von Wolfgang Müller
Regelmäßig vor dem Ende eines Quartals wird davon gesprochen, dass große Misch- und Staatsfonds ihre Aktien- und Anleihequoten auf ein festgelegtes Verhältnis umschichten müssen – das sogenannte Rebalancing – und das werde große Auswirkungen auf die Märkte haben. Aber ist das wirklich so?
Rebalancing: Aktienkäufe- und Verkäufe, auf Termin, gibt es so etwas?
Es widerspricht der Funktionsweise der Börse, nämlich absehbare Entwicklungen oder wochenlang bekannte Informationen vorher einzupreisen. Deshalb verfallen auch Anleger stets dem Irrglauben, aus Meldungen in der Presse börsenrelevante Informationen erhalten zu können. Das Allermeiste steckt bereits im Kurs, in den Handelsabteilungen von Großbanken sitzen weltweit hunderte Mathematiker oder Physiker vor ihren Terminals, um die Tickermeldungen blitzschnell umzusetzen, mit bisher getroffenen Berechnungen abzugleichen – teilweise machen es die Algorithmen automatisch.
Ein punktgenaues Rebalancing hätte auch extreme Kursverwerfungen zur Folge. Man stelle sich vor, Staatsfonds oder große Mischfonds würden ihre riesigen Depots am Monatsende des Quartals zeitgleich auf ein Verhältnis von beispielsweise 70/30 – Aktien zu Anleihen – umschichten wollen. Allein wenn man sich die Größe der Staatsfonds betrachtet: 1. Norway Government Pension Fund Global 1,323 Billionen Dollar, 2. China Investment Corporation 1,045 Billionen Dollar…..10. Investment Corporation of Dubai 301 Milliarden Dollar. (Stand 17.3.)
Was gäbe das für ein Kursdebakel! Also wird man die Änderung in der Allokation, also das Rebalancing – bereits längerfristig und kursfreundlich umsetzen. Alle Quartale rein in die Kartoffeln und raus aus den Kartoffeln (Anleihen und Aktien), um es einmal salopp auszudrücken – wohl kaum.
Das Schlussquartal 2020
Erinnern wir uns an den Abschluss des letzen Jahres. Wochenlang wurde von den Banken daran erinnert, dass es zum Jahresende durch Rebalancing gewaltige Umschichtungen in den Depots geben müsse, auch FMW berichtete, es ging um dreistellige Milliardensummen. Das Schlussquartal war an den Börsen sehr gut gelaufen. Am 30. September 2020 hatte man folgende Indexstände:
S&P 500 – 3363 Punkte, Nasdaq 100 – 11.418 Punkte,
DAX – 12.760 Punkte
Und was ist passiert? Nichts, die Jahresendrally nahm ihren Lauf, das Jahr endete mit folgenden Jahresschlussständen:
S&P 500 – 3767 Punkte, Nasdaq 100 – 12.888 Punkte,
Dax – 13.718 Punkte
Das Schlussquartal brachte also zum Teil zweistellige Kursgewinne bei den Indizes, die Kursschwankungen gab es eher zur Monatsmitte.
Wie ist die Lage zum Ende des ersten Quartals 2021?
Die Kursanstiege an den Aktienmärkten sind erheblich moderater als im Schlussquartal, die Kursanstiege bewegten sich bis zum Wochenende zwischen null Prozent (Nasdaq) und sieben Prozent (S&P 500).
Am Anleihemarkt gab es hingegen erheblich größere Bewegungen, aber das sind die Reaktionen auf eine übermäßige Spekulation auf steigende Renditen, auf der ein oder anderen Short Squeeze und Zuflüssen in Anleihe-ETFs. Weil das Jahr 2021 wahrscheinlich für längere Zeit bestimmt wird von der Frage:
Kommt sie oder kommt sie nicht?
Gemeint ist natürlich die Inflation im Jahre 2021, für die es immens deutliche Anzeichen gibt. Besonders aktuell aus dem Transportsektor, den Frachtraten, die sich allein für die Route China – USA vervierfacht haben. Dazu noch das technische Unglück im Suezkanal, wo 12 Prozent des Welthandels in einem Schiffsstau steck(t)en. Oder haben Jerome Powell und andere Notenbankchefs doch recht, die einen Inflationsanstieg auf vier Prozent für vorübergehend halten? Dies ist aus meiner Sicht der Hauptgrund für die Volatilität an den Märkten, weil damit die Konkurrenz für die Aktienmärkte ins Spiel kommt: Der steigende Kapitalmarktzins, der zunächst Wachstumstitel, in der Folge aber auch Value beeinträchtigt – und sind beide Kategorien nicht bereits fürstlich gestiegen, in den letzten 12 Monaten?
Fazit
Sollte man nicht vorsichtig sein, wenn Großbanken Hinweise geben auf mögliche Kursentwicklungen von Aktien und Anleihen zu einem bestimmten Termin durch das Rebalancing? Finanzinstitute veröffentlichen keine Gelegenheiten für Geschäfte, wenn sie nicht selbst davon profitieren (There’s no such thing as a free Lunch). Aktien, die in einer bestimmten zeitlichen Phase verkauft werden (müssen), wäre das nicht eine wunderbare Chance für eine Short-Spekulation? Aber so einfach funktioniert Börse nicht.
Bei Bekanntgabe von kursrelevanten Nachrichten durch Banken empfiehlt sich zumeist ein Nachdenken darüber: Cui Bono?
Dieser Artikel erschien zuerst auf finanzmarktwelt