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Keine zahnmedizinischen Leistungen mehr und ein jährlicher Selbstbehalt von 1.800 EUR: Das sind nur zwei Maßnahmen, die eine aktuelle Studie zur Sanierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vorschlägt.
Die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung wurden bereits erhöht - dennoch bedeuten monatliche Zuzahlungen von durchschnittlich 2.500 EUR für viele Betroffene den Gang zum Sozialamt. Im kommenden Jahr könnten bereits höhere Beiträge in der GKV drohen.
Professor Bernd Raffelhüschen von der Stiftung Marktwirtschaft warnt deshalb anlässlich des Berichts „Generationenbilanz 2023“: „Unsere Berechnungen zeigen, dass wir die Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung nicht aufrechterhalten können, ohne die Beitragszahler zu überfordern“.
Selbstbehalt von 1.800 EUR und Streichung der Zahnmedizin
Zusammen mit seinem Forscherteam hat Raffelhüschen auch schon ein Reformprogramm entwickelt. In der GKV sieht dieses einen absoluten jährlichen Selbstbehalt für ambulante Leistungen und Arzneimittel in Höhe von 1.800 EUR und die Ausgliederung aller zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen vor. Außerdem soll der Kostendruck im stationären Sektor durch „wettbewerbliche und ordnungspolitische Regeln“ reduziert werden.
In der Pflegeversicherung soll ein Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt werden, „der die Dynamisierung der Leistungen unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Pflegebedürftigen zu Beitragszahlern steuert“. Konkret: „Erhöht sich dieses Verhältnis im Zuge des demografischen Wandels, würden die Leistungen der Pflege langsamer als die allgemeine Produktivität wachsen.“
Die Gesamtausgaben der GKV (abzugrenzen von den reinen Leistungsausgaben) beliefen sich 2021 auf 285 Mrd. EUR. 2011 waren es noch 180 Mrd. EUR. Der Anteil der reinen Leistungsausgaben (ohne Verwaltungskosten) am BIP lag im vergangenen Jahr bei 7,10 %.
IKK-Chef: System schon jetzt an seinen Grenzen
Aufgrund der demographischen Entwicklung werden weitere Kostensteigerungen befürchtet. Ralf Hermes (EPA:HRMS), der Chef der gesetzlichen IKK-Innovationskasse mit rund 300.000 Versicherten, äußerte bereits im Juni gegenüber Medien: „Die steigenden Gesundheitsausgaben bringen das System schon jetzt an seine Grenzen“. Auf lange Sicht sei bei den Ausgabensteigerungen „keine Trendumkehr“ in Sicht.
Neben Ausgabenkürzungen kommen weitere Maßnahmen zur Deckung der Kosten in Betracht: Etwa höhere Beiträge oder höhere Beitragsbemessungsgrenzen. Auch höhere staatliche Zuschüsse – und sei es verkappt über eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Medikamente und höhere Zahlungen für die Versicherungen von ALG-Empfängern – sind denkbar. Eine Kombination aus diesen Maßnahmen ist für die kommenden Jahre die wohl wahrscheinlichere Option als eine große Gesundheitsreform.
Größere GKV-Leistungskürzungen liegen schon länger zurück
Leistungskürzungen in der GKV wären keine Neuheit, wenngleich die letzten größeren Kürzungen schon eine Weile zurückliegen. So gab es nach einer Zusammenstellung der nach eigenen Angaben unabhängigen Finanzberatung Dr. Schlemann seit 1982 fast ein Dutzend Gesetze, die zu eingeschränkten Leistungen führten oder anderweitige Nachteile für Versicherte bedeuteten.
Beispiele für Leistungskürzungen in der Vergangenheit waren etwa höhere Eigenbeteiligungen im Krankenhaus, die Einführung der Praxisgebühr, höhere Zuzahlungen für Arzneimittel oder die Streichung der Erstattung ambulanter Fahrtkosten.
„Nachhaltigkeitslücke“ bei 17,3 Billionen EUR
Die „Stiftung Marktwirtschaft“ berechnet regelmäßig die sogenannte „Nachhaltigkeitslücke“. Diese misst die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte – und zwar nicht nur die explizite, sondern auch die implizite Verschuldung. Letztere „spiegelt die bereits erworbenen und bei Fortführung des Status quo noch entstehenden, aber durch das aktuelle Steuer- und Abgabenniveau nicht gedeckten Ansprüche heutiger und zukünftiger Generationen gegenüber dem Staat wider“, erläutert die Stiftung auf ihrer Homepage.
Die impliziten Staatsschulden belaufen sich auf 381,5 % des BIP. Zusammen mit den expliziten Staatsschulden (66,3 %) beläuft sich die Gesamtverschuldung der öffentlichen Hand auf 447,8 % des BIP bzw. 17,3 Billionen EUR.