MERCOSUR könnte bei der wirtschaftlichen Loslösung von China eine zentrale Rolle spielen. Einfach wird die Belebung des Freihandelsabkommens aber nicht.
Die Wahl des neuen brasilianischen Präsidenten Lula und der Wunsch Europas nach mehr Unabhängigkeit von China könnten dem MERCOSUR Abkommen neuen Schwung verleihen. Das Potenzial eines solchen Freihandelsabkommens zwischen der EU und den vier derzeitigen MERCOSUR Staaten (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay) ist offensichtlich. Durch eine Einigung entstünde ein Handelsraum mit mehr als 700 Millionen Menschen.
MERCOSUR: Scholz bei Südamerika-Reise optimistisch
Bundeskanzler Olaf Scholz weilte kürzlich in Südamerika und zeigte sich nach einem Treffen mit dem neuen brasilianischen Staatspräsidenten Lula da Silva optimistisch. Beide Politiker bekräftigten die Bedeutung vertiefter Handelsbeziehungen.
Die Verhandlungen zwischen der EU und den MERCOSUR-Staaten laufen bereits seit März 1999. 2019 kam es zu einer grundsätzlichen Einigung zwischen der EU-Kommission und den südamerikanischen Staaten über den Handelsteil des Abkommens. Das EU-Parlament stimmte 2020 allerdings gegen die Ratifizierung. Die Parlamentarier forderten Nachbesserungen insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeit.
Dieser Geist setzt sich im Koalitionsvertrag der Ampelregierung fort. Zwar wird die Ratifizierung des Abkommens grundsätzlich befürwortet – aber an hohe Auflagen im Bereich Umwelt und Soziales sowie für den Erhalt des Regenwaldes geknüpft.
Auch die USA und China sind an MERCOSUR interessiert
Der Bundestag diskutierte am 26. Januar über das EU Assoziierungsabkommen, mit dem das MERCOSUR Freihandelsabkommen Realität werden könnte. Die Union fordert eine rasche Ratifizierung. Alle anderen Parteien sprachen sich nur bedingt für das Abkommen aus.
Die SPD sieht im Regierungswechsel in Brasilien eine Chance, um den Schutz des Regenwaldes zu verbessern. Die Grünen verlangen ebenfalls Nachbesserungen im Bereich Umwelt und Menschenrechte und eine verbindliche Zusatzvereinbarung zum Schutz des Regenwaldes. Auch die FDP betont, der Regenwald im Amazonas sei systemrelevant für die ganze Welt.
Kritik am MERCOSUR Abkommen kommt zudem regelmäßig aus dem Bereich der Landwirtschaft. Landwirte fürchten Nachteile gegen die neue Konkurrenz, der unter anderem der zollfreie Export von 180.000 t Geflügelfleisch sowie 99.000 t Rindfleisch zu einem Zoll von 7,5 % zugestanden werden soll.
Ob es der EU gelingt, den MERCOSUR-Staaten weitere Zugeständnisse abzuringen ist jedoch offen. Denn die Europäer sind nicht die einzigen, die ihr Interesse an dem rohstoffreichen Kontinent wiederentdeckt haben.
Großes Interesse an engeren Verbindungen gibt es auch in den USA und China. Insbesondere das Reich der Mitte ist bereits heute der wichtigste Handelspartner vieler südamerikanischer Länder. Die Volksrepublik will ein Freihandelsabkommen mit Uruguay als Vorstufe für ein China MERCOSUR Abkommen abschließen. Der japanische Außenminister besuchte Mitte Januar Argentinien, Brasilien und weitere Länder der Region.
Für alle Handelspartner spielt der südamerikanische Kontinent nicht zuletzt im Hinblick auf den Zugang zu Rohstoffen wie Lithium eine entscheidende Rolle.
Lula als Gamechanger für MERCOSUR Abkommen?
Lula da Silva ist für die Europäer ein wichtiger Verbündeter. Er hat künftige Verhandlungen mit China über ein Freihandelsabkommen an die vorherige Ratifizierung des Abkommens mit der EU gebunden.
Der neue Präsident hat zudem umfangreiche Absichtserklärungen im Hinblick auf den Schutz des Amazonas Regenwalds abgegeben und mit Marina Silva eine ausgewiesene Umweltschützerin zur Ministerin ernannt. Lula steht allerdings der Kongress entgegen, der durch eine starke Agrarlobby dominiert wird.
Gegner des Abkommens gibt es jedoch auch in Europa – und nicht nur im EU-Parlament. Bevor das Abkommen beschlossen werden kann, müsste auch die französische Regierung inklusive der Nationalversammlung ihre Haltung ändern.
Das Problem: Die Gegner des Abkommens müssen durch kleinere Nachbesserungen zufriedengestellt werden, ohne eine formelle Neuverhandlung zu starten. Diese wäre nur mit einem neuen Mandat für die EU-Kommission möglich und könnte weitere Jahrzehnte ins Land gehen lassen.
Ifo-Fazit zu MERCOSUR fällt gemischt aus
MERCOSUR konstituierte sich bereits 1991. Mehr als 30 Jahre danach ist die Ländergruppe weit von einem integrierten Binnenmarkt entfernt. Das ifo Institut konstatierte in einer Analyse 2021, dass zwar die Handelsliberalisierung als Erfolg verbucht werden könne. Wichtige Ziele bei der Umwandlung zur Zollunion und weitere tiefe Integrationsschritte seien jedoch verfehlt worden.
So liege die Bedeutung des Intra-MERCOSUR-Handels drei Jahrzehnte nach der Gründung wieder auf dem Ausgangsniveau. Die Integration in internationale Produktionsnetzwerke seien nur stellenweise gelungen. Weitere Probleme sieht das ifo Institut in hohen Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen.