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Stromkrise in Europa: Vier Faktoren sorgen derzeit für himmelhohe Energiepreise

Veröffentlicht am 16.09.2021, 11:36
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Die Strompreise in ganz Europa steigen stark und es ist noch nicht einmal Winter. In Großbritannien erreichte der Preis für Grundlaststrom am Montag 354 Pfund (491 US-Dollar) pro Megawattstunde (MWh). Das sind 700% mehr als der Durchschnittspreis im Jahrzehnt 2010-2020. Die Preise innerhalb des Tages zu Nachfrage-Spitzenzeiten liegen sogar noch höher und erreichen bis zu 1.750 £ (2.425 US-Dollar) pro MWh.

Das Phänomen ist allerdings nicht nur in Großbritannien zu beobachten. In Deutschland haben sich die Strompreise ebenfalls verdoppelt und liegen jetzt bei über 100 € (118 US-Dollar) pro MWh. Auch in Frankreich und den Niederlanden sind die Kosten gestiegen. Das Bild wäre jedoch nicht vollständig, wenn man nicht auch einen Blick auf Erdgas werfen würde, dessen Preis sich zuletzt verdreifacht hat.

Erdgas Futures

Diese unglaublichen Preissprünge bereiten den europäischen Verbrauchern große Sorgen, insbesondere weil es gerade mal September ist. Was bedeutet das für die Wintersaison? Kommt es nicht schnell zu einer Lösung, müssen die Verbraucher mit noch exorbitanteren Preisen rechnen - und einige werden möglicherweise gezwungen sein, ganz auf Wärme und/oder Strom zu verzichten.

Das Problem ist nicht nur auf ein mangelndes Angebot und eine hohe Nachfrage zurückzuführen. Bestimmte europäische Maßnahmen, die den Übergang zu sauberer Energie erleichtern sollen, verschärfen die Situation zusätzlich.

Das bedeutet, dass ein steigende Energieangebot nicht ausreichen wird, um die explodierenden Kosten zu dämpfen, und dass die Strompreise bei künftigen Ereignissen wieder drastisch in die Höhe schnellen werden. Doch es gibt noch andere Faktoren, die Einfluss auf die Situation haben.

Im Folgenden werfen wir einen kurzen Blick auf vier solcher Einflussfaktoren:

1. Niedrige Erdgasvorräte

Die Erdgasvorräte in Europa erreichten im August den niedrigsten Stand seit Jahren. Dies wurde auf den Verbrauchsanstieg zurückgeführt, als die Länder in diesem Sommer die Pandemie-Beschränkungen lockerten.

Während der Pandemie sank die Erdgasnachfrage und die Produzenten drosselten die Produktion. Sie haben diese aber trotz des hohen Bedarfs im Sommer nicht wieder entsprechend angehoben.

2. Russland drosselt Erdgasexporte nach Europa

Aus noch ungeklärten Gründen hat Russland seine Erdgaslieferungen Ende August nach Europa gekürzt und sie im September noch weiter reduziert. Einige Analysten haben spekuliert, dass dies ein bewusster Schritt von Gazprom (MCX:GAZP) war, dem die Pipelines Nord Stream und Nord Stream II gehören.

Die Nord Stream liefert Erdgas aus Russland nach Deutschland, das den Rohstoff dann in andere europäische Länder verteilt. Nord Stream II ist eine weitere solche Pipeline, die gebaut wurde, aber noch nicht in Betrieb ist.

Die umstrittene Nord Stream II-Pipeline, die analog zur ersten Pipeline gebaut wurde, ist aufgrund der europäischen Vorschriften noch nicht in Betrieb. Einige Analysten glauben, dass Gazprom die Gaslieferungen nach Europa drosselt, um den Erdgaspreis zu erhöhen und Druck auf die Europäische Union auszuüben, damit Gazprom den Transport von Erdgas via Nord Stream II beginnen kann.

Laut Gazprom besteht das Problem darin, dass der plötzliche Anstieg der Erdgasnachfrage in Europa mit bereits geplanten Wartungen und Vorbereitungen für den Winter zusammenfällt, die es nicht aufschieben kann. Gazprom sagt, dass es die Erdgaslieferungen nach Europa teilweise reduziert hat, weil es in diesem Winter eine hohe Nachfrage erwartet. Ein Teil dieser Vorbereitung besteht nach Angaben des Unternehmens darin, unterirdische Speicheranlagen mit Gas zu füllen.

3. CO2-Zertifikate machen fossile Energie teurer

Höhere Erdgaspreise veranlassen die europäischen Energieversorger zum Umstieg auf Kohlekraftwerke. Allerdings verlangen die europäischen Vorschriften von den Versorgern, dass sie die höheren CO2-Emissionen aus der Kohleverbrennung durch den Kauf weiterer CO2-Zertifikate ausgleichen, die auf dem Markt gehandelt werden.

Die höhere Nachfrage nach CO2-Zertifikaten hat deren Preise in die Höhe getrieben, wodurch die Verbrennung von Kohle genauso teuer wird wie Erdgas. Dies wiederum erhöht die Kosten für den Verbraucher.

4. Wenig Wind in der Nordsee

Großbritanniens besondere Strompreiskrise wird durch die Abhängigkeit von Windparks in der Nordsee verschärft. Das Vereinigte Königreich generiert in der Regel ca. ein Viertel seines Strombedarfs mit diesen Windparks. Aber im September ist der Anteil des Offshore-Winds auf lediglich 11% gefallen.

Für die Investoren trug die europäische Stromkrise dazu bei, die Aktienkurse von Flüssigerdgasunternehmen wie dem US-Exporteur Cheniere Energy (NYSE:LNG) in die Höhe zu treiben. Rohstoffhändler beobachteten, dass die Preise für bestimmte Kohlearten stiegen und die Erdgaspreise in Europa - wie bereits oben erwähnt - in ungeahnte Höhen schossen.

Der EU-CO2-Benchmark-Kontrakt ist ebenfalls gestiegen und dürfte erhöht bleiben, solange Europa weiterhin mehr Kohle verbrennt, um die Nachfrage zu decken. Die Ölpreise wurden bisher nicht wesentlich von der Stromsituation beeinflusst, da die Stromerzeugung auf Kohle statt auf Öl umgestellt wurde.

Es ist möglich, dass sich die steigenden Strompreise in Europa bis Oktober ausgleichen, sollte Russland die Erdgaslieferungen nach Europa wieder normalisieren. Helfen würde auch, wenn die Nord Stream II-Pipeline endlich in Betrieb geht. Allerdings könnte die Angst vor einer Erdgasknappheit die Strompreise den ganzen Winter auf überdurchschnittlich hohem Niveau halten.

Akute Situationen wie die jetzt beobachtete dürften in den kommenden Monaten und Jahren häufiger und intensiver werden, da überall in Europa die Schließung von Kohle- und Kernkraftwerken geplant ist, um die ambitionierten Klimaschutzziele zu erfüllen.

Die aktuelle Situation verdeutlicht die Gefahren für Europa, sich zu sehr auf unzuverlässige erneuerbare Energien und Russland zu verlassen, das seine eigenen Interessen gegenüber denen Europas verfolgt. Auch nachdem diese aktuelle Situation geklärt ist, könnten die gleichen Probleme sehr leicht wiederkehren.

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