Der Abbau der kriegsbedingt hochgefahrenen Lagerbestände, starke Nachfrage nach Hybridfahrzeugen und wachsendes Interesse von Investoren: Die Prognosen für den Platinpreis werden wieder optimistischer.
JP Morgan erwartet bis Ende 2025 ein Kursniveau von 1.200 USD pro Feinunze. Die Citibank (NYSE:C) rechnet für die nächsten 6-12 Monate mit 1.100 USD. Aktuell notiert der Preis um die 1000 USD-Marke herum.
Gemessen an der Kursentwicklung von Gold und Silber – die beiden Metalle haben seit Jahresbeginn rund 30 % zugelegt – fällt die Entwicklung von Platin allerdings bescheiden aus. Der Kurs liegt auf fast demselben Niveau wie zum Jahreswechsel.
Platinpreis seit Jahresbeginn unverändert
Das Interesse an dem Edelmetall – das gemessen an seinem Vorkommen dreißigmal seltener ist als Gold – wächst jedoch wieder. Die Investmentnachfrage legte im ersten Halbjahr zu und erreichte 579.000 Feinunzen bzw. 13 % der gesamten Nachfrage. Vor allem über ETFs und ETCs wurde investiert.
Einige Gründe sprechen für Platin. Bereits im vergangenen Jahr überstieg die Nachfrage das Angebot. Das britische Researchunternehmen Metals Focus rechnet damit, dass das Defizit im laufenden Jahr noch größer ausfallen wird.
Dass die Preise sich in den vergangenen Jahren schwach entwickelt haben, liegt vor allem an der Rolle von Platin in der Automobilindustrie. Laut dem World Platinum Investment Council macht die Nachfrage aus diesem Bereich zwischen 30 % und 44 % der gesamten Nachfrage aus.
Platin wird in Katalysatoren verwendet, um Abgasemissionen zu reduzieren. Die Erwartung, dass rein batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge solche mit Verbrennungsmotor ablösen dürften, hat Platin in der Gunst der Anleger massiv herabgestuft.
Hinzu kommt noch ein kurzfristiger Effekt: Beim Ausbruch des Kriegs in der Ukraine hatten viele Automobilhersteller große Platinbestände aufgehäuft. Der Grund: Russland ist nach Südafrika der zweitgrößte Platinproduzent, Lieferengpässe infolge von Sanktionen oder Exportrestriktionen waren befürchtet worden.
Platin: Lagerbestände sinken rasch
Die Vorräte schrumpfen jedoch. Metals Focus zufolge sanken die Lagerbestände im Jahr 2023 um 15 %. Für 2024 wird ein Rückgang um 25 % erwartet.
Fundamental gesehen steigt die Nachfrage der Automobilindustrie nach Platin jedoch deutlich. Metals Focus bescheinigt für die Zeit von 2019-2023 einen Anstieg der Nachfrage um 17 %.
Zum einen ist die Nachfrage nach Fahrzeugen mit Verbrennermotor stabiler als lange angenommen. Zum anderen wächst die Nachfrage nach Hybridfahrzeugen – die noch mehr PGM Metalle benötigen.
Der Grund: Verbrennungsmotoren in Hybridautos werden seltener verwendet und starten daher oft kalt, was zu einer höheren Umweltverschmutzung führt und mehr Platin erfordert, um schädliche Gase umzuwandeln.
Der Trend zu Hybridfahrzeugen könnte anhalten. In den USA wurden im vergangenen Jahr mehr Hybride verkauft als rein batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge, 2024 wird dies erneut erwartet. Autohersteller fahren ihre Investitionen in BEVs zurück und setzen stattdessen auf mehr Hybridautos.
Marcus Garvey von der Macquarie Bank in Singapur verglich die Situation von Platin im September mit der Situation der Kohle. Diese werde im Zuge der drastischen Reduzierung der Kohlendioxidemissionen durch die Regierungen schrittweise abgeschafft, werde aber noch jahrelang benötigt, bis mehr erneuerbare Energien zur Verfügung stünden.
Die Nachfrage aus anderen Sektoren – etwa durch die Chemie-, Erdöl- oder Medizinindustrie bis hin zur Glasherstellung – war in den letzten Jahren stabil. Zukünftig könnte Platin als Katalysator bei der Herstellung von Wasserstoff eine wachsende Rolle spielen. Bislang ist dieser Zweig jedoch noch sehr klein.
Länger anhaltendes Platindefizit möglich
Sind die Lagerbestände einmal abgebaut, könnte ein länger anhaltendes Defizit auftreten. Denn: Das Angebot dürfte nur sehr langsam wachsen.
Zum einen wird Platin immer im Zusammenhang mit anderen Metallen abgebaut. Die schwachen Preise für Platin selbst, aber auch für Palladium und Rhodium, haben die Margen der Bergbauunternehmen unter Druck gesetzt.
Beim weltgrößten Produzenten Südafrika wird die Produktion zudem durch ständige Stromausfälle belastet. Darüber hinaus ist das Angebot an recyceltem Platin aus Altautos seit 2021 jedes Jahr zurückgegangen – auch, weil Autos heute länger gefahren werden. Das Durchschnittsalter der Autos in den USA ist stetig gestiegen und hat laut S&P Global Mobility im Jahr 2024 einen Rekordwert von 12,6 Jahren erreicht.
Das Interesse der Marktteilnehmer wächst. Die Supermarktkette Costco (NASDAQ:COST) hat kürzlich Platinbarren zu ihrem Edelmetallangebot hinzugefügt.
Die Guangzhou Futures Exchange (GFEX) wird voraussichtlich im ersten Quartal 2025 ihre ersten Platin- und Palladium-Terminkontrakte in China einführen – der erste inländische Preisabsicherungsmechanismus für Platin und Palladium in der Volksrepublik.
Der World Platinum Investment Council erhofft sich davon insbesondere eine Wiederbelebung der Nachfrage nach Platinschmuck. Die Nachfrage in China ist in diesem Bereich seit dem Höchststand von rund 2 Millionen Feinunzen im Jahr 2014 um 79 % eingebrochen.