Der Weltmarktführer für Testverfahren in der molekularen Diagnostik gehörte zu den großen Profiteuren der Corona-Zeit. Anfang 2020 schossen die Erträge in die Höhe und damit einhergehend auch der Aktienkurs. Mit dem Ende der Maßnahmen wurde es ruhig um die Aktie und die Kursentwicklung flachte ab. Ein Blick auf die Zahlen des abgelaufenen Jahres zeigt, trotz des signifikanten Rückgangs der Umsätze mit Covid19-Produkten liegt das Ertragsniveau von Qiagen deutlich über den Jahren vor der Pandemie.
Die Holdinggesellschaft QIAGEN N.V. (ETR:QIA) (ISIN: NL0012169213) mit Sitz in den Niederlanden ist der weltweit führende Anbieter von Anwendungen für die molekulare Diagnostik zur Gewinnung von Erkenntnissen aus biologischen Proben. Abnehmer der Produkte sind beispielsweise Unternehmen aus der klinischen Forschung, Pharmaunternehmen aber auch Einrichtungen aus der Forensik oder der Veterinärmedizin. Neben Tests und Diagnosegräten bietet das Unternehmen über die Tochtergesellschaft Qiagen Digital Insights (QDI) auch ein breites Spektrum an Daten und Softwareprodukten an. Mit 100 Mio. USD jährlich trägt letztere Sparte aktuell noch einen überschaubaren Beitrag zum Umsatz bei. Anfang Januar dieses Jahres kündigte Qiagen jedoch eine 5-Punkte-Strategie an, in deren Rahmen man die Investitionen im Bereich Bioinformatik beschleunigen will. Mit KI-basierten Softwarelösungen im Zusammenspiel mit den eigenen umfangreichen Datenbanken will Qiagen die Sparte deutlich ausbauen. Zudem wurde für das erste Quartal 2024 bereits der Launch zwei neuer Plattformen angekündigt und es sind weitere interessante Produkte in der Pipeline, für die aktuell noch die Zulassungen ausstehen. Dass Qiagen wesentlich mehr zu bieten hat als Tests und Geräte zur Covid19-Diagnose, macht auch ein Blick auf die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahrs 2023 deutlich.
Auf Basis konstanter Wechselkurse (CER) konnte Qiagen seine Umsätze für das Gesamtjahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 8 % steigern, während das Geschäft mit Covid19-Produkten gegenüber 2022 um 66 % (CER) zurück ging. Skeptisch könnten Anleger beim Blick auf das bereinigte Nettoergebnis für 2023 werden, das mit 2,07 USD je Aktie deutlich unter dem Wert des Vorjahres (2,38 USD) liegt. Der Vergleich mit den Jahren 2018/2019 zeigt jedoch, dass dieses Ergebnis immer noch weit über dem Ertragsniveau der Jahre vor Corona liegt, auch ohne Covid-Produkte. Belastende Faktoren für 2024 sieht Qiagen hingegen in niedrigeren Zinseinkünften und einer höheren Steuerbelastung, durch die der positive Effekt des kürzlich abgeschlossenen Aktienrückkaufs aufgezehrt werde, so die Pressemitteilung des Unternehmens. Trotzdem rechnet Qiagen für 2024 bei Umsatz und Gewinn mit moderaten Zuwächsen und prognostiziert auf Basis konstanter Wechselkurse Umsätze von mindestens 2 Mrd. USD und ein bereinigtes Nettoergebnis von mindestens 2,10 USD je Aktie einhergehend mit einer starken operativen Marge von 28 %. Der Analystenkonsens liegt 1 Cent darüber. Die Stimmung für die Aktie scheint insgesamt gut. Etwas mehr als die Hälfte der Analysten empfehlen die Aktie aktuell zum Kauf, die übrigen geben eine Halteempfehlung aus. Zum Verkaufen rät aktuell kein Analyst. Zahlreiche institutionelle Investoren haben ihre Investments in die Aktie erst kürzlich aufgestockt, wie die jüngsten Offenlegungen der US-Börsenaufsicht SEC (Security Exchange Commission) zeigen.
Bewertung auf Basis des Gewinns
Dass der Markt den ausufernden Corona-Gewinnen ohnehin nicht über den Weg getraut hat, zeigt der Blick auf die KGVs ab 2020 im Vergleich zu den Jahren bis 2019. Bis dahin waren die KGVs im Schnitt ca. doppelt so hoch wie in den Jahren 2020 bis 2023. Das nicht nachhaltige Geschäft mit Covid19 wurde demnach nur teilweise über höhere Kurse eingepreist. Seit 2020 lag die Relation zwischen jährlichem Höchstkurs und bereinigtem Gewinn je Aktie sehr konstant beim 24-Fachen. Das jährliche Tief des Aktienkurses lag im Schnitt beim 16,7-Fachen. Eine Spekulation darauf, dass sich das Bewertungsniveau wieder den alten Werten von KGVs vom 30 bis 40-Fachen des bereinigten Gewinns anpasst, wollen wir nicht wagen und es hat auch nicht den Anschein, als wäre das der Fall. Auf Basis der Ertragsschätzung von 2,10 USD je Aktie und Multiplikatoren von 24 und 16,7 berechnen wir eine Handelsspanne mit einem Kursziel von 50 USD und einem Einstiegskurs von 35 USD.
Charttechnik
Seit dem letzten Test der Widerstandzone bei knapp 61 USD im November 2021 befindet sich die Aktie in einer volatilen Abwärtsbewegung. Zuletzt wurde in deren Verlauf im Oktober 2023 die Unterstützungszone bei ca. 35 bis 36 USD erfolgreich getestet. Nach einem Rücksetzer an der oberen Begrenzung des intakten Abwärtstrends bei ca. 47 USD gab es einen erneuten Rückfall auf die Unterstützungslinie bei 42,50 USD. Von da aus geht es seit Ende Februar wieder bergauf. In der laufenden Woche wurde die 200-Tage-Linie überwunden. Kurzfristig dürfte ein weiterer Test des Abwärtstrends anstehen. Sollte dieser überwunden werden, lägen die nächsten Widerstände bei 47 und 50 USD. Ein erneutes Unterschreiten der Unterstützung bei 42,50 USD würde einen Rückgang auf die Unterstützungen bei 37 und 35 USD wahrscheinlich werden lassen. Dort liegt der langfristige Aufwärtstrend. Die relative Stärke auf Basis von 14 Wochen hat mit dem Test der Unterstützung bei 35 USD in 2023 bereits im stark überverkauften Bereich notiert und liegt aktuell mit einem Wert von ca. 51 im neutralen Bereich. Die Tendenz ist aufwärts gerichtet.
Fazit
Überzeugend ist aus unserer Sicht, dass Qiagen in der Lage ist, das bereinigte Ergebnis trotz der rückläufigen Covid19-Einnahmen auf einem Niveau zu halten, dass deutlich über dem der Jahre vor Covid 19 liegt. In Anbetracht der zurückhaltenden Ertragsprognosen für das laufende Jahr sehen wir jedoch kurzfristig nur begrenztes Aufwärtspotenzial. Bis zu unserem Kursziel bei 50 USD sind noch ca. 11 % Luft. Analysten gehen erst ab 2025 wieder von einem deutlichen Ergebniswachstum aus. Wir erachten Qiagen auf dem aktuellen Kursniveau als fair bis leicht überbewertet und stufen die Aktie daher ein mit Halten. Wer trotzdem den Einstieg wagen möchte, dem ist der Aufbau einer Teilposition zu empfehlen. Für einen kurzfristigen Long-Trade empfiehlt sich ein knapper Stop unterhalb der Marke von 42,50 USD.
Investmentidee(n) auf Qiagen
Die aktuelle Stabilisierung in der Qiagen-Aktie lässt Seitwärtspapiere wie Discount-Zertifikate oder Discount-Optionsscheine gut aussehen. Mutige Anleger finden im Discount-Call (ISIN: DE000DQ0AJQ3) ein defensives, leicht gehebeltes Hebelpapier, weil der Cap (35 Euro, Höchstauszahlungsbetrag) deutlich unter dem aktuellen Qiagen-Kurs von 40,55 Euro liegt. Sollte dieser Cap am Laufzeitende im Dezember 2024 nicht unterschritten werden - der Puffer bis dahin beträgt 13,8 Prozent -, erzielen Anleger eine (maximale) Rendite von rund 20 Prozent per anno. Trotz Kursrückgang ist das eine attraktive Renditechance. Das Risiko besteht allerdings in einem Totalverlust, sollte bei Fälligkeit der Basispreis von 30 Euro unterschritten werden. Hier beträgt der Puffer aktuell 26 Prozent. Anleger sollten bei Hebelpapieren generell das Risiko und damit auch den Kapitaleinsatz begrenzen, etwa auf 2 Prozent des Depotwerts.
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