An den Metallmärkten fallen die Kurse drastisch. Gleichzeitig sinken die Lagerbestände teils auf Jahrhunderttiefs. Bahnt sich hier ein Kaufsignal an?
Die Preise für Aluminium, Kupfer und Co. Befinden sich im Sinkflug. Anfang März notierte der London Metal Exchange Index (LMEX) noch bei 5.500 Punkten. Aktuell wird der Korb mit sechs Basismetallen zu 3.500 Punkten gehandelt. Der Hauptgrund für den Absturz: Globale Konjunktursorgen.
Möglicherweise haben diese Sorgen zu einer übertriebenen Preisreaktion nach unten geführt. Die Nachrichtenagentur Reuters jedenfalls weist auf ein Phänomen hin: Den sinkenden Preisen stehen historisch geringe Lagerbestände gegenüber. Dabei sollten sinkende Preise eigentlich von steigenden Beständen begleitet werden.
LME Lagerbestände auf Jahrhunderttief
Wie Reuters berichtet, befanden sich in den Lagerhäusern der London Stock Exchange (LON:LSEG) (LME) Ende Juni gerade einmal 696.109 Tonnen registriertes Metall. Dies sei der geringste Bestand in diesem Jahrhundert.
Dem Bericht zufolge haben sich die Lagerbestände in den ersten sechs Monaten des Jahres halbiert. Gegenüber dem Vorjahr lagen die Bestände demnach um 1,67 Millionen Tonnen niedriger. Dieser sehr dynamische Abwärtstrend der Bestände könnte sich fortsetzen.
Dies legt jedenfalls ein genauerer Blick auf die Zusammensetzung der Zahlen nahe. Von den knapp 700.000 Tonnen verfügbarem Metall waren bereits 306.000 Tonnen für die physische Auslieferung bestimm. Frei verfügbar waren somit nicht einmal 400.000 Tonnen.
Dass sich außerhalb der LME-Bücher größere Bestände aufgebaut haben könnten schließt Reuters ebenfalls aus. Demnach gab es zwar tatsächlich einen Anstieg der sogenannten „Schattenbestände“. Dabei handelt es sich um außerbörslich gelagertes Metall, für das eine Option auf die Auslieferung an die Börse besteht.
Diese Schattenbestände wuchsen seit Jahresbeginn allerdings um lediglich 4.600 Tonnen und können den Rückgang der regulären Lagerbestände nicht erklären. Deutlich größere Schattenbestände wurden in Asien aufgebaut -ein Symptom für die Versorgungs- und Frachtprobleme etwa infolge der chinesischen Lockdowns.
Woher kommt die Divergenz zwischen Preisen und Lagerbeständen?
Der Markt ist also gespalten: Einerseits besteht kurzfristig Knappheit bei physisch lieferbaren Metallen. Andererseits gehen die Marktteilnehmer ganz offensichtlich von Überschüssen in der Zukunft aus. Ein Blick auf die Terminpreiskurven hilft, die Lage einzuschätzen.
Bei Aluminium etwa zeigt die Terminpreiskurve nach oben – dies entspricht der Normalsituation, die an den Metallmärkten für längere Zeit nicht gegeben war. Der Aluminiumkontrakt mit Fälligkeit im Dezember 2025 kostet rund 150 USD pro Tonne mehr als der kurzfristige Cash Kontrakt der LME. Dies entspricht auf dem aktuellen Preisniveau einem Aufschlag von ca. 6 %.
Deutlich flacher verläuft die Kurve bei Kupfer, wenngleich sich auch hier wieder eine Contango Situation eingestellt hat. Der Aufschlag für den Dezember-2025-Kontrakt gegenüber dem Cash Kontrakt liegt bei gut 1,5 %. Auch bei Nickel verläuft die Terminpreiskurve fallend.
Anders sieht es bei Zink, Zinn und Blei aus. Der kurzfristige Blei-Kontrakt etwa wird mit einer Prämie von ca. 120 USD (etwa 5 %) gegenüber dem 2025 fälligen Kontrakt gehandelt.
Starke Backwardation bei Zink
Bei Zink ist die Backwardation Suituation noch sehr viel stärker ausgeprägt. Der Cash Kontrakt wird an der LME zu ca. 3100 USD gehandelt – rund 800 USD mehr als für den Dezember-2025-Kontrakt gezahlt werden. Ein wesentlicher Teil des Spotpreises für Zink besteht somit in einer Prämie für die kurzfristige Verfügbarkeit. Dabei ist auch der Zinkpreis deutlich abgestürzt: In der Spitze wurden (am Spotmarkt) 4.500 USD gezahlt.
Auch der kurzfristige Preis für Zinn liegt höher als der Terminpreis – wenn auch nicht so stark ausgeprägt wie bei Zink.
Die hohen Prämien für verfügbare Ware bei Zink, Zinn und Blei scheinen im Widerspruch zu den sinkenden Preisen zu stehen. Allerdings litten diese drei Märkte lange Zeit unter besonders starken Versorgungsengpässen. Zinnhütten waren laut Reuters von Lockdowns betroffen, Zinkhütten von den hohen Energiepreisen und das Bleiwerk Stolberg von einer Überschwemmung.
Reuters mutmaßt, die LME habe als „Markt der letzten Instanz“ für physische Käufe agiert. Auch deshalb würden die Lagerbestände erst bei stabileren Lieferketten wieder aufgebaut. Möglicherweise erklärt dies die seltsame Kombination aus hohen Verfügbarkeitsprämien und abstürzenden Kursen ein Stück weit. #
Tatsache ist aber auch: Viele Metalle nähern sich derzeit dynamisch den Niveaus von Anfang 2020 an. Der Absturz erfolgte dabei teils ohne jegliche Korrektur – die nun möglicherweise überfällig sein könnte.