Kommt jetzt die Rezession? Das ist die große Milliarden-Dollar-Frage, die aktuell alle Anleger beschäftigt. Ein wichtiger Indikator für das Rezessionsrisiko sind die Renditespannen von Unternehmensanleihen. Wenn der Abstand zwischen Unternehmensanleihen und als sicher geltenden Staatsanleihen deutlich zunimmt, werten das viele als klassisches Signal für eine wachsende Risikoaversion am Anleihemarkt. Die Investoren preisen damit ein höheres Ausfallrisiko ein – etwas, das typischerweise dann auftritt, wenn das Wirtschaftswachstum nachlässt, besonders in Phasen einer Rezession.
Kommen wir nun zu den aktuellen Entwicklungen bei den Spreads: Die folgende Abbildung zeigt die Renditeabstände von Investment-Grade-Anleihen (BBB) und Hochzinsanleihen (BB) über die letzten 25 Jahre. Auffällig ist, dass sich die Spreads bei den sogenannten Junk Bonds seit Jahresbeginn um mehr als 1 % ausgeweitet haben, während sie bei höher bewerteten Anleihen – also im Investment-Grade-Bereich – nur um rund 0,30 % gestiegen sind. Diese Entwicklung deutet auf wachsenden Stress im Markt hin.
Trotzdem bleibt festzuhalten: Die Differenz (0,70 %) ist historisch gesehen noch relativ niedrig. Sowohl die absoluten Spreads als auch die Veränderung gegenüber früheren Phasen liegen aktuell unter dem langjährigen Durchschnitt. Das klingt zunächst beruhigend – aber man sollte sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Denn die Spreads bei Unternehmensanleihen können sich schnell und deutlich verändern.
Insofern lassen sich aus dieser Entwicklung gewisse Rückschlüsse auf das Risiko einer Rezession ziehen – aber keine eindeutigen. Die Corporate Spreads sind ein Teil des großen Ganzen. Im Rückblick sind sie oft aufschlussreich, doch in Echtzeit liefern sie eher vage Signale.
Um ein vollständigeres Bild zu bekommen, müssen wir viele weitere Faktoren im Blick behalten – etwa die Verbraucherstimmung, die Lage am Arbeitsmarkt, die Entwicklung der Unternehmensgewinne, die Form der Zinskurve bei Staatsanleihen sowie das generelle wirtschaftliche Umfeld – national wie international.
Market Trading Update
Gestern haben wir darüber gesprochen, dass der Markt aufgrund seines technisch überverkauften Zustands reif für eine ordentliche Erholung ist. Wer mehr dazu lesen möchte: Unser gestriger Blog-Beitrag "Hoffnung in der Angst" erklärt im Detail, warum wir diese Einschätzung teilen. In Phasen extremer Pessimismus und stark überverkaufter Märkte reicht oft schon ein kleiner Hoffnungsschimmer, um Käufer zurück an den Markt zu bringen.
Ein gutes Beispiel dafür haben wir zu Wochenbeginn erlebt: Eine Falschmeldung, laut der die Trump-Regierung eine 90-tägige Zollpause erwägt, sorgte innerhalb weniger Minuten für einen Kursanstieg von 5 %. Und obwohl die Schlagzeile später dementiert wurde, hielten sich die Märkte den Rest des Tages nahe ihrer Tageshochs. Das zeigt, wie sehr der Markt derzeit auf eine positive Nachricht wartet – selbst wenn sie nicht real ist.
Im weiteren Verlauf des Tages verteidigten die Märkte die Unterstützung an der aufwärts gerichteten Trendlinie, die seit den Tiefs im Oktober 2022 besteht. Wie bereits erwähnt, war der Markt gestern sogar stärker überverkauft als während der Korrektur 2022. Wir erwarten zwar nicht, dass der Markt sofort neue Höchststände erreicht – aber eine abrupte Erholungsbewegung scheint sehr wahrscheinlich.
