Zwar kamen Jerome Powells Äußerungen bei einer Podiumsdiskussion des Internationalen Währungsfonds nicht gut an. Eigentlich sagte er aber nichts Neues. Dass die FED noch nicht zufrieden mit der Preisentwicklung ist und zudem nicht völlig darauf vertraut, dass die Inflation unter Kontrolle ist, hat er wortwörtlich bereits auf der FED-Pressekonferenz Anfang November gesagt. Ebenso, dass eventuell die Nachfrage noch ein wenig gebremst werden müsste. Vielleicht hat er etwas deutlicher darauf hingewiesen, dass im Bedarfsfall die Zinsen auch noch einmal erhöht werden könnten. Das war wohl taktische Rhetorik, weil der FED ein zu schneller Renditerückgang missfällt. Wer genau hinschaute, sah aber, dass der gestrige deutliche Anstieg der US-Renditen bereits vor Powells Worten erfolgt war. Konkret ab 18:00h MEZ rutschten deshalb bereits die Börsen ab, Powell redete aber erst um 20:00h. Schuld an dem Renditesprung war vielmehr etwas Anderes: die schleppend verlaufene Auktion von 23 Mrd USD an US-Staatsanleihen mit dreißigjähriger Laufzeit. Das stand im krassen Gegensatz zu den Vortagen, als die Neuemissionen guten Absatz fanden, was wiederum die Renditen gedrückt hatte. Der Markt macht sich nun Sorgen über die Aufnahmekapazität zum aktuellen Zins, da noch umfangreiche weitere Emissionen anstehen. Am US-Aktenmarkt kam es wegen der hohen Korrelation der Anleihe- und Aktienkurse zur ersten größeren Gegenbewegung seit Monatsanfang. Diese war deshalb technisch überfällig und sollte nicht überinterpretiert werden. Störend ist aber die fehlende Aufwärtsdynamik des breiten Marktes, insbesondere auch der Small Caps. Das zeigt, dass der breite Mittelzufluss fehlt. Es wird nicht einmal rotiert. Mit anderen Worten: außer Techs läuft fast nichts und sobald die Techs schwächeln, fallen die Indizes.
Auch aus dem Asien/Pazifiktraum kamen rote Vorzeichen. Insbesondere Hongkong präsentierte sich schwach, der Hang Seng Tech Index verlor 3,5%. Die Verkäufe der chinesischen Titel hatten bereits gestern via USA begonnen. Der STXE 50 wird zudem heute besonders belastet durch enttäuschende Zahlen von Diageo (LON:DGE), einem führenden Hersteller alkoholischer Getränke. Das Unternehmen verliert 14% und setzt damit den Sektor „Nahrung und Getränke“ sowie den ESX 50 via Pernod Ricard (EPA:PERP) (-4%) unter Druck. Schwach präsentieren sich zudem heute früh die Luxusgüterhersteller LVMH (EPA:LVMH), Kering (EPA:PRTP) und Richemont (SIX:CFR). Letztere legten einen unbefriedigenden Quartalsbericht vor. Auch Prosus (AS:PRX) gehört zu den schwergewichtigen Verlierern. Das Unternehmen leidet unter Kursverlusten seiner Tencent-Beteiligung. Auf der Gegenseite lieferte Allianz (ETR:ALVG) (-2%) einen guten Report, was den DAX und den Sektor „Versicherungen“ stützt. Auch die Energiewerte (NYSE:XLE) präsentieren sich zur Zeit freundlich.
Europas Börsen hatten den Handelstag vergleichsweise robust begonnen, jedoch drücken die zunehmend schwächer werdenden US-Futures. Außerdem hat der Iran heute seine Rhetorik verschärft: „in Anbetracht des anhaltenden Beschusses von Al Shifa (dem größten Krankenhauskomplex von Gaza,) sei eine Eskalation unvermeidlich“, sagte laut Nachrichtenagentur Reuters der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian zu seinem Amtskollegen aus Katar. Auszüge dieser Unterredung wurden vom iranischen Staatssender Press TV ausgestrahlt. Israel betont hingegen, dass die Hamas genau dort geheime Stützpunkte unterhalte. Wieder einmal ist Freitag und wieder einmal könnten einige Investoren deshalb vor dem Wochenende vorsorglich in den Risk-off Modus wechseln. Indiz dafür ist der um 1% steigende Ölpreis.