Das Pentagon arbeitet einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge an der Entwicklung eines Programms zur Schätzung der Preise und zur Vorhersage der Versorgung mit Nickel, Kobalt und anderen kritischen Mineralien.
Geleitet wird das Vorhaben durch die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA). Diese war als Reaktion auf den Start des Satelliten Sputnik 1 durch die Sowjetunion im Jahr 1957 gegründet wrden und an der Entwicklung des Internets sowie des mRNA-Impfstoffs für COVID-19 beteiligt.
Modell soll "strukturellen Preis" für Rohstoffe ermitteln
Wie Reuters unter Berufung auf vorliegende Dokumente berichtet, wollen DARPA und der U.S. Geological Survey einen oder mehrere private Auftragnehmer mit der Entwicklung eines KI-basierten Modells betrauen, das den "strukturellen Preis" eines Metalls auf der Grundlage des Ortes und des Zeitpunkts seiner Herstellung sowie der Arbeits-, Versorgungs- und anderer Kosten ermitteln können soll.
Zu den Bewerbern gehören offenbar das Finanzinformationsunternehmen S&P Global und der Rüstungskonzern Lockheed Martin (NYSE:LMT), die sich bislang allerdings nicht dazu äußerten. Noch in diesem Monat könnte jedoch eine Entscheidung zu den Partnern fallen.
Das Programm steht offenbar im Zusammenhang mit Bestrebungen der US-Regierung, die inländische Produktion kritischer Mineralien für die Waffenherstellung und die Energiewende hochzufahren und die Abhängigkeit von China in diesen Bereichen zu verringern.
Gewöhnlich werden Metallpreise von Terminmärkten und Preisbildungsagenturen ermittelt – auf Basis dessen, was Käufer zu zahlen und Verkäufer zu akzeptieren bereit sind. Dabei werden z. B. das generelle Angebot und die generelle Nachfrage, aber auch weitere Aspekte wie Standort, Transportkosten- und Risiken, Lagerkosten etc. berücksichtigt (Agenturen) bzw. durch Marktteilnehmer eingepreist (Terminmärkte).
Klassische Preisbildung ein Risiko für die nationale Sicherheit?
In diesen Mechanismen sieht das Pentagon offenbar ein potenzielles Risiko für die nationale Sicherheit. Die Befürchtungen beziehen sich auf mangelnde Preistransparenz für Behörden und Unternehmen. Die Vorhersage von Preisschwankungen und die Berechnung eines angemessenen Rohstoffpreises könnte etwa Regierungsbeamten eine Formel für die Planung von Käufen für die nationalen Lagerbestände an die Hand geben.
Reuters zufolge heißt es in den Dokumenten, die sich sowohl auf Terminbörsen als auch auf kommerzielle Preisanbieter beziehen, dass "undurchsichtige und fehlerhafter Preisdaten" zustande kommen könnten, die "erhebliche Hindernisse für den kommerziellen Wettbewerb in den USA darstellen" sollen. Das DARPA-Programm soll Intransparenz beseitigen, wo diese zu Unterbrechungen in der Lieferkette führen könnten.
Einen Angriff auf Metallbörsen wie die London Metal Exchange und andere Terminmärkte sehen die durch Reuters befragten Quellen in den Plänen nicht. Allerdings werden in Dokumenten zum DARPA-Projekt die Nickel Chaostage an der LME als Beispiel für "die endogene Marktdynamik und wettbewerbsfeindliche Praktiken" angeführt, die Terminmärkte "zu einer schlechten Quelle für Preisinformationen machen können".
"Duellierende Strukturen"?
Doch auch kritische Stimmen sind zu vernehmen. So zitiert Reuters zwei namentlich nicht genannte Quellen, die durch "duellierende Strukturen" eine "Verwirrung der Metallmärkte" fürchten.
Die LME rechnet selbst damit, dass der Einsatz von KI zur Analyse von Angebot und Nachfrage bei Metallen zunehmen wird, weist aber auf einen wesentlichen Unterschied ihrer Daten zu denen eines KI-Modells hin: "Die von der LME gehandelten Kontrakte werden durch die physische Lieferung von Metallen in unser globales Lagernetzwerk abgewickelt, wodurch sichergestellt wird, dass die LME-Preise jegliche Veränderungen der physischen Marktfundamentaldaten vollständig widerspiegeln", kommentierte ein Sprecher gegenüber Reuters. Für die Preisdaten von Agenturen gelten diese Aussagen so nicht.
Dem Bericht zufolge soll das KI-Modell im Laufe von zwei Jahren in drei Phasen eingeführt werden.