Was die 50 Millionen wahlberechtigten Italiener von dem für ihr Land, aber auch für die gesamte Eurozone so notwendigen Reform- und Sparkurs halten, kann man an den gerade einmal zehn Prozent für den Mann ablesen, der diesen eingeleitet hat. Über Mario Monti spricht an diesem Morgen nach der Italien-Wahl kaum einer. Warum auch, die Schlagzeilen können zwei andere für sich beanspruchen. Ein ehemaliger Komiker und ein amtierender Bunga-Bunga-König, die mit ihrer Kritik an Europa, welches in ihren Augen von Deutschland angeführt wird, keinesfalls gespart haben, konnten mehr als die Hälfte der Italiener davon überzeugen, dass der europäische Weg der falsche ist.
Es ging bei dieser Wahl um die Frage, ob das hochverschuldete und sich seit nun schon sechs Quartalen in der Rezession befindliche Italien endlich eine stabile Regierung bekommt, die es aus der Krise führt. Das Gegenteil ist eingetreten, dem Gewinner der Wahl, dem Chef des Mitte-Links-Bündnisses, Pier Luigi Bersani, droht eine Blockade aller Initiativen in der zweiten wichtigen Kammer, dem Senat, der über jedes Gesetz abstimmen muss. Zwar besteht noch die geringe Chance, dass Bersani alle in Opposition zu Berlusconi stehenden Gruppen hinter sich bringen kann, um so diese Blockade in letzter Minute noch zu verhindern. Allerdings wage ich für diesen Fall schon jetzt mal die Prognose, dass das nicht lange gut gehen wird und das Land dann früher oder später wieder vor Neuwahlen steht. Bereits 2008 war eine solche Konstellation unter Romani Prodi nach nur 24 Monaten zum Scheitern verurteilt.
Wo die Finanzmärkte am gestrigen Handelstag allerdings noch den Optimismus hernahmen, Berlusconi und Grillo würden zu Nebenfiguren einer stabilen Regierung unter Bersani verkommen, ist mir unklar. Zumindest war es dann nur folgerichtig, dass sie nach den ersten Hochrechnungen und dem drohenden Patt in Rom wieder den Rückwärtsgang einlegten. Vor diesem Hintergrund ist die Reaktion jetzt auch nicht über zu bewerten und spiegelt meine Ansicht wider, auch mit einem jetzt eher unregierbaren Italien droht der gesamten Eurozone nicht gleich der Untergang.
Die Wahl hat aber eines ganz klar gezeigt. Ohne die Mehrheit der Bevölkerung im Rücken kann ein solcher Reform- und Sparkurs nicht zum Erfolg gebracht werden. Das gilt nicht nur für Italien, bereits in einigen anderen europäischen Ländern wurden genau diese Regierungen bei anstehenden Wahlen abgestraft. Driften dann noch wie in der Eurozone die einzelnen Mitglieder immer weiter auseinander, was die wirtschaftliche Entwicklung und damit das notwendige Reformpotenzial angeht, wird diese Mission für die gesamte Gemeinschaft sehr langwierig, fast unmöglich.
Nichts anderes lag meiner Einschätzung zugrunde, der Euro hatte zwar seit dem Sommer vergangenen Jahres einiges an Korrekturpotenzial, aber der Schluck aus der Pulle bis über 1,37 US-Dollar war dann doch etwas zu viel des Guten. Die Gemeinschaftswährung könnte noch einige Wochen an der heute zumindest noch knapp verfehlten Marke von 1,30 US-Dollar verweilen. Dabei schätze ich das mögliche Abwärtspotenzial höher ein, als dass ich von einer Fortsetzung der Rally ausgehe. Die Eurozone wird, so sind sich nun auch alle einig, 2013 noch nicht den Weg aus der Rezession finden. Umso mehr sich aber dagegen der Aufwärtstrend der US-Wirtschaft festigt und die US-Notenbank den Geldhahn Stück für Stück weiter zudreht, desto mehr spricht für steigende Dollar-Notierungen.
Was im Gegenzug die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) angeht, hängt vieles davon ab, welche Spuren die politisch instabile Lage in Italien nach der Wahl an den Anleihemärkten hinterlässt. Die aktuelle Reaktion zumindest ist eindeutig und nachvollziehbar, die Renditen für die italienischen zehnjährigen Bonds steigen heute um fast 40 Basispunkte wieder über 4,85 Prozent. In Mitleidenschaft gezogen werden die spanischen Papiere, der Aufschlag ist vergleichbar. Damit ist der Abwärtstrend aus den vergangenen Monaten eindeutig gebrochen, und vieles spricht in meinen Augen dafür, dass vor dem oben beschriebenen Hintergrund der Trend nach oben weiter anhält.
Spannend wird es morgen, wenn Italien bis zu 6,5 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen will, gerade die wichtigen Papiere mit einer Laufzeit von 10 Jahren sollen ihre Abnehmer finden. Geht diese Auktion schief und schnellen die Renditen weiter nach oben in ähnliches Terrain wie im Sommer 2012, würde es zum ersten richtigen Test kommen, ob die EZB hält, was sie versprochen hat, für den Euro „alles Notwendige“ zu tun, um ihn zu retten. Den Worten müssten dann Taten folgen, um die Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren. Allerdings hat die EZB die Latte sehr hoch dafür gelegt, mit dem Kauf von Staatsanleihen in den Markt einzugreifen. Erst wenn ein Land einen Hilfsantrag stellt und die damit verbundenen Auflagen akzeptiert, will sie aktiv werden. Erhebliches Konflikt- und Bewährungspotenzial mit und für Mario Draghi wäre damit vorprogrammiert.
Genau dieser Zusammenhang ist es auch, der den Wählern so schwer zu vermitteln ist. Verliert ein auf frisches Geld vom Kapitalmarkt angewiesenes Land wie Italien das Vertrauen an den Märkten, weil es sich den notwendigen Reformen verweigert, führen die steigenden Finanzierungskosten in einen Teufelskreis, dem nur schwer zu entkommen ist. Italien droht im Falle eines anhaltenden politischen Chaos, zu einem zweiten Griechenland zu werden. Und da ist das aktuell vorliegende Patt wahrscheinlich noch das geringere Übel. Einen Sieg Berlusconis bei möglichen Neuwahlen halte ich für nicht ausgeschlossen. Auf jeden Fall wird die Zeit bis dahin die Finanzmärkte weiter lähmen, das von mir schon seit Jahresbeginn erwartete Korrekturpotenzial ist mit dieser Wahl zumindest nicht kleiner geworden. EUR/USD; Wochenchart; 3 Jahre" title="EUR/USD; Wochenchart; 3 Jahre" width="1674" height="920">