dollar je MMBtu am 9. März kostete Erdgas zum Ende der jährlichen Entnahmesaison - also zu dem Zeitpunkt, zu dem der Energierohstoff wieder langsam in die Speicher fließt - so viel wie seit Jahren nicht mehr.
Das hohe Preisniveau zu Beginn der Off-Season erklärt sich dadurch, dass sich der US-Erdgasmarkt verändert hat.
Der US-Erdgasmarkt im Wandel
Die Entdeckung riesiger Erdgasvorkommen in den US-Regionen Marcellus und Utica Shale setzte den Preis für den Energierohstoff unter Druck. Gesunkene Produktionskosten dank der kostengünstigeren Fracking-Methode zur Förderung des Gases aus der Erdkruste verstärkten den Druck auf den Preis. Die NYMEX-Erdgasfutures markierten von 2008 bis Juni 2020 stets niedrigere Höchst- und Tiefststände.
Not macht erfinderisch, und so ermöglichten technologische Fortschritte bei der Verarbeitung von Gas in flüssige Form einen wachsenden Exportmarkt. Der adressierbare Markt für US-Erdgas wuchs weit über das Pipelinenetz hinaus. Denn Hochseetanker transportieren das Gas mittlerweile in Regionen, in denen die Preise wesentlich höher sind als in den USA.
Gleichzeitig fördert die Änderung der US-Energiepolitik Anfang 2021 alternative und erneuerbare Kraftstoffe und hemmt die Gas- und Ölförderung. Während die Nachfrage nach Flüssiggas in den USA stetig gestiegen ist, konnte das Angebot nicht Schritt halten. Cheniere Energy (NYSE:LNG), ein führender US-Verarbeiter und -Lieferant, hat LNG auf Jahre hinaus an asiatische Länder verkauft. Ohne neue Verarbeitungsraffinerien und Terminals gibt es bis in die 2040er Jahre hinein nur wenig oder gar kein LNG für den Export. Der Bedarf in Europa explodierte. Und als Russland mit einem Einmarsch in die Ukraine drohte, schnellten die europäischen Erdgaspreise in die Höhe, weil Europa so enorm von russischen Gaslieferungen abhängig ist. Die Invasion in der Ukraine am 24. Februar hat die Erdgaspreise nur noch weiter in die Höhe getrieben. Sanktionen gegen russisches Erdöl und Erdgas oder Vergeltungsmaßnahmen in Form von Exportverboten könnten die europäischen Preise in den kommenden Wochen und Monaten noch weiter in die Höhe treiben.
Im Grunde genommen haben sich die US-Erdgas-Futures von einem reinen Inlandsmarkt zu einem internationalen Markt gewandelt. Die Preise in den USA und im Welthandel weisen Auf- oder Abschläge gegenüber dem Henry-Hub-Preis auf. Allerdings reagiert der Hub in Erath, Louisiana, heute viel empfindlicher auf die globale Angebots- und Nachfragedynamik als in der Vergangenheit.
Mit geringen Reserven geht es in die Einspeisesaison
Bei Erdgas geht es nun auf die Injektionssaison 2022 zu, die in den kommenden Wochen beginnen wird.
Quelle: EIA
Aus der Grafik geht hervor, dass die US-Lagerbestände Ende Februar, d. h. fast einen Monat bevor die Einspeisungen beginnen, die Lagerbestände nach oben zu treiben, 11,6 % unter dem Vorjahresniveau und 13,4 % unter dem Fünfjahresdurchschnitt lagen. In den Jahren 2020 und 2021 sanken die Erdgasvorräte auf 1,986 bzw. 1,750 Billionen Kubikfuß. Mit einem Stand von 1,643 tcf am 25. Februar liegen die Vorräte bereits 107 bcf unter dem Tiefstand von 2021 und werden in den kommenden Wochen weiter sinken.
Die Lagerbestände sind zu Beginn der Injektionssaison niedrig, und die globale Nachfrage ist weiterhin hoch. Sollte Europa nun seinerseits von Russland auf die USA ausweichen, könnten die Bestände auf ein defizitäres Niveau sinken, sofern die US-Regierung keine Produktionssteigerung zulässt.
