Politische Rhetorik ist ein schlechter Ratgeber an der Börse

Veröffentlicht am 19.03.2025, 11:07

Börsentrends folgen dem Kapitalfluss, nicht der politischen Rhetorik. Das neue gigantische Schuldenpaket der alten Bundesregierung sorgt insbesondere in Deutschland für viele Kontroversen. Der Kapitalmarkt hingegen hat einen sehr nüchternen Blick darauf und handelt ganz rational. Fakt ist:

Mit 1.000 Mrd. Euro schafft es jeder erfolgreich zu sein. Man muss kein besonderes Talent haben, um mit den vom alten Bundestag beschlossenen Rekordschulden neues Wachstum zu erzeugen. Der viel wichtigere Punkt ist, dass selbst ein reiches Land wie Deutschland sich eine so abenteuerliche Konstruktion nur einmal in einer Generation leisten kann.

Wie bei einem Blattschuss muss es jetzt sitzen. Und damit ist nicht die initiale Reaktion in den ersten 12 bis 24 Monaten gemeint. Die Neuverschuldung, die man sich hier genehmigt hat, hat selbstverständlich einen Preis und den wird Deutschland nur dann mit Leichtigkeit bezahlen können, wenn die Strukturen reformiert werden, um neues Wachstum in der Privatwirtschaft zu schaffen. Denn nur die Privatwirtschaft schafft Wertschöpfung, mit der letztlich die Schulden des Staates abgegolten werden. Der Staat selbst hat keine nennenswerten Fähigkeiten, um neue Werte zu schöpfen, die diesen Schuldenberg tilgen können.

Programmiert man die deutsche Wirtschaft nicht auf Wachstum, wird der Schuldenberg jegliche Dynamik ersticken. Es ist daher essenziell wichtig, dass man mithilfe der Schulden eine entsprechende neue Wirtschaftsleistung erzielt. Grundsätzlich steht einer Schuldenaufnahme von zusätzlich 1.000 Mrd. Euro nichts im Wege. Vorausgesetzt, dass man im selben Zeitraum daraus eine Steigerung der deutschen Wirtschaftsleistung von mehr als 1.000 Mrd. Euro erreicht. Alles darunter wäre ein Misserfolg. Fraglich ist natürlich, inwieweit man heute den Aussagen der Parteien trauen kann, die mit ausgesprochen fraglichen Konstruktionen zu diesem Ergebnis gekommen sind. Im Mittelpunkt des Misstrauens steht vor allem die CDU.

Ein abenteuerliches Konstrukt, das zum Erfolg verdammt ist

Für die Lügen gegenüber den Wählern wird die CDU ohne Zweifel in Zukunft zu zahlen haben. Für die Unantastbarkeit der Schuldenbremse und eine Migrationswende wurde die CDU und insbesondere Friedrich Merz zum mit Abstand größten Sieger bei der Bundeswahl gemacht. Dass diese Wahlversprechen nicht einmal 24 Stunden nach der Wahl noch Bestand hatten, war schon ein schwerer Vertrauensbruch. Dass die CDU dann jedoch freimütig zugab, den Bruch der Wahlversprechen bereits seit Herbst 2024 im Stillen geplant zu haben, ist der Stich ins Herz der konservativen CDU-Basis.

Es mag Merz egal sein, da seine Position für die kommenden vier Jahre als Kanzler mehr oder weniger garantiert ist. Aber selbstverständlich gilt das nicht für seine Partei, die bereits bei den Landtagswahlen im Jahr 2024 in Ostdeutschland Mühe hatte, auch nur eine Handvoll von Wahlkreisen noch für sich zu gewinnen. In diesem Jahr muss man sich nur in den Kommunalwahlen in NRW verteidigen, aber 2026 stehen acht Wahlen an. Angefangen mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, über diverse Kommunalwahlen bis hin zu den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Doch das sind rein innerdeutsche Probleme.

Die Börse schaut nur auf den Kapitalfluss

Die Börse interessiert sich nur für die Kapitalflüsse. Die parteipolitischen Geplänkel sind den Anlegern im Kern egal. Es geht im Wesentlichen nur um die Frage, wie viel Kapital Deutschland zusätzlich am Anleihemarkt aufnehmen und wo dieses Kapital dann hinfließen wird bzw. welche Branchen und Unternehmen davon profitieren werden. Dabei muss zwischen den direkten und indirekten Effekten unterschieden werden.

Rendite der 10-jährigen Bunds

Zu den direkten Effekten zählt die Entwicklung der Renditen am Anleihemarkt. Diese explodierten aus dem Stand heraus auf den höchsten Stand seit Herbst 2023. Das war seinerzeit der Endpunkt der Short-Spekulationen gegen die Bundesanleihen, ursprünglich ausgelöst durch die Inflationswelle, die Deutschland durchgeschüttelt hatte.

