Der Goldmarkt verzeichnet eine der stärksten Rallyes der letzten Jahre. Beeindruckend ist insbesondere die Steilheit der Preisbewegungen, was immer neues spekulatives Kapital in das Gold lockt. Aber was steht hinter der Rallye?
Gold ist in der Hausse und viele Börsianer fragen sich, was die starke Rallye treibt. Und die Antwort ist nicht so simpel, wie es auf den ersten Blick den Anschein macht, da der Goldpreis aus verschiedenen Gründen steigen kann. Der Normalfall ist, dass Zinsveränderungen den Goldpreis auf mittlere und lange Sicht bewegen. Aber nicht irgendein Zins, sondern für Gold ist einzig und allein der Zins des Dollar von Interesse, da der Goldhandel weltweit in dieser Währung abgewickelt wird.
Doch warum wird ausgerechnet auf den Zins geschaut? Es gibt letztlich keine andere Konkurrenz für Gold, weil nur die Staatsanleihen höchster Bonität an das geringe Risiko von Gold herankommen. Verglichen wird auch nicht der Kurs der Staatsanleihen, sondern die am Markt gehandelte Rendite abzüglich der Inflation. Nicht der aktuellen, sondern der antizipierten Inflation. Heraus kommt der Realzins, der ins Verhältnis zum Gold gesetzt wird, um zu eruieren, welches Asset attraktiver ist. Dabei gilt die einfache Regel, dass Gold umso attraktiver wird, je weiter der Realzins sinkt und umgekehrt.
Gold muss sich mit dem Realzins messen
Nur die amerikanischen Staatsanleihen können es mit der hohen Sicherheit von Gold aufnehmen. Früher passte zwischen beide kein Blatt, aber inzwischen sind die Treasuries ganz klar hinter die Bonität von Gold zurückgefallen. Der Abstand bildete sich, nachdem die US-Regierung den Verschuldungsgrad seit der Finanzkrise deutlich steigen ließ, was letztlich auch zu dem vollständigen Verlust des AAA-Ratings führte. Da es aber keine bessere Alternative gibt, bleiben die Treasuries auch heute noch die gültige Benchmark, um die Attraktivität von Gold zu messen.
Schaut man zurück, dann steigt der Realzins inzwischen seit Ende 2021. Zum Beginn griff auch die oben beschriebene Regel. So fiel der Preis für Gold bis zum Jahresende 2022. Im Tief ging es bis unter 1.650 Dollar je Unze. Nachdem der amerikanische Realzins im 1. Halbjahr 2023 dann einen Rücksetzer erlebte, sprang der Goldpreis auf mehr als 2.000 Dollar je Unze. Bis dahin ist alles im Lot. Doch:
Die echte Überraschung bei der Rallye begann erst im März dieses Jahres. Der amerikanische Realzins hat sich in den vergangenen Monaten kaum verändert, aber dennoch brach der Goldpreis mit Beginn des März stark nach oben aus. Und erzielt seitdem Woche für Woche neue Rekorde. Das was steckt dahinter?
Gold als Portfolioabsicherung
Auf kurze Sicht betrachtet, gibt es noch einige andere Katalysatoren, die den Goldpreis stark prägen können. Der allerwichtigste betrifft das Spiel von Angebot und Nachfrage im Handel mit Gold. Üblicherweise ist der Goldmarkt sehr ausgeglichen, denn die Nachfrage ist vergleichsweise stetig und fängt in der Regel Angebotsüberhänge schnell auf.
Ausnahmesituationen sind beispielsweise Crash-Szenarien. Nimmt man den März 2020, dann brach der Goldpreis nach der 1. Woche stark ein und verlor innerhalb von sieben Tagen knapp -15 % an Wert. Doch schon wenige Tage später fanden Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht und noch vor Monatsende hatte das Gold den Löwenanteil der Verluste wieder ausgeglichen.
Aber was stand hinter dem scharfen Preiseinbruch? Dazu muss bedacht werden, dass Gold gerne als Absicherung für Portfolios benutzt wird. Denn in einem Crash müssen die institutionellen Anleger regelmäßig die Liquidität im Portfolio erhöhen, was durch den Verkauf von Gold am leichtesten geht, da das Asset immer liquide gehandelt werden kann. Diese Erlöse werden dann genutzt, um beispielsweise kurzfristige Verpflichtungen zu bedienen, die durch den Crash des Marktes entstanden sind oder um andere Wertpapiere am Boden preiswert aufzusammeln.
