Die US-Verbraucherpreise stiegen im März ein wenig mehr als von den Analysten erwartet. Aber wie gestern hier avisiert: obwohl die Abweichung gering war, reichte dies, um das labile Gleichgewicht der Erwartungen ins Kippen zu bringen. Nun gehen nur noch 20% der Marktteilnehmer davon aus, dass die FED im Juni die Zinsen senkt. Die Mehrheit erwartet jetzt den ersten Schritt im September und der neue Konsens ist, dass es 2024 lediglich zwei Reduktionen um insgesamt 50 Basispunkte geben wird. Diese Entwicklung befeuerte die Renditen am US-Anleihemarkt: 10y US-Treasuries sprangen von knapp 4,40 auf 4,55%. In diesem Sog zog auch der US-Dollar kräftig an. Auf der Gegenseite gerieten die Aktienindizes unter Druck. Freilich verhinderten die „Titans“ Schlimmeres – diese Cash-Kühe sind eher Profiteure hoher Zinsen. Ebenfalls gesucht waren nichtzyklische Konsumwerte und Energietitel. Unter Druck standen Small-Caps (Russell 2000 -2,5%) mit hohem Fremdkapitalanteil, Versorger (NYSE:XLU) und Immobilienaktien. Wir haben die Gunst der Stunde genutzt, um einen Tradinggewinn einzufahren, indem wir am Vortag erworbene S&P-Shorts wieder veräußerten. Außerdem haben wir eben den neuen Anteil an langlaufenden US-Staatsanleihen auf 8% ausgebaut. Wir haben eine strategische Position schon lange geplant, aber bislang waren die Renditen nicht attraktiv genug.
Chinas Verbraucherpreise kletterten den zweiten Monat in Folge. Jedoch war der Anstieg mit +0,1% ggü. März 2023 marginal. Erwartet war +0,4%. Gegenüber Februar, als die Feiertage (Golden Week) Konsum und Touristikbranche befeuerten, wurde sogar ein Rückgang um 0,7% verzeichnet. Theoretisch erlaubt es diese Entwicklung der Notenbank PBoC, die Zinszügel zum Zweck der wirtschaftlichen Stimulanz weiter zu lockern. Dem steht jedoch der zum USD schwache Yuan im Wege – eine Zinssenkung würde diese Entwicklung verstärken. Beobachter bewerten die Preisentwicklung kritisch: anscheinend findet Chinas Wachstum derzeit nur auf dem Exportwege statt. Chinas Börsen notierten heute zum Handelsschluss kaum verändert. Im Xetrahandel notiert der MSCI-China ETF jedoch höher, was daran liegt, dass heute früh die PBoC den Referenz-Wechselkurs des Yuan zum USD deutlich höher gesetzt hat, nachdem es über Nacht zunächst zu weiteren Yuan-Verkäufen gekommen war. Dies wird als Währungsintervention interpretiert. Japans Börsen schlossen behauptet. Vorhin hat das Topix-Schwergewicht Fast Retailing einen 28%-Gewinnanstieg für das erste Halbjahr gemeldet, das könnte morgen stimulieren.
Wird die EZB den Mut haben, daran festzuhalten, den Juni als Starttermin für Zinssenkungen zu avisieren? Bislang konnte sie diese Meinung vertreten, indem sie sich einfach an den „Rockzipfel“ der FED anhängte. Mit der gestrigen Entwicklung sieht es aber nun danach aus, dass sie vorpreschen müsste. In Anbetracht der unbefriedigenden konjunkturellen Entwicklung in der Eurozone wird sie das kaum vermeiden können, zumal sich die Inflationsdaten zuletzt ein Stück weiter in die gewünschte Richtung bewegten. Gefährden könnten diesen Trend jedoch die wieder steigenden Energiepreise. Entscheidend für die heutige Börsenentwicklung der Eurozone wird die Pressekonferenz mit Christine Lagarde ab 14:45h. Momentan tendieren Europas Indizes marginal leichter, nachdem sie den CPI-Schreck aus den USA bereits gestern recht gut verdaut hatten. Wir haben auch hier gestern in die temporäre Schwäche hinein die ESX 50-Absicherung aufgelöst. Wir waren zuletzt maximal defensiv gewichtet und sind auch nach den gestrigen Short-Schließungen keineswegs aggressiv positioniert. Gesucht sind heute früh die Rohstoff-Sektoren sowie nichtzyklische Konsumgüter. Interessant: außer Societe Generale (EPA:SOGN) notieren Bankaktien (NASDAQ:KBWB) schwächer – und auf der Gegenseite sind Versorger gefragt. Diese Konstellation könnte ein Indiz sein, dass der Markt nachher eine „lockere“ Christine Lagarde erwartet.
APX: ital./span/EM-Staatsanleihen -5, US-Treasuries -2, S&P/DAX/STXE -7, VIX -1.