Makrokosmos pfui, Mikrokosmos hui

Veröffentlicht am 19.03.2025, 13:49

Die Makroebene ist instabil. Amerika praktiziert spätrömische Dekadenz und wirre (Wirtschafts-)Politik, die Unternehmen, Verbraucher sowie Verbündete um den Schlaf bringen. Auch in Deutschland sorgt die Notschlachtung der heiligen Kuh „Schuldenbremse“ für Unruhe. Zumindest aber im Depot können sich Anleger einen stabilen Mikrokosmos schaffen.

Aktienmärkte sind wie kleine Kinder und Betrunkene: Sie sagen immer die Wahrheit

Normalerweise gehen in Amerika politische Neuanfänge und Börsenkurven Hand in Hand nach oben. So war es bei Obama 2013, Trump 2017 und Biden 2021. Aber bei Trump II ist es anders. Kein Wunder, denn eine Zumutung jagt die andere. Auf der Strecke dagegen bleiben die Gewinnerthemen Deregulierung und Steuersenkungen. Kommen die noch oder war das nur Marketing? Die Kapitalflucht von US-Anlegern nach Europa ist beachtlich.

Statt Teuerung als Angstthema für einkommensschwache Familien zu bekämpfen, facht er diese mit chaotischer Handelspolitik an. Auch gegen den Eiermangel hat Trump noch kein Mittel gefunden. Es ist wie bei Oliver Kahn, der seinerzeit rief: „Eier, wir brauchen Eier.“ Gerade jetzt wird Freihandel gebraucht, damit Omelett und Rührei zollgünstig wieder auf die Tische in Amerika kommen.

Längst ist die miese Konjunkturlaune dabei, die Wirtschaft mit Rezessions- und Stagflationsgrippe zu infizieren. Noch ist die Abwehr stark, doch mit genügend politischer Virenlast kann diese fallen.

Die nächsten Husarenstücke der Trump-Administration sind in Planung

So skizzieren Trumps Berater einen neuen Währungs-Plan, der das internationale Handels- und Finanzsystem - na klar - zum Vorteil Amerikas umbauen soll. Dieser Mar-a-Lago-Accord ist an den Plaza-Accord 1985 angelehnt, der zu einer Abschwächung des damals starken Dollars führte.

Auch heute machen Trumps Jünger die Dollar-Stärke für die Exportschwäche der USA verantwortlich, die ebenso zu Jobverlagerungen der amerikanischen Unternehmen ins Ausland führten. Zur Abhilfe sollen Trumps „Untergebene“ den Dollar wie 1985 schwächen.

Neben der Reduktion des US-Handelsbilanzdefizits geht es aber um viel mehr. Es geht darum, die dramatischen amerikanischen Schuldenkosten zu Lasten der Gläubiger zu minimieren.

So solle das Ausland seine vorhandenen US-Staatsanleihen in neue, unverzinste tauschen, die 100 Jahre lang laufen. Erst nach Ende der Laufzeit bekämen die Staaten das geliehene Geld mit einem Aufschlag zurück. Zudem sollen ausländische Zentralbanken eine „Dankbarkeitsgebühr“ zahlen müssen, weil sie diese Papiere halten dürfen. Tatsächlich, auf den ersten Blick würden die Finanzierungskosten der USA deutlich gesenkt.

Den Gläubigerländern wird knallhart die Pistole auf die Brust gesetzt. Nur wenn sie diesen Deals zustimmen, werden sie von hohen Zöllen verschont und weiter vom Nuklearschirm der USA geschützt.

Ohne laufende Zinszahlung und nur für eine unsichere Treueprämie am Ende von extrem langen Laufzeiten, die die Anleger nur erhalten, wenn sie das Alter von Methusalem erreichen, wird diese Art der Enteignung aber niemand akzeptieren. Waren US-Staatsanleihen lange Zeit begehrt wie Zuckerwatte auf der Kirmes, würden sie abstoßend sein wie Lebertran. Die mühelose Refinanzierung Amerikas, das ohnehin über seine Verhältnisse lebt, wäre Geschichte. Die eigenen US-Rentenmärkte als sensibelste Seismografen der Politik und Bonität würden die USA abstrafen. Der Dollar würde zur Camembert-Währung und Inflation und Kreditzinsen gingen durch die Decke.

Als letzte Rettung bliebe das Verramschen von US-Gold. Der Marktpreis des Edelmetalls entspricht knapp 800 Mrd. Dollar. Angesichts einer Staatsverschuldung von 36 Bill. nicht beruhigend.

Wer nicht hören will, muss fühlen

Trump hat seinen Vorgänger immer als sleepy Joe verhöhnt, aber unter Biden haben die Welt und Amerika selbst besser geschlafen. Die hohe Verunsicherung spiegelt auch der hohe Goldpreis wider.

Ein berühmtes Zitat von Bill Clinton lautet: „It‘s the economy, stupid“. Ergänzend gilt: It‘s Wall Street, stupid“. Der Erfolg eines jeden US-Präsidenten entscheidet sich auf den Schlachtfeldern der Ökonomie und Börse. Und Trump laufen im Moment die Truppen davon.

Auch der rüde Umgang mit dem Ausland bringt Amerika keinen Vorteil. Wenn über Jahrzehnte gewachsene Beziehungen zerstört werden, werden sich die verschmähten Verbündeten neue Wirtschaftspartner suchen müssen. Will Amerika also seinen europäischen Vorgarten opfern?

Nicht zuletzt, wenn ausgerechnet Amerika, das Kronjuwel der Finanzwelt, mit seiner Finanz- und Währungspolitik Richtung Venezuela geht, wäre Schluss mit der Weltleitwährung Dollar. Für die geopolitische Stärke Amerikas wäre das so, als ob sich Casanova selbst kastrieren würde.

Im Inland wächst mittlerweile der Widerstand, z.B. bei Richtern. Die Opposition in den USA ist nach ihrer großen Wahlniederlage immer noch paralysiert. Doch werden sie die Auseinandersetzung mit Trump z.B. bei den Zwischenwahlen Ende 2026 wieder aufnehmen. Wenn Trump dann stolpert, werden seine Parteifreunde schnell die Seiten wechseln, zumal er nicht mehr antreten kann. In der Politik heißt es: Feind, Todfeind, Parteifreund. Trumps krude Agenda ließe sich dann nur noch durchsetzen, wenn das demokratische Wahlrecht abgeschafft und Amerika zur Autokratie würde. Mögen die Checks and Balances stark wie Popeye nach Spinatverzehr bleiben.

Trump als Glück im Unglück: Europa hat eine einmalige Chance

Das Wichtigste für Europa ist, sich von Trump nicht spalten zu lassen. Gegenüber den best buddies Trump und Putin muss es eigene Abschreckung aufbauen.

Ebenso geht es darum, die eigene Wirtschaftskraft zu stärken. Leider müssen dazu in Deutschland gewaltige Neuschulden gemacht werden, um das Vergammeln der Infrastruktur umzukehren. Das ist die Konsequenz von 20 Jahren Nichtstun, auch in puncto regelmäßig überschaubarer Schuldenaufnahme. Doch hätte man dies im Wahlkampf klar sagen müssen. Auch hätte man sagen müssen, dass die Neuschulden wirtschaftsfreundlich verwendet werden, um Verständnis zu schaffen.

Diese neuen Finanzmittel werden dem Wirtschaftswachstum sicher auf die Sprünge helfen. Noch höher würden die Sprünge, wenn z.B. Genehmigungsverfahren und Vorschriften kastriert würden.

Viele der Staatsausgaben müssen zudem ihren Status als Fixkosten verlieren. Nur so wirkt man jetzt hohen Kreditzinsen und der vom Stabilitäts-Musterschüler Deutschland animierten Schuldenlust romanischer Staaten entgegen. Auch Deutschlands Top-Bonität darf nicht gefährdet werden.

Es geht also weniger um viel Geld. Es geht um das Gesamtpaket, das erst einen fruchtbaren Nährboden schafft. Gerade jetzt, wo in Amerika das liberale Klima abkühlt, würden so nicht nur Fachkräfte wieder mehr nach Deutschland schauen, sondern auch investitionsfreudige Unternehmen.

Immerhin freuen sich deutsche Aktien über die Schuldenorgie und zeigen relative Stärke gegenüber den USA. Steigende Umsätze bei Rüstungs- und Infrastrukturwerten treffen auf Unternehmen, die sich in der Krise kostenseitig verschlankt haben. Dieser Hebel hat das Potenzial, dass insbesondere die zweite deutsche zyklische Aktienreihe zukünftig die Nase vorne hat.

Der Makrokosmos ist aktuell schwierig. Aber mit deutschen Aktien hellt sich immerhin der Mikrokosmos der Anleger auf. Noch aufgehellter wird er, wenn Trump die Kurve bekommt oder er von anderen wieder auf die richtige Bahn gebracht wird.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725

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