2022 war für Gold als Anlageobjekt wenig zu holen. Die Stimmung ist abgekühlt und die Laune für Aktien weitaus besser. Ein klarer Fall von Vorsicht Falle.
Eine unbestreitbare Lehre der vergangenen Aktienmonate lautet, dass Anleger, die Trends hinterherliefen und dort einkauften, wo die Stimmung gerade ausgesprochen gut war, massiv Lehrgeld zahlen mussten. Denn wenn Stimmungen zu gut sind, ist die Party schon so gut wie vorbei. Gold dagegen liegt Ende 2022 stimmungsseitig am Boden. Gut für antizyklisch denkende Anleger.
2022 war kompliziert
Verantwortlich für die vergangene Performance ist vor allem der scharfe geldpolitische Wechsel bei den Notenbanken. Da Gold anders als Anleihen oder Aktien keine Zinsen beziehungsweise Dividenden abwirft, lösten die steigenden Opportunitätskosten einen anhaltenden Verkaufsdruck aus. Auch die kräftige Dollar-Aufwertung belastete den Preis. „Historisch betrachtet war die Entwicklung in diesem Jahr aber nicht ungewöhnlich. Gold leidet häufig in Zinserhöhungsphasen“, sagt Önder Çiftçi, CEO und Rohstoffexperte beim Edelmetallhändler Ophirum. Auf der anderen Seite eröffnet die maue Entwicklung der vergangenen Monate zugleich Chancen für Neueinsteiger.
Sinkende Inflation pusht Goldpreis
Denn die Vergangenheit zeigt, dass Gold wieder heller erstrahlte, wenn der Zinszyklus auslief. Voraussetzung dafür sind fallende Inflationsraten. Inzwischen verdichten sich die Anzeichen, dass der Zenit bereits hinter uns liegt. Die US-Teuerung erreichte im Juni mit 9,1 Prozent ihren Höhepunkt und liegt mit leicht fallender Tendenz leicht oberhalb von acht Prozent. Im Frühjahr wird vor allem der Basiseffekt kräftig durchschlagen, da es Anfang 2022 zu den höchsten Monat-zu-Vormonat-Inflationsanstiegen der vergangenen Jahrzehnte kam.
US-Dollar und Gold: Zwei Seiten einer Medaille
Als Gold nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs kräftig an Wert zulegte, zeigte sich, dass das Edelmetall offenbar noch immer als sicherer Hafen gilt. Kaum kommt eine Krise auf, deren Folgen schwer zu begreifen sind, gewinnt die staatlich unabhängige Reservewährung Gold für viele Anleger schlagartig an Bedeutung. Da parallel zu den Ereignissen in der Ukraine allerdings die US-Notenbank ihre Zinswende entschieden vorangetrieben hatte und mit gleich mehreren Zinsschritten um 75 Basispunkte am Markt für Furore sorgte, zogen die Renditen der US-Staatsanleihen an – und parallel dazu wertete der Greenback auf. Relativ dazu verlor das zinslose Gold an Attraktivität. Hinzu kommt, dass viele Gold-Käufer aus dem Nicht-Dollar-Rum Nachteile erleben, wenn sie ihre Währung erst gegen den starken Dollar tauschen müssen, um das Edelmetall zu kaufen.
Dollar verliert, Gold gewinnt an Attraktivität
Doch wie erklärt sich nun die Erholung des Goldpreises? Auch hier gibt es mehrere Gründe. Erstens mehren sich die Anzeichen, dass die US-Zinswende in den kommenden Quartalen mit weniger Verve verfolgt werden könnte – die Inflation geht zumindest leicht zurück. Das stärkt Währungen aus aller Welt gegenüber dem US-Dollar. „Der US-Dollar-Index, der die Wertentwicklung des Greenback gegenüber dem Euro, dem japanischen Yen, dem britischen Pfund, dem Schweizer Franken, dem kanadischen Dollar und der schwedischen Krone abbildet, kam zuletzt deutlich zurück. Damit wird es für Investoren aus dem Nicht-Dollar-Raum wieder günstiger, auf das in Dollar notierte Gold zu setzen“, so Experte Çiftçi.
So haben während der vergangenen Monate immer mehr Notenbanken auf das Edelmetall gesetzt. Wie das World Gold Council (WGC) meldet, griffen im dritten Quartal vor allem die Währungshüter aus der Türkei und Qatar bei Gold zu. Andere Notenbanken, wie etwa die aus China oder Russland, veröffentlichen ihre Aktivitäten traditionell nicht. Vor allem vor dem Hintergrund der steigenden geopolitischen Spannungen, der zunehmenden Regionalisierung der Industrie zur Schaffung von Redundanzen der Lieferketten und der latenten Gefahr, dass Dollar-Vorräte wie im Fall von Russland eingefroren werden, könnte Gold mittelfristig weiter im Aufwind bleiben.
Von kurzfristigen Effekten nicht verunsichern lassen
Ein Rückgang der Inflation in den Wohlfühlbereich der Währungshüter von maximal rund zwei Prozent ist mittelfristig durchaus möglich, die Teuerung dürfte spürbar nachlassen. Ähnliches gilt für Europa. Somit dürfte sich auch die Geldpolitik von EZB und Fed verändern, erklärt Ricardo Evangelista, Senior Analyst beim Broker ActivTrades: „Inflationsbekämpfung sollte bald weniger im Fokus stehen, vielmehr rückt die sich abzeichnende Konjunkturabkühlung mit drohender Rezession in den Mittelpunkt“. In einem solchen Umfeld sei eine straffe Geldpolitik nicht so einfach zu rechtfertigen.
Zinssenkungen bald ein Thema?
Bleiben größere Überraschungen aus, dürfte die Inflation erhöht bleiben und das schwächere Wachstum zugleich verstärkt Hoffnungen auf erste Zinssenkungen entfachen. „Aktuell wird am Terminmarkt ein letzter Schritt nach oben auf fünf bis 5,25 Prozent für die Fed-Sitzung im März 2023 eingepreist. Anfang November könnte die erste Anpassung nach unten auf 4,75 bis fünf Prozent erfolgen“, erklärt Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets die gegenwärtigen Erwartungen. Die Wahrscheinlichkeiten werden sich noch deutlich verschieben, zeigen aber zugleich, dass Zinssenkungen im nächsten Jahr ein großes Thema sind.