Der DAX ist heute aus seiner kleinen Seitwärtsrange nach unten ausgebrochen.
Der Ausbruch zeichnete sich ab, da zuvor keine nur noch tiefere Hochs ausgebildet hatte und sich zudem die Abwärtstrendlinien beschleunigten.
Auslöser dieses Kursrücksetzers waren Nachrichten aus China. Der von HSBC und Markit ermittelte Einkaufsmanagerindex für China ist im Januar auf 49,6 Punkte und somit unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten gefallen. Hintergrund für diesen Rückgang soll die geringe Binnennachfrage in China gewesen sein.
Anleger zeigen sich insbesondere besorgt, da das Wachstum in China sinkt. So rechnen Analysten damit, dass das durchschnittliche Wachstum von zuletzt 7,7 Prozent in den kommenden Jahren nicht eingehalten werden kann. Von den zehn Prozent Wachstum, die China einst hatte, sind wir mittlerweile deutlich entfernt. Und so stellt sich die Frage: Kann China mit sinkendem Wachstum weiterhin ein wichtiger Motor für die Weltwirtschaft bleiben?
Ein kleines Zahlen-Problem
Um das zu beantworten müssen wir erst einmal ein kleines Denkproblem lösen, das mit prozentualen Wachstum zu tun hat. Tatsächlich sinkt ja nur die Wachstumsrate, diese bleibt aber immer noch deutlich positiv. Die Wirtschaft wächst also trotzdem weiter. Und das ist die Crux mit den Prozenten.
Dazu ein Beispiel: Wenn ein Aktie in einem Jahr von 100 Euro um 50 Prozent auf 150 Euro gestiegen ist, hat sie 50 Euro zugelegt. Steigt sie im nächsten Jahr nochmals um 50 Euro von zuvor 150 auf 200 Euro sind das aber „nur noch“ 33 % Wachstum. Um in diesem Jahr erneut ein Wachstum von 50 Prozent zu erzielen müsste sie also bereits um 75 Euro zulegen!
Will man also jedes Jahr ein vergleichbares prozentuales Wachstum erreichen, muss das reale Wachstum überproportional zulegen!
Eine Verdopplung alle sieben Jahre?
Eine realistische Betrachtung: Ein konstantes Wachstum von 10 % bedeutet, dass China seine Wirtschaftsleistung alle sieben bis acht Jahre verdoppeln würde. Selbst bei einem Wachstum von 7 Prozent käme es alle zehn Jahre zu einer Verdoppelung.
Falsche Erwartungen
Und das sind einfach vollkommen unrealistische Erwartungen. Bei einer Verdoppelung alle sieben Jahre, würde die chinesische Wirtschaft in 70 Jahren um das 1000fache wachsen! Selbst bei einer stark zunehmenden Geburtenrate in China wird es kaum genügend Konsumenten und Arbeitnehmer geben, die ein solches Wachstum überhaupt ermöglichen könnten.
Die Märkte müssen sich also selbst bei einem weiterhin soliden Wachstum in China einfach daran gewöhnen, dass diese extrem hohen prozentualen (!) Wachstumsraten langsam rückläufig werden – ohne dass es zu einer tatsächlichen, sprich realen, Wachstumsdelle kommt. Eine Rezession hingegen, und in diesem Fall wären Sorgen sicherlich begründet, ist bei sieben Prozent Wachstum noch weit entfernt. Man muss hier sehr aufpassen, um sich von solchen Zahlenspielen nicht irritieren zu lassen.
Fragiler Kredit- und Finanzmarkt in China
Aber es gibt natürlich auch in China Sorgen aufgrund einiger Blasen. Hier sei insbesondere die Blase auf dem Kreditmarkt genannt. Es ist dabei wirklich schwer zu beurteilen, wie fragil das System in China ist. Nicht vergessen sollte man aber, dass China einerseits keine freie marktwirtschaftliche Ökonomie besitzt und auf der anderen Seite aber noch über genügend finanzielle Reserven verfügt. Über staatlich verordnete Maßnahmen lassen sich damit sicherlich auch größere Krisen zunächst bekämpfen.
Langfristig kann allerdings genau dieser scheinbare Vorteil auch zu einem großen Nachteil werden, denn die in den Blasen entstehenden Ungleichgewichte werden so nicht über Krisen bereinigt, sondern verfestigen sich sogar. Aber das ist ein anderes, sehr weitreichendes Thema, das leider den Rahmen dieses Newsletters sprengen würde.
Fazit
Seit einigen Jahren tauchen Nachrichten über Wachstumsprobleme in China auf. Sie führen stets zu Irritationen an den Märkten. Festzuhalten bleibt, dass das prozentual gesehen deutlich sinkende Wachstum (von 10 auf nunmehr 7,7 Prozent) in den vergangenen beiden Jahren die Rally an den US-Indizes nicht nachhaltig beeinträchtigen konnte. Und so wird es auch in der aktuellen Situation sein. Aber, und das ist das Verrückte, manchmal braucht der Markt auch einfach eine Nachricht, um endlich eine Konsolidierung einzuleiten, die schon lange überfällig ist. In solchen Momenten ist die Plausibilität dieser Nachricht tatsächlich von untergeordneter Bedeutung.
Jochen Steffens
PS: Und zum Schluss noch die weiseste aller Börsenweisheiten: Kaufe, bevor die Kurse steigen, verkaufe bevor sie fallen…