Spekulanten werden von steigenden Preisen angezogen
Insbesondere am Terminmarkt sind Spekulanten gerne gesehen. Denn sie erfüllen eine ausgesprochen wichtige Aufgabe. Grundsätzlich dient der Terminmarkt dazu, einen Preis auf Basis von Angebot und Nachfrage für zukünftige Risiken zu bilden. Traditionell besteht der Markt zum einen aus kommerziellen Teilnehmern und zum anderen aus Spekulanten bzw. Risikonehmern. Will ein Produzent beispielsweise aus dem Goldgeschäft seine zukünftige Produktion in einem halben Jahr verkaufen, dann muss er nicht darauf hoffen, dass der Preis in einem halben Jahr stimmt, sondern kann sich vom Terminmarkt ein Angebot für den zukünftigen Preis geben lassen. Und die Produktion für diesen zukünftigen Preis ganz oder teilweise verkaufen. Damit wälzt der Produzent das Preisänderungsrisiko auf den Spekulanten ab. Der wiederum verpflichtet sich, weil er eine Chance darin sieht, dass der zukünftige Preis für Gold über dem garantierten Preis liegen wird.
Der Mechanismus funktioniert natürlich auch ohne Deckung. Sowohl auf der Long- als auch auf der Shortseite. Die Rolle der Spekulanten hat insofern eine bedeutende Rolle, denn sie handeln am Ende Risiken, was die Produzenten bei Bedarf davon entbindet und sichert. Der Mechanismus sorgt unter dem Strich dafür, dass Kapitalmärkte schnell in neue Gleichgewichte zurückfinden.
Es gilt das alte Motto: Die Hausse nährt die Hausse
Den Privatanlegern kommt üblicherweise keine große Rolle bei der Preisbildung zu. Der absolute Anteil am Handelsvolumen ist zu klein, um über längere Phasen die Kurse von Gold in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Unter Einsatz von Optionen können aber auch Privatanleger ihren Einfluss nennenswert erhöhen, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Noch bedeutender wird der Effekt, wenn sich ganze Anlegergruppen wie bei den Meme-Stocks informell zusammenfinden, um gezielt bestimmte Titel zu bewegen. Das funktioniert für einen kurzen Zeitraum natürlich auch bei Gold, wenn die Gruppen nur groß genug werden.
Im Ergebnis: Welche Katalysatoren passen in das aktuelle Szenario?
1) Ist der Realzins stark gefallen? Das Gegenteil ist aktuell der Fall. Seit einigen Wochen ist das neue Szenario, dass eine längere Phase mit erhöhter Inflation auf die Börse zukommt, was die Renditen der US-Zinsstrukturkurve wieder in die Höhe getrieben hat.
2) Gibt es einen plötzlichen Nachfrageüberhang? Das kann man nicht ausschließen. Es gibt derzeit keinen konkreten Beleg dafür, aber der Goldhandel ist auf der anderen Seite auch chronisch intransparent. Ob es ein nennenswertes Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage gibt, werden wir daher erst im Nachhinein erfahren.
3) Verstärkte Goldkäufe als Portfolioabsicherung? Das ist sehr wahrscheinlich. Schaut man auf die Hausse am Aktienmarkt, die im Herbst begann, dann basierte diese im Wesentlichen auf der Erwartung von bis zu sieben Zinssenkungen im laufenden Jahr. Diese Erwartung hat sich inzwischen auf eine Zinssenkung reduziert, während die Bewertungen unverändert hoch sind.
4) Sind die Spekulanten verstärkt aktiv? Daran besteht kein Zweifel. Die täglichen Bewegungen des Goldpreises sind inzwischen weit jenseits der historischen Norm. Das signalisiert starke spekulative Käufe.
5) Ist Gold der neue Meme-Trade? Auch dieser Katalysator hat derzeit eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, denn die Popularität der Gold-Rallye ist unübersehbar.
Kurzum: Aktuell überwiegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Gold-Rallye im Wesentlichen von kurzfristig wirkenden Katalysatoren vorangetrieben wird. Daraus ergibt sich eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Preis von Gold weiter stark steigt, bis sich am Ende eine Fahnenstange bildet. Auf solche Übertreibungen folgt dann in der Regel eine steile Korrektur, denn alle prospektiven Käufer sind zu diesem Zeitpunkt dann bereits in der Rallye investiert. Und da der Kurs von Gold selbst bei konservativer Rechnung schon um mehr als 20 % in dieser Rallye gestiegen ist, sind wir nicht allzu weit von diesem Punkt entfernt.