Europa ist entscheidend für den US-Erdgasmarkt
Mit seinem Einmarsch in die Ukraine hat Wladimir Putin den ersten großen Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen. Die Folgen sind geradezu tragisch: Die russischen Truppen hinterlassen Tod und Zerstörung und Millionen von Flüchtlingen strömen in die Grenzländer und in andere Teile der Welt. Russland ist zu einem internationalen Paria geworden, und die USA, Europa und andere Verbündete haben gegen russische Banken, Exporte und Einzelpersonen drakonische Sanktionen verhängt. Darauf reagiert Russland wiederum mit Sanktionen, Exportverboten und anderen Maßnahmen.
Deutschland und Europa sind auf russisches Erdgas zur Wärme- und Stromversorgung angewiesen. Ein Rückgang oder eine Kürzung der Lieferungen würde die Preise noch weiter nach oben bringen und könnte in den kommenden Wochen und Monaten zu einer ernsthaften Krise führen. Im Falle eines Versorgungsengpasses wird sich Europa an die USA wenden, deren Erdgasvorkommen in den Marcellus- und Utica-Schiefergesteinen mehrere Billionen Kubikfuß betragen. Allerdings muss die Biden-Regierung drastisch von ihrer derzeitigen grünen Agenda abweichen, um auch nur einen Teil des europäischen Bedarfs zu decken.
Massive Volatilität - Mit UNG auf Erdgas setzen
Mit einem Anstieg auf über 6,40 Dollar im vergangenen Jahr und über 7,30 Dollar je MMBtu im Januar 2022 hat Erdgas 2021 einen 12-jährigen Bärenmarkt hinter sich gelassen. Mit 4,90 Dollar für den April-Terminkontrakt an der NYMEX im März 2022 ist der Preis zudem so hoch wie seit 14 Jahren nicht mehr zu dieser Jahreszeit. Ich gehe davon aus, dass die sich verändernde Dynamik auf dem Erdgasmarkt dazu führen wird, dass der Energierohstoff in den kommenden Jahren weiterhin höhere Tiefststände und höhere Höchststände aufweisen wird.
Der direkteste und liquideste Weg für eine Risikoposition auf dem US-Erdgasmarkt führt über die Futures und Futures-Optionen, die an der NYMEX-Sparte der CME gehandelt werden. Für diejenigen, die am volatilen Erdgasmarkt partizipieren möchten, ohne sich in die Arena der gehebelten Futures zu wagen, bietet der UNG ETF eine Alternative.
Beim Stand von 16,04 Dollar am 9. März verfügte der UNG über ein verwaltetes Vermögen von 320,147 Millionen Dollar. Der börsengehandelte Fonds wird täglich mit durchschnittlich über 8,8 Millionen Anteilen gehandelt und erhebt eine Verwaltungsgebühr von 1,35 %. Die Erdgas-Futures zur April-Lieferung stiegen von 3,867 Dollar am 10. Februar auf einen Höchststand von 5,184 Dollar pro MMBtu am 7. März, ein Anstieg von 34 %.
Quelle: Barchart
Im gleichen Zeitraum legte der UNG ETF von 13,57 Dollar auf 17,76 Dollar pro Anteil zu, was einem Anstieg von 30,9 % entspricht. Während Erdgas-Futures unter der Woche rund um die Uhr gehandelt werden, wird der UNG ETF nur dann gehandelt, wenn der US-Aktienmarkt geöffnet ist, wodurch Blackout-Perioden entstehen, in denen die Futures Höchst- oder Tiefststände erreichen, wenn der Aktienmarkt geschlossen ist.
In den kommenden Wochen beginnt auf dem Erdgasmarkt die Einspeisezeit in den USA, in der die Preise in der Regel sinken, weil die Nachfrage zurückgeht. Der Frühling 2022 gestaltet sich jedoch für die Märkte aller Anlageklassen alles andere gewöhnlich, und Erdgas bildet da keine Ausnahme. Der US-Erdgasmarkt hat sich verändert, und die Preismuster werden wahrscheinlich diese neue Dynamik widerspiegeln.