Seit den schwächer als erwartet ausgefallenen US-Arbeitsmarktdaten der letzten Woche sind die Anleiherenditen kräftig gefallen, so dass die 10-jährige Staatsanleihe nun mit weniger als 1,5% rentiert. Auch nach dem am 10. Juni über den Erwartungen liegenden Verbraucherpreisindex setzten sich die Verluste fort. Dies ist insofern bedeutsam, als die Kupfer-Preise seit dem 10. Mai ebenfalls um fast 8% zurückgefallen sind. Zusammen mit sinkenden 10-jährigen Breakevens deutet dies nicht auf Inflation, sondern auf Disinflation, d.h. auf eine spürbare Verringerung des Inflationstempos hin.
Auch in Teilen des Aktienmarktes ist diese Entwicklung erkennbar, wo der PHLX Housing Index und der Dow Jones Transportation Average seit ihren Höchstständen um etwa 13% bzw. 6% gefallen sind. Und auf einmal zeigen sich erstaunliche Parallelen zu allen Warnsignalen aus dem Herbst 2018.
Gleich aber anders
Während sich die heutige Situation aus geldpolitischer Sicht anders darstellt als 2018, sorgten damals Ängste vor einem langsameren Wachstum Ende 2018 und einer möglichen Rezession für einen Rückgang des S&P 500 um fast 20%. Die heutige Situation könnte nicht viel anders sein, denn das Gewinnwachstum dürfte bis 2022 drastisch zurückgehen.
Im Zusammenspiel mit rückläufigen Rohstoffpreisen und sinkenden Inflationserwartungen könnten Teile des Marktes Anfang 2022 eine Verlangsamung des Wachstums einpreisen. Der Transport- und der Immobiliensektor zählen zu den eher zyklischen Sektoren. Beide Wirtschaftszweige reagieren besonders empfindlich auf sinkende Inflationserwartungen und fallende Anleiherenditen. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Inflation möglicherweise nicht das Problem ist. Stattdessen sollten sich die Sorgen auf die nachlassende Inflation und das Wachstum konzentrieren.
Schwächeres Wachstum
Wenngleich die Vorhersagen einer Rezession sicherlich nicht die Debatte bestimmen, könnte das schwächer als erwartete Beschäftigungswachstum darauf hindeuten, dass der US-Wirtschaft eine langsamere wirtschaftliche Erholung bevorsteht als ursprünglich angenommen. Dies könnte ein Grund dafür sein, warum wir diese signifikante Neubewertung einiger der konjunktursensibleren Teile der Finanzmärkte erlebt haben. Das würde auch bestätigen, warum die Inflationserwartungen und die Rohstoffpreise aufgrund von Befürchtungen einer schwächeren Nachfrage fallen.
Ab Juli 2018 entwickelte sich der Immobilienindex entgegengesetzt zum S&P 500. Mitte September kam es dann zu einer Abkopplung des Dow Transports vom S&P.
Dasselbe haben wir in den letzten Wochen gesehen. Der Immobilienindex ist stark gefallen und nun folgt auch der Dow Transports nach unten. Der S&P 500 hat sich in dieser Zeit größtenteils seitwärts bewegt und muss diesen Trend entweder aufgreifen oder ignorieren.
Noch ist die Erholung intakt
Abgesehen von den enttäuschenden Beschäftigungszahlen gibt es derzeit keine klaren Anzeichen dafür, dass sich die Konjunktur dramatisch verlangsamen wird. Allerdings wird dies für das Gewinnwachstum im nächsten Jahr erwartet. Die Schätzungen für das Gewinnwachstum des S&P 500 im Jahr 2022 liegen laut den neuesten Daten von Refinitiv bei 11,7% und damit deutlich unter den Anfang Januar erstellten Prognosen von fast 17%. Gegenüber der für 2021 erwarteten Wachstumsrate von 37% kann man sogar von einer Vollbremsung sprechen.
Sobald die Erwartungen an ein langsameres Wachstum den Markt erfassen, sollte man damit rechnen, dass sie zuerst die zyklischeren Teile des Marktes belasten und der breitere Index sich noch etwas länger behaupten kann. 2018 sahen wir fast das gleiche Muster, als es Befürchtungen gab, dass die Fed mit einer übermäßigen geldpolitischen Straffung eine Rezession auslöst. Diesmal könnten die Dinge anders laufen, denn die Fed fährt bereits eine sehr akkommodierende Geldpolitik. Genau das ist letztlich der große Unterschied zwischen 2021 und 2018.