Die Marke von 3 % ist für das lange Ende der deutschen Schulden von hoher Bedeutung. Denn kippen die Notierungen und etablieren sich die Renditen der 10-jährigen Bunds über 3 %, droht ein weiterer deutlicher Sell-off. Dieser würde mindestens das lange Ende bis auf 3,50 % heben, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auf rund 4,00 %. Spätestens bei 4,50 % p. a. würde sich ein solcher Sell-off auslaufen. In einem solchen Szenario würden sich die deutschen Schulden auf dem Niveau der Euro-Krise bewegen.

Vielen ist nicht bewusst, dass die deutschen Marktzinsen den Sockel oder auch Offset für die europäischen Zinsniveaus darstellen. Oder anders gesagt: Die deutschen Staatsanleihen sind die besten Bonitäten und haben damit die niedrigsten Renditen. Alle anderen Schulden werden mit Marktzinsen gehandelt, die darüber liegen. Steigen die deutschen Marktzinsen also, dann drücken sie nahezu automatisch alle Zinsniveaus im Euro-Raum entsprechend nach oben. Das gilt für einen spanischen Konsumenten, der sein neues iPhone finanziert, genauso wie für einen Franzosen, der sich den neuen Pkw mit einem Autokredit leistet, oder der Italiener, der eine Hypothek für seine neue Immobilie aufnimmt.

1.000 Mrd. Euro zu finanzieren ist kein Problem

Die Aufnahmefähigkeit des Marktes für deutsche Staatsanleihen ist unproblematisch. Solange man nicht die Nachfrage mit Absicht übersättigt, kann der Markt über die Jahre hinweg problemlos 1.000 Mrd. Euro ausleihen. Die Frage ist natürlich immer zu welchem Zins. Der wird steigen, je mehr Angebot auf den Markt kommt. Aber grundsätzlich ist der deutsche Staatsanleihenmarkt tief genug, um auch solche utopischen Summen zu handhaben. Denn neben den amerikanischen Treasurys zählen die Bunds zu den wenigen wichtigen Pfeilern des globalen Kapitalmarktes.

Die Stärke des Marktes für deutsche Staatsanleihen resultiert aus der impliziten Bonität des Privatvermögens der Deutschen. Denn Anleihen stellen eine verbriefte Forderung dar. Käme der Staat in Schwierigkeiten, wird auf dieses Privatvermögen zurückgegriffen werden. Allein das Geldvermögen der Deutschen bewegt sich bei rund 9 Billionen Euro. Hinzu kommt ein geschätztes Sachvermögen von etwa 12 Billionen Euro. Das ist aus Sicht des Anleihemarktes die implizite Besicherung für die 1.000 Mrd. Euro an neuen Staatsschulden.

Deutsche Aktienmarkt ist der größte Profiteur

Der Aktienmarkt ist selbstverständlich hoch erfreut über die neuen Schulden Deutschlands. Denn das Geld soll bekanntlich mit vollen Händen ausgegeben werden, was einen hohen Kapitalfluss in die deutsche Wirtschaft verspricht. Dabei profitieren selbstverständlich die benannten Branchen am stärksten. Die Aktien von Bauunternehmen, Bauzulieferern, Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energie und die Rüstungsindustrie sind ganz oben auf. Und da die Produktionskapazitäten der Unternehmen eine solche Masse an Nachfrage nicht auffangen können, steigen in Sympathie auch die Aktien der Konkurrenten im Ausland, die auf neue Aufträge hoffen dürfen.

MDAX

Den größten Effekt auf die Börse haben jedoch die indirekten Faktoren. Denn die Börse Frankfurt litt in den letzten zwei Jahren darunter, dass man keine eigene Equity-Story hatte. Der DAX performte, weil er das Ventil für deutsches Kapital war, um am ausländischen Wachstum zu partizipieren. MDAX und SDAX hingegen wurden links liegen gelassen, da es kein übergeordnetes innerdeutsches Wachstum gab.

SDAX

Das ändert sich nun grundlegend. Es ist zwar noch völlig unklar, wo das Kapital aus den neuen Staatsschulden letztlich genau landen wird, aber die ausländischen Kapitalsammelstellen schießen jetzt zuerst und stellen im Anschluss die nötigen Fragen. Man engagiert sich also jetzt in den deutschen Unternehmen der zweiten und dritten Reihe und wird dann im Verlauf der kommenden Monate und Jahre aussieben, welche Unternehmen am stärksten von den Staatsschulden profitieren.

Machen Sie es, wie die Börse: Folgen Sie dem Kapitalfluss. Der größte Trend, von dem man profitieren kann, liegt in einer Gruppenrotation am deutschen Aktienmarkt in die Mid- und Small-Caps hinein, die im Schnitt völlig unterbewertet sind und sich nun einem starken Nachfrageüberhang gegenübersehen.

Ein Artikel von
Mikey Fritz
Chefredakteur Zürcher Finanzbrief (https://www.zuercher-boersenbriefe.ch)

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