Eine solche Erholung würden wir nutzen, um gezielt Positionen zu verkaufen, Liquidität aufzubauen und unser Engagement am Markt neu zu strukturieren. Wie schon angedeutet, könnte es nur wenige positive Impulse aus der Regierung brauchen, um eine kurzfristige Marktbewegung auszulösen – und dass solche Signale kommen, ist aktuell nicht unwahrscheinlich.
Gleichzeitig muss man realistisch bleiben: Garantien gibt es keine, und die Regierung hält vorerst an der neuen Zollpolitik fest – trotz ihrer erkennbar negativen Auswirkungen auf die Märkte.
Die Folge wird wahrscheinlich eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums sein, begleitet von einem weiteren Rückgang des Verbrauchervertrauens. In diesem Szenario wäre es keine Überraschung, wenn die Fed schon bei ihrer Sitzung im Mai eine erste Zinssenkung vornimmt.
Das technische Potenzial für eine Erholung ist jedenfalls vorhanden – der Markt liegt derzeit mehr als drei Standardabweichungen unterhalb seines gleitenden Wochendurchschnitts. Unsere Strategie dazu haben wir im gestrigen Blogbeitrag bereits skizziert.
Unser Plan:
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Bestehende Positionen um ein Viertel bis zur Hälfte ihrer ursprünglichen Zielgröße reduzieren
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Kassenbestände erhöhen
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Stop-Loss-Marken bei langfristigen Positionen anpassen
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Titel verkaufen, die unter wichtige Unterstützungsniveaus gefallen sind oder bei denen unsere Risikotoleranz überschritten wurde
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Neue Positionen aufbauen, die vom aktuellen Marktstress profitieren könnten
Nach diesen Maßnahmen werden wir das Portfolio weiterhin eng begleiten und bei Bedarf anpassen. Irgendwann wird die Bewertungsbereinigung abgeschlossen sein – und dann können wir unsere Allokationen neu ausrichten, um von einem wieder freundlicheren Marktumfeld zu profitieren.
Bleiben Sie dran – die Volatilität dürfte uns noch eine Weile begleiten.
Völlig überverkauft
Auch wenn es am Markt einzelne Sektoren und Faktoren gibt, die sich im Vergleich zum Gesamtmarkt etwas besser halten, sind sie auf absoluter Basis dennoch stark überverkauft – das zeigt die folgende Analyse von SimpleVisor. Wie unten in den rot markierten Feldern hervorgehoben, liegen nahezu alle Aktienfaktoren aktuell bei einem absoluten Wert unter 0,50. Auffällig ist zudem, dass ausgerechnet die Qualitätsaktien, die bislang zu den stärksten Performern gehörten, derzeit zu den am stärksten überverkauften Titeln zählen.
Ein gutes Beispiel ist der IVE, der Anfang des letzten Monats noch besser abschnitt als der S&P 500 und der Large-Cap-Growth-Index. Inzwischen hat sich der Vorsprung allerdings wieder verflüchtigt – die Performance ist auf das Niveau des Gesamtmarkts zurückgefallen.
Die zweite Abbildung zeigt: Nach der Ankündigung neuer Zölle lassen sich kaum noch Unterschiede zwischen den Faktoren „Größe“ und „Qualität“ erkennen – beide wurden vom Abwärtsdruck gleich stark erfasst. Eine Ausnahme bilden bislang lediglich Goldminen-Aktien (GDX), die sich dem allgemeinen Abwärtstrend bislang entziehen konnten.
Auch auf Sektorenebene zeigt sich ein ähnliches Bild: Die dritte Abbildung verdeutlicht, dass sämtliche Sektoren im S&P 500 derzeit auf absoluter Basis schwächeln. Am besten schneiden noch die Basiskonsumgüter (XLP) ab, mit einem relativen Wert von 0,15. Alle übrigen Sektoren sind bereits mit Werten von 0,50 oder mehr in den roten Bereich gerutscht.
Unsere Einschätzung: Sollte es zu einer Markterholung kommen, werden sich die Basiskonsumgüter vermutlich unterdurchschnittlich entwickeln. Bis dahin scheinen sie jedoch – zumindest vorübergehend – als eine Art „sicherer Hafen“ zu fungieren.