Die seit einigen Tagen zu beobachtende Rotation an den Aktienmärkten indiziert, dass netto derzeit kein frisches Geld mehr an die Börsen fließt. Seit gestern manifestieren sich nun sogar Mittelabflüsse: nicht nur die US-Indizes gaben nach, sondern heute früh auch Europa sowie die asiatischen Pendants. Der Nikkei 225 verlor mit -1,75% nahezu den gesamten Zugewinn vom Mittwoch und rutschte erneut unter seinen 20-Tage Durchschnitt (-2 Punkte im APX).
Zunächst hatten gestern US-Konjunkturdaten für gute Laune gesorgt: der ADP-Arbeitsmarktbericht zeigte, dass sich auch im privaten Sektor der Stellenaufbau stark verlangsamt. Das bedeutet, dass der Lohndruck moderat bleibt. Die Produktivität der Unternehmen ist in Q3 um 5,2% gestiegen und damit noch stärker als erwartet, die Lohnstückkosten sind um 1,2% gesunken. Ceteris paribus bedeutet dies, dass sich die Gewinnmarge der Firmen weiter verbessert. Im Handelsverlauf gab es dann jedoch kritische Stimmen zum erwarteten Verhalten der US-Verbraucher: einerseits seien die Zinsen auf Kreditkartenkäufe derzeit so astronomisch hoch, dass zu erwarten sei, dass die Konsumenten nun vorsichtiger agieren würden – auch und gerade in Hinblick auf den nicht mehr ganz so rosigen Arbeitsmarkt. Zudem sieht der CEO von Walmart (NYSE:WMT), dass die Konten der Kunden inzwischen nicht mehr so üppig gefüllt sind und er befürchtet deshalb in Q4 größere Zurückhaltung. Zugleich sei bei etlichen Gütern mittlerweile ein Preisrückgang festzustellen, was bedeute, die Umsätze müssten gesteigert werden, um Gewinnzuwächse zu erreichen. Über allem steht natürlich, dass die gigantische Rallye der letzten 5 Wochen ja nicht einfach so ohne Unterbrechung weiter laufen kann – wir haben jetzt bereits Niveaus z.B. im S&P 500, die höher liegen als die 2024er Ziele vieler Analysten. Ein wenig verunsichert zeigen sich die Anleger auch über den scharfen Einbruch des Ölpreises. Zwar ist dies eine gute Entwicklung, was die Inflationserwartungen betrifft. Zugleich aber indiziert er, dass die an den Rohstoffmärkten agierenden Investoren offenbar von einem sinkenden Verbrauch - also Rezessionssorgen - ausgehen. Denn das globale Angebot wird ja derzeit nicht erhöht, was eine alternative Begründung für den fallenden Ölpreis wäre. Der Bondmarkt reagierte gestern zwar auf die günstigen Konjunkturdaten mit weiteren Kursgewinnen, gibt diese aber momentan wieder ab. Eine extrem lockere Notenbankpolitik in 2024 ist bereits vollständig eingepreist – nur so lässt sich die äußert hohe inverse Renditedifferenz zwischen Kurz- und Langläufern erklären. So werfen derzeit US-Staatspapiere mit sechsmonatiger Laufzeit 5,34% ab, zehnjährige Treasuries hingegen nur 4,16%.
Heute früh kamen gemischte Signale aus China: die Exporte haben im November die Erwartungen übertroffen und stiegen um 0,5% im Vergleich zum Vorjahr. Das ist der erste Zuwachs seit sechs Monaten. Die Importe hingegen sind nicht wie erwartet um 3,9% gestiegen, sondern um 0,6% gefallen - trotz niedriger Vorjahresbasis. Japan wurde belastet dadurch, dass eine Auktion von lang laufenden Anleihen nur schleppend verlief und Aussagen des Notenbankchefs Kazuo Uedo dahingehend interpretiert wurden, dass die BoJ früher als erwartet ihre ultralockere Zinspolitik straffen könnte. Die Kurse am japanischen Anleihemarkt gerieten unter Druck – die Rendite der zehnjährigen Laufzeiten sprang um 13 Basispunkte. In Folge dessen legte der Yen um 1% zum US-Dollar zu, was wiederum neben den schwachen US-Vorgaben zu dem o.a. Kursrückgang führte.
Europas Börsen können sich der eingetrübten Stimmung heute nicht entziehen, lediglich die Rendite starken Versorger (NYSE:XLU) legen weiter zu. Unter besonderem Druck stehen die Fluggesellschaften (NYSE:JETS), was mit JPMorgan (NYSE:JPM) zusammenhängt, deren Analysten haben die Aktien des Sektors abgestuft. Auf der Region lasten auch schwache Oktoberzahlen zur Industrieproduktion, namentlich in Deutschland. Um 14:30 MEZ werden die Zahlen zu den Erstanträgen auf Arbeitslosigkeit relevant.